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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Noack, Friedrich: Des Kardinals Albani Beziehungen zu Künstlern, [2]
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Castelfranco, Giorgio: Giorgio de Chirico
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0483

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daß der Kardinal Äleffandro Albani die Lobeserhebungen, mit denen Ulinckelmann in
[einen Briefen an deutfcße Freunde [o freigebig war, feßr wohl verdiente. Denn wir
feßen hier an zahlreichen Beifpielen, daß der Kardinal nicht nur für Männer, die ihm,
wie öCIinckelmann, wichtige Dienfte in [einer Ältertümerliebhaberei leiftcn konnten, ein
freundliches Wohlwollen befaß, [ondern daß er auch für andere, die [einer ßilfe und
Förderung in der künftlerifchen Laufbahn bedurften, ein felbftlofes Entgegenkommen,
eine unermüdliche Bereitwilligkeit und eine Fürforge übrig hatte, die frei von jeder
vornehmen Überhebung war. Die mitgeteilten Proben aus [einem Verkehr mit Künft-
lern dürfen daher als lebensvolle Belege für die Charakterfchilderung dienen, die unfer
großer Archäologe von [einem Freunde in Purpur gegeben hat.

Giorgio de Ctürico

Von G. CASTEL FRA NC O- Florenz
Mit sechs Abbildungen auf drei Tafeln

Um die verfd)iedenen einander folgenden, manchmal entgegengefetjten künftlerifchen
Tendenzen zu kennzeichnen, pflegen Maler, Kritiker und Kunftliebhaber in Ita-
lien allzu oft politifche, der [turmbewegten Gefchichte Europas im letzten Jahr-
hundert entlehnte Schlagworte anzuwenden.
Nach mehreren unbeftändigen Revolutionen [prach man vor einigen Jahren von Reak-
tion, heute gebraucht man das friedliche, vielverfprechende Ulort „Reftauration“.
In alledem fteckt jedoch mehr als eine unfruchtbare, wenn auch verftändliche Unruhe;
es ift tatfächlich eine [tarke Reaktion gegen den franzöfierenden Impreffionismus und die
ihm verwandten Formen des lokalen, engbegrenzten Verismus. Es ift die (Uiederer-
ftehung einer Kunft, die im Gemälde wieder auf das Dramatifche und Phantaftifche hm-
lenken will, das man durch die Kompofition, [orgfältige Ausführung und lyrifctje Inter-
pretation des Vorbildes zu erreichen [trebt. Eine Kunft, die wir im Gegen fats zu dem
durch und durch antiklaffifdjen Verismus klaffifch nennen könnten, wobei man jedoch
im Äuge behalten muß, daß fie das Cßarakteriftifche und Pathetifcße will und [ucßt,
etwas, was man gemeinhin nicht mit dem Begriff des Klaf[ifd)en verbindet.
In diefer neuen italienifchen Schule ragt die Perfönlichkeit eines Malers hervor, der
[owohl zeitlich, als [einer künftlerifchen Bedeutung nach, an erfter Stelle fteht — Gior-
gio de Chirico.
Er ift nicht, wie heutzutage foviele, zum Klafßzismus übergetreten; er hatte nie einen
andern öCIeg befchritten, p<h nicht von der Modeftrömung mitreißen laffen. Schon im
Älter von 20 Jahren fud)te er größte Klarheit der Form zu erreichen, eine phantafie-
volle Realität mit pathetifchem Einfd)lag, aber ein der Form innewohnendes, nicht aus
dem Stofflichen hervorgegangenes Pathos. De Chirico ift kein Erzähler, er ift Schöpfer
von Szenen, deren architektonifche und landfchaftliche Formen er mit feiner Empfin-
dung befeelt. Die darin verftreuten, kleinen Figuren find der Stimmung des Ganzen
unterworfen.
Betrachten wir das Rätfel eines Fjerbftnachmittags (Äbb.). Der'Künftler war
kurz zuvor aus Griechenland zurückgekehrt, wo er feine Jugendzeit verlebt hat. In der
Architektur des Lempels und des Gebäudes rechts liegt eine leife Erinnerung an die
Piazza Santa Croce in Florenz. Er felbft erwähnt, hier die erfte Idee dazu gefaßt zu
haben. Aber es ift nichts Gotifches mehr darin, auch nichts von italienifcher Renaif-
fance, nichts von dem perikleifchen Griechenland, das er in Athen verlaffen hatte; höct)-
ftens die geheimnisvolle Liefe und Reinheit mancher Ulerke der frühen griechifchen
3eit, als die Empfindung für Schönheit das Leben noch nicht beherrfchte und durch-
drang. Rechts im Vordergrund fieht man zwei kleine Geftalten, einen Jüngling, der,
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