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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Kirchner, Joachim: Neue Bilder von Franz Heckendorf
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0831

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Neue Bilder von Franz Seckendorf
Mit acht Abbildungen auf vier Tafeln Von JOACHIM KIRCHNER

Franz Seckendorf, über deffen künftlerifcßen Äufftieg vor einigen Jahren erftmalig in
diefer Stelle berichtet wurde1, hat die Erwartungen, die damals an feine Be-
gabung geknüpft werden durften, nid)t enttäufcßt. Als pßantafievoller Künftler und
temperamentvoller Menfch hat er oßne fprungßaftes Caften und Suchen fid) von An-
fang an felbftändig feinen (Heg geebnet und diefer ganz auf fid) felbft geteilten
Ärbeitsweife, zu der nur der in fid) Fertige und Starke befähigt erfcßeint, ift er treu
geblieben, oßne den veränderlichen Launen der Mode und der Richtungen, die ja noch
immer eine gewiffe Rolle fpielen, irgendwie nachzugeben. Die führende Rolle, die er
fcßon beim Beginn feiner Laufbahn unter den gleicßalterigen Kollegen einnahm, ift ihm
verblieben, und es bedeutet wohl eine allgemeine Anerkennung feines Könnens, wenn
er in diefem Jahre zufammen mit den bedeutendften Namen der deutfeßen Malerwelt
auf der internationalen Kunftausftellung in Rom mit mehreren Arbeiten vertreten fein
durfte. Da Seckendorf eigentlich niemals auftragsmäßig arbeitet, fondern nur das malt,
was ihm gerade Freude macht, fo war es für ihn felbftverftändlicß, fo bald wie mög-
lich das eigentümlichfte Gebiet feiner Erfolge, die füdliche Landfchaft, wieder zum Gegen-
ftande feines Schaffens zu machen. Er durfte getroft nach dem Sonnenlande reifen,
ohne den Gefahren, denen fo mancher deutfeßer Künftler in Italien ausgefetjt ift, zu
unterliegen, (Dar es doch nicht die Kunft vergangener Jahrhunderte, die er auf fid)
einwirken laffen wollte, und von deren Studium er fid) Nutjen verfprad)! (Doßl hatte
die italienifd)e Kunft feiner Seit keinem geringeren als Peter Cornelius derartig den Kopf
verwirrt, daß er feinem Freunde Mosler feßreiben konnte: „Ein deutfd)er Künftler foll
nießt nach Italien faßren“ — nein, was Seckendorf fueßte, war der Geift der fonnen-
durcßfluteten füdlicßen Landfchaft; fie wollte er mit ißrem fremdartigen Märcßenzauber
in all ißren farbigen Stimmungen und aparten Erfcßeinungsformen erfaffen. (Denn ißm
dies auf zwei Studienreifen nach Jugoflavien und nach Italien gelungen ift, fo kann man
für das glückliche Refultat immer wieder nur die rafeße Auffaffungsgabe und die un-
glaublich ftarke Einfüßlungsfäßigkeit des Künftlers anführen — Vorzüge, zu denen ßcß
eine nie gehemmte Arbeitsluft und ein immenfer Fleiß gefellen. Denn nur fo war es
möglich, daß er alle die reichen Früchte feiner Studienfaßrten im Laufe eines Jahres zu
einer ftattlicßen Kollektion vereinigen konnte, die zum Ceil le^tßin im Kunftfalon Gurlitt
in Berlin gezeigt wurde2.
Stellt man die Bilder, die Seckendorf im Jahre 1916 malte, als er zum erften Male
den Orient kennen lernte, feinen neueften füdlicßen Landfcßaften gegenüber, fo über-
rafeßt der ftarke Gegenfat}, der ßcß nießt bloß in der Verfcßiedenßeit der €ecßnik und
der Farbfkala, fondern ganz befonders aueß im Cemperament und in der dadurch be-
dingten künftlerifcßen Geftaltung des Gefeßenen bemerkbar macht. Oßne weiteres er-
feßeint es berechtigt, von zwei befonderen Schaffensperioden des Künftlers zu fpreeßen.
Anderfeits find beide Epochen, die des Aufftiegs und die der Reife, wenn wir fie fo
bezeichnen wollen, nießt fo völlig voneinander verfeßieden, daß es nießt möglich wäre,
den Maler von 1916 in den Bildern von 1923 und 1924 wieder zu erkennen. Im
Gegenteil! Nimmt man fiel) die Müße, die Bilder, die innerhalb jenes 3e‘traumes von
fieben Jahren entftanden, jaßrgangsweife zu dureßmuftern, dann wird es einem klar,
daß Seckendorf allem fprungßaften Irrlicßtelieren auf dem Felde feiner Kunft völlig fern
fteßt, daß der neue Ausdruck, den man in feinen lebten Arbeiten zu entdecken glaubt,
Buf einer allmählich fortfeßreitenden organifeßen Entwicklung feiner künftlerifcßen In-

1 Vgl. Cicerone, Jabrg. 1919, ßeft 13.
2 Vgl. Cicerone, Jabrg. 1923, ßeft 23.

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