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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Freund, Frank E. Washburn: Die Tätigkeit der amerikanischen Museen
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0941

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Die Cätigkeit der amerikanifd}en Mufeen
Von FRANK E. WASHBURN FREUND
Dienen, dem großen Publikum dienen, nicht bloß Sammeln und Erhalten wird mehr und mehr
der (Uablfprucb der Leiter der amerikanifchen Mufeen. Qm einen je^t gang und gäbe ge-
wordenen Ausdruck zu benützen: man iftvon einer mehr ftatifcben zu einer mebr dynamifcben
Tätigkeit übergegangen, abmt aucb den Propheten Mohammed nacb und wartet nicbt mebr fo
febr auf den Berg, der zu ibm komme, fondern gebt gleich felber zum Berge. So beginnt der
Samen, den John Cotton Dana, Direktor des Newarker Mufeums, vor Jahren — damals, wie
es fcbien, auf fteinigen Boden — ausgeftreut, aufzugeben und trägt fogar fcbon an manchen Stellen
reiche und fcböne Frucht. Seinerzeit mußte Dana noch feine gedanken- und anregungsreiche
Brofcbüre „Ein Plan für ein neues Mufeum“ (mit dem Untertitel: „Ein Mufeum der Art, daß es
fid) für eine Stadt lohnt, es zu unterhalten“) privatim drucken laffen. Jetjt hört man feine Ideen
auf allen Seiten ausgedrückt und fiebt fie eben fogar fdjon, teilweife wenigftens, in die (Hirk-
licbkeit überfe^t.
Als Direktor Dana vor einigen (Hocben von einer ausgedehnten Europareife zurückkebrte,
veröffentlichte die „Art News“ eine Unterredung mit ihm, in deren Verlauf er u. a. folgendes
fagte: „Ich habe wieder die Überzeugung gewonnen, daß die Methoden, die die führenden
großen .Mufeen der dielt, wie das Britifcbe Mufeum, der Louvre u. a. noch immer anwenden, ge-
ändert werden müffen. Es ift mir klarer denn je geworden, daß Mufeen, die diefe Methoden ver-
wenden, nur den geringften Nutzen für all die auf ßie verwandten Koften der Anlage, des Aus-
baues und der Erhaltung eintragen können, (Henn man z. B. die Befucbermenge im Britifcben
Mufeum beobachtet, fo pebt man, daß, mit verfchwindenden Ausnahmen, all die Laufende nichts
weiter tun als gaffen, wobei fie kaum das geringfte lernen, nichts befonderes denken und gar
nicht dazu kommen, das, was fie faben, in irgendeinen 3ufammenhang mit dem, was fie bereits
wiffen oder erfahren haben mögen, zu bringen, fo daß es ihnen zum wirklichen Leben erfteben
und dadurch nun feinerfeits Intereffe und Leben erwecken könne. (Henn man mir darauf zu ant-
worten beliebt, daß es töricht wäre, mehr als ein folcbes „Gaffen“ von der „Menge“ zu erwarten,
und daß man febr zufrieden fein rnüffe, wenn felbft nur einer von 3ßbntaufend inneren Gewinn
davontrage, fo muß ich fagen, daß ein folcbes Mufeum, in meinen Äugen wenigftens, eine un-
erhörte Verfchwendung an Mitteln und Energie darftellt. Ich bin nach diefen erneuten Erfahrungen
mehr als je für ftändig wecbfelnde Ausheilungen innerhalb eines Mufeums, und zwar keiner allzu
umfangreichen; für ein Mufeumsgebäude, das innerlich wie äußerlich (feiner Lage und Verbindungs-
möglichkeiten nach) das 3entram der Stadt darftellt, und dem eine entfprecbende Anzahl von
3weigmufeen zur Seite ftehen; ferner für ein bis zur äußerften Möglichkeit ausgebautes Syftem
von Leihgaben aus den Beftänden des Mufeums an Schulen, andere öffentliche Inftitute, aber
ebenfo von Ateliers, Fabriken, Läden und felbft Private. Ja, alle diefe follten ftändig dazu an-
gehalten werden, [ich Gegenftände aus dem Beßi§ des Mufeums, das ja als öffentliches in (Hirk-
licbkeit ihr eigenes ift, zu leihen. In unferem Newarker Mufeum wird diefe Politik befolgt, und
die 3ßil wird dartun, ob fie oder die alte die richtige ift.“
In der oben genannten Brofcbüre hatte Direktor Dana bereits all diefe Gedanken des Näheren
ausgeführt und dabei klar unterfcbieden zwifcben einer kleinen 3abl erftklaffiger (Herke jeder Art,
die ein Mufeum namentlich in der Provinz gleicbfam als böcbften Standard fammeln und pflegen
und vorführen folle, und einer großen 3al)l anderer Gegenftände, darunter Reproduktionen, die
für die oben erwähnten 3wecke jederzeit zur Verfügung ftehen follten, und auf die, feiner Mei-
nung nach, ein öffentliches Mufeum das Hauptgewicht legen follte. Auch meint er, folle jedes Mu-
feum, je nach dem gewerblichen Leben feiner Stadt, beftimmte Gebiete der angewandten Kunft
befonders pflegen und fo immer im engften Kontakt mit feinem Publikum und deffen Intereffen
(in jedem Sinne des (Hortes) bleiben. Ein folcbes Mufeum würde taufendfältige Frucht tragen.
(Hie febr man jetjt in der Stadt feiner langjährigen Cätigkeit die Bedeutung diefer Dinge erkannt
hat, beweift die Latfache, daß nun an den Bau einer folcben „3entrale“ in Newark gegangen wird.
Ein einziger Großkaufmann, Mr. Louis Bamberger, hat dazu allein die Summe von $ 650000 ge-
ftiftet. Und andere Bürger eifern ihm nach bis hinab zu dem Scherflein der Armen.
In einem anderen Sinne legt das Fogg Museum in Cambridge das „Dienen“ aus. Diefesln-
ftitut ftebt in enger Verbindung mit der Harvard Univerfität, und beide zufammen haben es
unternommen, den anderen Mufeen des Landes in praktifcber (Heife dadurch zu halfen, daß fie
eine Anzahl kunftliebender Studenten zu Kuratoren und Direktoren von Mufeen ausbilden, wobei

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