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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Reifenberg, Benno; Hofer, Karl [Gefeierte Pers.]: Karl Hofer
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#1079

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Karl !j o f e r

Von BENNO REIFENBERG / Mit
zwölf Abbildungen auf sechs Tafeln

Diefe Bilder — von Mädchen, die einander umfchlingen, von fid) jagenden Pierrots,
von [d)önen müden Blumen und fdjeuen Menfchen — pnd pier gefammelt nicht
[o l'etjr, um allgemeine Überlegungen vor ihnen anzuftellen, fondern um fie an
eine breitere Öffentlichkeit fozufagen zu verfchenken. Vor dem Klerk des nun Sechs-
undvierzigjährigen wird es klar, wie wenig damit getan ift, einen unter uns lebenden
Künftler in das Schema einer Entwicklungsreihe zu preffen und wie wenig Sinn darin
liegt, einem 3^itgenoffen das 3'ie\ vorzufchreiben, nach dem er zu ftreben habe. Das
ift von der Kunftkritik leider zu viel getriebenes — Münchhaufen Fjandwerk. Es kommt
nur darauf an: zeitgenöffifche Kunft aufzuzeigen, auf fie hinzuweifen. Dann freilich
mag unterfucht werden, in welchem Grade wir uns mit ihr identifizieren, wieweit des
Künftlers Leidenfchaft und Cräumerei die unfrige ift.
Auf den großen deutfdjen Kunftausftellungen der letzten Jahre, die ein Spiegelbild
des verhexten, ängftlich zuckenden Nachkriegslebens waren, auf denen zu oft lautes
Lärmen in überfpiijten Cheorien, in belanglofen Bekenntniffen nur fehr ungenügend die
[chreckliche ßoffnungslofigkeit der Seele überdecken follte, fand fich hlc und da, nicht
eben fonderlich in die Mitte gerückt, ein Bild von mäßigen, gleichfam befchatteten
Farben, etwas nacßläffig gemalt, aber nie ohne jene fo feltene Sicherheit des ange-
borenen Gefchmacks. Ein Bild, vor dem wie eine längft vergeffene Erinnerung der
Gedanke auftauchte, daß es ein Malen gebe um der Schönheit willen. Ein folches
,Bild war von Karl Fjofer.
*
Es ift nicht leicht auseinander zu fetjen, aus welchen lebten Urfad)en vor den Eafeln
Fjofers immer wieder der Gedanke „An das Malen um der Schönheit willen“ entftetjen
wird. Sein malerifches Fjandwerk erfdjeint zunächft nicht viel gepflegter als das der
Nachbarn, feine Malmaterie ift beinahe fpröde, nie hat er das Brillante erreicht.
■CUas aber diefen Bildern eigen ift und fie nachdrücklich von aller; anderen unter-
fcheidet, das ift die enge Verbundenheit ihres Gegenftandes. Nicht, als ob Fjofer das-
felbe male, fich wiederhole. Des Künftlers Produktion ift erftaunlicF). Man kennt aus der
3eit um 1914 Fjunderte von Ölgemälden Fjofers und felbft diefe kleine Auswahl die hier
folgt1, kann für die thematifche Verfdßiedenheit zeugen. Neben den Figurenbildern gibt
es Porträts — wie diefer „Flechtheim“ fragend deutlich im Phyfiognomifchen — oft
malte er fich felbft, im Fjut, mit aufgehobenen Fjänden, er malte Bilder zu den üages-
ereigniffen, ein Bild „3ur Revolution“ ift nachdrücklich haften geblieben, er malte den
„Crommler“, den unfeligen Mufikanten mechanisierten Lebens, er erzählte Gefchid)ten,
von einer Gefellfd)aft in der üheaterloge, von dem Paar unter Sonnenblumen, von
nächtlicher Kahnfahrt, von den Schlafenden, ünd nicht zuletzt hat Fjofer Landfchaften
gemalt, alfo den weiteften Bezirk der Sichtbaren ÜLIelt. Ein Plankenzaun, ein Bretter-
häuschen, den ftumpfen Berg hinter Bernau, Gans CFiomas Fjeimat, und den abend-
lichen tüald, mit weidenden Pferden. Aber durch alle diefe fo verfd)iedenen Dinge
geht als unverkennbarer, kaum zu deutender 3ng eine befondere nahe Verwandtfchaft.
des Gefühls.
Die Bilder Fjofers find Ceile von ihm, find mit ihm ein Gemeinwefen. tlnd gerade
deshalb fehlt ihnen eine befondere Art Deutlichkeit. Die Deutlichkeit des Biographifcheu
Diefe Bilder S,nd nicht Dokumente einer Auseinanderfe^ung mit der öüelt, Sie ent-
ftanden nicht fo, daß ihnen der Streit des Künftlers mit dem Objekt voranging, fondern
fie find von Anfang an verbunden, in einer fernen, wenn man fo will, unperfönlichen

1 Die Reproduktionen erfolgen mit freundlicher Genehmigung der Galerie Fled)tl)eim.

•Der Cicerone, XVI.Jatyrg., fjeft 22

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