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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Jean, René: Der Bildhauer Mateo Hernandez
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Curjel, Hans: Ein neuer Baldung
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0795

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Realismus, gewiß, fofern man darunter eine Kunft verfteht, die auf der tUirklid)keit
auf baut, die das Lebendige wie ein Myfterium anruft, das man ftets nur hat ftreifen
können und das immer fortbefteßt, gleich beunruhigend, gefeiert von der unerfättlicßen
Begeifterung der Künftler feit den Cagen der gravierten Knochen bis auf unfere 3eit.
Aber eine realiftifcße Kunft, die das volle Bewußtfein ihrer tUürde und ihres Adels
ßat, aus der die Seele des Künftlers leuchtet, in einem Stil, der die Formen adelt und
mit innerer Flamme alle Gefid)ter erhellt, eine Kunft, die keinen Meifter nachahmt, und
deren Urheber keinen andern Ehrgeiz kennt, als fich fo fehr als möglich dem Leben
zu nähern, ähnlich wie jener Maler, von dem Plinius fpricht. Diefen fragte man,
welchen unter feinen Vorgängern er fid) zum Vorbild genommen hätte, worauf er ant-
wortete, indem er auf eine Menfchenmenge wies: man müffe der Natur felbft folgen,
nid)t einem Künftler . . . Überf. E. 01.

Von HANS CURJEL / Mit drei Abbildungen
auf einer Tafel und einer Abbildung im Text

In der im vorigen Jahr erfd)ienenen Baldung~Monograpl)ie habe ich auf Cafel 65 ein
Gemälde „Venus und Amor“ als Originalarbeit Baidungs aufgenommen und im Cext
auf Seite 115 als wichtiges 3eu9nis feines Entwicklungsganges kurz befprodßen,
das mir kurz vor Abfd)luß meiner Arbeit bekannt geworden war. Id) bin damals den
Beweis für die Autorfchaft Baidungs im einzelnen fd)uldig geblieben, weil einerfeits
die ausbreitende wiffenfd)aftlid)e Behandlung eines folcl)en Einzelproblems den Rahmen
des Buches gefprengt hätte; andrerfeits fd)ienen mir die wenigen Daten, die ich im
Cext und Anhang geben konnte, als hinreichend, um die Autorfchaft Baidungs darzutun,
die ich rd)on aus Gründen des fpontanen Eindrucks für einwandfrei und unbezweifel-
bar hielt. Im übrigen hatte ich damals fcßon eine gefonderte Betrachtung des Bildes
geplant, da es um feiner 3ufammenhänge mit einer Dürerfcßen Proportionszeichnung
und mit einem Schnitt aus Dürers Proportionslehre willen als ein auffd)lußreid)es
3eugnis von Baidungs künftlerifcßer Tätigkeit erfd)ien. Das Bild verfchwand indeffen
im Privatbefife, fo daß die notwendige Nad)unterfud)ung zunächft unmöglich gemacht
wurde. Durch die Freundlichkeit des jetzigen Befitjers ift es mir in dem Augenblick
erneut zugänglich gemacht worden, in dem meine 3nfd)reibung des Bildes an Baidung
von verfd)iedenen Seiten angegriffen wurde.
Die Angriffe gehen von der Argumentation aus, daß — wie einer der Angreifer
fchreibt1 — es unverftändlid) fei, daß man „diefes kümmerliche und gequälte Bild als
Baidung anführen“ konnte; es hätte mit Baidung überhaupt nichts zu tun, fondern fei
das UIerk eines unbedeutenden Cranach-Sd)ülers. Daß das Bild in gewiffer Beziehung
„gequält“ ift, hat feine Gründe, auf die weiter unten einzugehen fein wird; allein daß
es gequält und kümmerlich fei und deswegen unmöglich von Baidung herrühren könne,
fcßeint kein zuftändiges Argument, befonders bei Baidung, deffen fehr fci)wankende
Qualität längft bekannt ift. Ulenn andrerfeits auf die Cranad)-Sd)ule als das Refervoir
gewiefen wird, dem das Bild entftammt, fo ergibt gerade die Unterfud)ung der etwa
gleichzeitig entftandenen Cranach-Bilder (fei es das „filberne 3eitalter“ von 1527 in
CUeimar, das Darmftädter Paris-Urteil von 1528, die FJallefchen Altäre von 1529,
Sündenfall und Erlöfung von 1529 in Gotl)a, die Frankfurter Venus von 1532, die
Berliner Venus oder die Berliner Lukretia von 1532), die völlige Verfd)iedenl)eit des
Cranad)fd)en Stiles von dem des vorliegenden Bildes. Die Kennzeichen des Cranach-

Ein neuer Baidung

1 OttoFifcher im Sdjwäbifdjen Merkur vom 21. Januar 192^ auf Grund der Kenntnis des Originals.
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