Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

DOI Artikel:
Schmidt, Peter Franz: Alfred Kubin
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41564#1212

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Älfred Kubin

Von P. F. SCHMIDT / Mit acht Abbildungen
auf vier Tafeln und sieben Abbildungen im Text1

Man kennt Kubin faft nur als Illuftrator von Büchern; und ficßer ift, daß in [einem
tüerk das Bild eine verfcßwindende Rolle [pielt, daß er ganz überwiegend
Grapßiker ift, wie Callot, und in der Federzeichnung [eine Cüelt ausgiebig
und vollkommen verftändlicß macßen kann. Aber ein Illuftrator in dem übließen Sinne
ift er fo wenig wie G. Grosz oder Daumier; und als Künftler kann man ißn am eße-
ften mit Enfor in eine Linie [teilen: als fuggeftiven Darfteller alles Grauens und aller
Scßatten feiten des Lebens. Ob es fieß hierbei um Illuftrierung eines gegebenen Bucß-
ftoffes — aber in welct) freier Geftalt! — oder um Blätter und Folgen felbftändiger
Erfindung ßandelt, ift eine Frage zweiter Ordnung. Kubin beßerrfcßt das eine wie das
andere mit gleicher Freiheit, und immer ift es nießt der Stoff, durcl) den er wirkt, fon-
dern die Art, wie er ißn fieß unterwirft und in feinen Vorftellungskreis ßineinzwingt.
Das Dämonifcße diefes 3wanges und die tiefe Scßwärze feiner Vißon find das Bannende
in feiner Kunft; fie find es, die ißr einen ßöcßftperfönlicßen Cßarakter und die unge-
meine Kraft ißrer Suggeftion geben.
Man erkennt an dem Beifpiel Kubins — für uns noch) offenficßtlicßer als an dem
Callots — von Daumier ganz zu fcßweigen —, daß es irgendwelche Rlicßtigkeit des
Darftellungsmittels für den Ausdrude nießt gibt. Im 19. Jaßrßundert konnte man viel-
leicht noeß fagen, etwa bei Rlilßelm Bufcß: „Er ift nur ein 3eid)ner“, und den Künftler
damit auf eine niedrigere Stufe gegenüber den ßocßanfeßnlicßen „wirkließen“ Malern
mit Öl und Leinwand ßerabdrücken. fjeute wiffen wir allzu gut, daß fieß das Befte
deutfeßer Kunft zu allen Seiten im Grapßifcßen offenbart ßat, um nießt einem reinen
3eicßenpßänomen wie Kubin die ißm gebüßrende Stelle im erften Rang unter den
„Malern“ einzuräumen. Die Federzeichnung ßat fieß längft zum Rang einer felbftän-
digen Kunft erßeben.
Bezeichnend für das rein Vifionäre feiner Kunft, einer eeßten Ausdruckskunft, wie fie
uns in früheren Jaßrßunderten etwa bei Niklas Manuel, üllolf F)uber oder Bofcß ent-
gegentritt, ift die Art, wie er dazu gekommen ift; in einer 3ßit wo es dem Künftler
noeß feßr feßwer gemaeßt war, felbftändige und unbetretene Riege zu wandeln. Auf
freudlofe Jugend, eine qualvolle Leßrzeit als Pßotograpß folgte nießt minder ergebnislos
ein Aufenthalt an der Müncßner Kunftgewerbefcßule und eine reeßt boßemeßafte Stu-
dienzeit bei Scßmidt-Reutte in Müncßen. Fjier lernte er wenigftens 3eicßnen und, etwas
1 Hus der Kollektiv-Husftellung „Älfred Kubin“ bei Frilj Gurlitt, Berlin.— Im Verlage R. Piper,
München, find folgende Illuftrationswerke Kubins erfeßienen: Doftojewski, Ein Doppelgänger; )ean
Paul, Neujaßrsnacßt; 20 Bilder zur Bibel; Äm Rande des Lebens, 20 fakfimilierte Federzeichnungen

1180
 
Annotationen