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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Graf, Oskar Maria: Heinrich Maria Davringhausen
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0083

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ßeinrid) Maria Davringljaufen

Von OSKAR MARIA GRAF

Mit sechs Abbildungen auf drei Tafeln

nter allen jenen Malern, die nad) Überwindung ihrer expreffioniftifchen Sturm-


jahre, in die geruhigeren Bezirke einer neuen Sachlichkeit einmündeten, ift diefer

junge Äachener einer der interejjanteften und rätfelhafteften. In [einen Schöpfungen
wirken allerjüngfte üradition und betonte Intellektualität; [ein ganzes künftlerifdjes
Streben hat etwas unnachgiebig Selbftwilliges und [teilt [ich bewußt, mit nie ver-
kennbarer Eindeutigkeit gegen die momentane „Richtung“ der Nach-Expreffioni[ten.
Man darf — wenn man diefe Behauptung ausfpricht — nie vergeffen, daß diefer
Maler von Anfang an, und im Gegenfatj zur Äufgelöftheit der Expreffioniften, auf
eine betonte formale Gegenftändlichkeit h^zielte. Es gibt felbft in [einen allerfrüßeften
Bildern Geftalten, Landftriche und Geficßter, die mit einer faft naturaliftifchen Pedan-
terie durchgeführt find, die geradezu herausbrechen aus ihrer verftörten Umgebung.
Und noch fchärfer tritt dies bei [einer früheren Graphik zutage, die — was bezeich-
nend ift — [ich fozufagen [tets zyklifrf) ausdrückt oder den Uleg der Illuftration wählt.
(Es gibt keinen ßolzfchnitt Davringhaufens!)
Der Maler wie der Graphiker Davringhaufen find hierin eins. Das ift zu beachten.
Der Antrieb zur Schöpfung ift nie das erlebte Motiv, [ondern immer die Idee, die
— [agen wir einmal — der erfaßte Darftellungsftoff in [ich birgt. Schon aus diefem
Grunde erklärt [ich das 3wie[pältige in [einen merken. Sie haben nichts Einendes,
nichts in [ich Ruhendes und Geklärtes; mehr als bei jedem anderen Maler von heute
wirken in Fjeinrich Maria Davringhaufen zwei Ulillensftrebungen im Momente des
Schaffens: Das pfychologifche Klarmachen-wollen und die [tets deutliche Abficht, eine
Idee zu geftalten. Noch in [einen Frühwerken „Ölberg“, „Der verlorene Sohn“ und
im „CUüftenheiligen“, in denen er [ich um biblifche Motive müht, [teilt [ich der Maler
in jene üble Nachbarfchaft der romantifch-nazarenifchen Verkünder. Eine 3eit des
Experimentierens folgte, die noch kaum eine merkliche Ulendung in der Entwicklung
diefes Malertums zeitigte. Der unbelebten Flächigkeit und Leere der Bilder tritt mit
einem Male eine zunehmende Differenzierung der Farbe entgegen. Das Detail wird
in jedem (Herke lebendiger, fertiger und zuletzt beinahe unheimlich klar. Deutlich-
keiten, die unwefentlich find, überfteigern [ich, daß man den Eindruck des Literarifd)-
Gewollten nicht losbringt. Mitunter wird ein folches Nebenbei zur ausfchlaggebenden
Ulichttgkeit und zerreißt die Gefamtgeftaltung völlig, degradiert fie zur beiläufigen Um-
rahmung diefes Einzelnen. Es gibt Bilder aus jenem Entwicklungsftadium des Malers,
die verärgern können. Eine erfchreckend beharrliche Maniriertheit entnervt fie. Dies
nur macht fie erträglich: Ein unerbittliches Mühen, Schritt für Schritt aus fold) be-
engter Könnerfchaft herauszukommen, fpricht aus ihnen.
Ulas ja fchon von Anfang an bei diefem Maler frappierte, war das Können, die
fcheinbare Leichtigkeit der Farbbewältigung, das Gedachte des Aufbaues folcher Bilder.
Davringhaufen war nie ein Schöpfer aus dem Unbewußten. Er rätfelte von jeher mit
[einem Ulollen am meiften. Das Abwägen und Bedenken find [eine ßemmung. Immer
— man empfindet es felbft bei [einen ausgeglichenen merken — rennt [ein Cem-
perament gegen diefe [tarren Ulände. Selten nur kann es [ich Durchbruch verfdjaffen.
Dies nimmt [einen Schöpfungen die Nähe und Vertrautheit, dies gibt [einer Farbe
etwas Uninniges. Selbft [eine elegifch-ruhigen Landfchaften wie „Friede“ und der
dunkel-fatte „Ulafferfall“ bleiben in ihrer Meifterfchaft fremd. Es ift, als verfchlöffe
eine dünne Nebelfchicht die eigentliche Ulelt auf der Leinwand, als fcheue [ich der
Menfch, der [einer Sehnfud)t Ausdruck verleihen will, [eine ganze Glut auflodern zu
laffen. Mehr das Verfchwommene, das [achte Ineinanderfließen, als das Offene, Durd)-
fid)tige und Klare machen diefe Bilder zu Craumlandfchaften, zu verhaltenen Unwirk-

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