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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0119

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Der Grapßikfammler

Neuerfcbeinungen
Literatur
Ernst Weil: Der Ulmer Holzschnitt im
15. Jahrhundert, Berlin, Mauritius-Verlag,
1923.
Die Hufgabe, die diefes Buch fid) [teilt, ge-
hört zu den reizvollften aus der Gefd)id)te der
grapl)ifd)en Künfte. Des frühen ülmer Fjolz-
fdjnitts kultur- und kunftgefd)id)tlid)e Bedeu-
tung legte eine zufammenfaffende Behandlung
nahe. Beffer als für manches andere Ceilge-
biet war für diefes die Möglichkeit gegeben,
mit einem umfaffenden Material an Einzel-
blättern, Blockbüchern und Buchdrucken der
zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zu arbeiten.
Es fehlte nicht an zahlreichen Vorarbeiten, die
zu mehr oder weniger fieberen Refultaten ge-
führt haben, Uleil hat fie forgfältig benützt und
nach Möglichkeit Stellung genommen, was be-
fonders aus dem umfangreichen Hpparat an
Hnmerkungen zu erfeben ift. In diefe Anmer-
kungen ift das meifte an Einzelrefultaten ver-
wiefen. Dadurch wird die wißenfcbaftlicb-kri-
tifebe Lektüre erfebwert. Offenbar foll diefe
Mitteilungsweife der Hllgemeinverftändlicbkeit
des Fjaupttextes zugute kommen. Doch bleibt
es fcbließlicb bei einem Kompromiß, indem im
Haupttext für den nicht Eingeweihten zuviel
vorausgefetjt wird, für den Spezialkenner zu
wenig an Unterlagen für die gewonnenen Reful-
tate gegeben wird und die Grenzen zwifdjen
Cext und Anmerkungen ftändig febwanken und
pcb verfchieben. Im ganzen aber wird fcbließ-
lich doch jedem Lefer, der einige Geduld auf-
bringt, die Entwicklung des Ulmer FJolzfcbnitts
und die Bedeutung der Ulmer Fjolzfcbnittmeißer
klar werden.
Einblattdrucke und Blockbücher pnd in einem
erpen Abfcbnitt behandelt. Bei den anonymen
Blättern aus der 3eit um 1450 und dem dritten
Viertel des 15. Jahrhunderts fchließt pcb der
Verfaffer Schreibers Lokaliperungen und Datie-
rungen an, leider obneVerfucb einer ftrengeren
Kritik und Nachprüfung, die mindeftens die Be-
dingtheit diefer Feftftellungen hätte betonen
müffen; denn, was Schreiber alles auf Grund
der Bemalung für ulmifcb erklärt, ift fo ver-
fchiedenartig, daß ein gefcbloffenes Gefamtbild
pcb auf keine Uleife ergibt. Ferner lag Mols-
dorfs Aufftellung des Ulerkes Meißer Ludwigs
zu Ulm vor, die Blockbücher und Einzelblätter
umfaßt und eine fefte Grundlage ergibt; Kleil
folgt ihr bis auf einige Streichungen und 3u-
Tä^e. Mit den Vorbehalten, die bei frühen
Holzfcbnitten pd) immer aus dem Mangel an
fieberen Nachrichten über die Bedingungen der
Arbeitsweife und die Überlieferung der Bild-
typen ergeben, kann man feinen Korrekturen
zuftimmen. Auch feinen Feftftellungen, daß ein

Ulerkßattbetrieb für die Gruppe des Meifters
Ludwig anzunehmen fei, und daß niederländifcbe
Einßüffe vorlägen, wird man folgen können,
wenn man auch die behauptete Abhängigkeit
des Kruzipxus in Dillingen vom Meifter von
Flemalle ablehnen muß. In die Nähe Meifter
Ludwigs will der Verfaffer den Meiper Michel
gefegt wißen, den er für einen Ulmer Künft-
ler hält.
Bei der Behandlung der frühen Buchholz-
febnitte aus der Ofßzin Johannes 3ainers läßt
[ich Uleil von dem Streben leiten, nach Möglich-
keit zufammenzufaßen. So teilt er faß alles
unter zwei Hände auf, der des Boccaccio-
Meifters, den er nach dem Buch von 1473 fo
benennt, und der eines Gehilfen, der nach dem
in Augsburg von Günther 3ainer gedruckten
Ulerk als 3amorenps-Meifter bezeichnet wird.
Von erßerem wären die meiften Illuftrationen
des „Boccaccio“ und der „Grifeldis“, eine große
3abl in dem hinteren Ceil des Augsburger „Hei-
ligenlebens“ von 1471—1472, wenige im „3amo-
renps“, die meiften des „Äfop“ und der „Sigis-
monda“ fowie eine Reihe Initialen und Rand-
leiften, von letzterem außer weniger bedeuten-
den Arbeiten einzelne Illußrationen im „Boc-
caccio“, die meiften im „3amorenps“, manche
im „Äfop“. Als dritter kommt dann der Schnei-
der jener vielbefprocbenen 13 (oder 14!) Bilder
mit den überßhlanken Figuren im „3amorenps“
hinzu. Sehr verdienßvoll ift, daß Uleil die Ini-
tialen und fonftigen kleineren BuchTchmuckßücke,
die in diefe Gruppe gehören, zufammengefucht
hat. Daß er die Cbefe, die alle erwähnten, in
Ulm gedruckten Arbeiten dem Meißer des Haus-
buchs zuweifen will, ablehnt, wird man billigen
können. Dagegen erfcheint die Annahme eines
Meifters für die Hauptmaße der Schnitte im
„Boccaccio“ und in der „Grifeldis“ einerfeits,
in dem „Äfop“ und in der „Sigismonda“ anderer-
feits nicht ganz ftichbaltig; die Unterfcbiede
diefer nur drei bis vier Jahre auseinanderlie-
genden Bilderfolgen pnd zu groß und zu tief-
greifend, um pe aus der Entwicklung einer
Perfönlicbkeit in einem fo kurzen 3eitraume zu
erklären.
So ßark auch von Uleil die Bedeutung der
ülmer Buchilluftrationen der pebziger Jahre be-
tont wird, ihren Schwerpunkt hat feine Arbeit
doch bei denen der achtziger Jahre. Auch hier
ftrebt er danach, die Perfönlicbkeiten der Holz-
fchneider berauszuftellen. So [teilt er einen aus
der Ulmer Schule hervorgegangenen „Meißer
der Feynerfchen Ofßzin“ auf, der in Eßlingen
und Urach tätig war, febreibt er den „Bidpai“
und den „Ptolomäus“ H°US und eine Reihe
Schnitte in Dinckmutfchen Bücher dem Johannes
Sehniger von Arensftein zu, der pcb im „Ptolo-
mäus“ nennt, fuebt er die Arbeiter des Meifters
H B mit den zwei gekreuzten Pfeilen, deßen
Monogramm in der vielumßrittenen „Geiftlicben
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