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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Heise, Carl Georg: Alfred Mahlau
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0374

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Von CARL GEORG HEISE / Mit
acht Abbildungen auf vier Tafeln

Hlfred Maljlau

Einen unbekannten jungen Künftler einzuführen, ift reizvoll und gefährlich zugleich.
Es ift auffallend, wie wenige felbft aus der rein ßiftorifcß eingeftellten älteren
Generation der Kunftgeleßrten der Verfügung widerftanden haben, gelegentlich)
die Baßn forgfältiger Catfacßenforfcßung zu verlaffen und allein aus dem feßr fubjek-
tiven Gefühl vom überragenden Calent eines Ortsnamen Künftlerfreundes kühn äftßetifcße
Konftruktionen zu wagen, die [ie fiel) auf dem Gebiet der älteren Kunftgefcßicßte felbft
niemals würden verziehen haben. Faft alle Koryphäen von Hlinckelmann bis Cßode
haben falfdße Prognofen geftellt. Nicht nur Freundfcßaft, fondern eben jene fo feltene
und dann meift fo verhängnisvolle Möglichkeit, dem Schaffen eines Künftlers ganz aus
der Nähe Schritt um Schritt folgen zu können, führt leicht zu verftiegenen HIertungen.
Und doch ift die Rechtfertigung fo einleuchtend: wie anders als durch unabläffiges Nahe-
fein kann man als betrachtender Laie das (Hefen einer neuen fchöpferifchen Kunft be-
greifen lernen? Und folgt dann nicht auf dem Fuße ungewollt die Freundfchaft nach,
die den Blick trübt, felbft wenn fie keineswegs der Ausgangspunkt des Intereffes war,
jenes beglückende, gefährliche Gefcßenk des Hüffens um das HIerden eines HIerks?
Gutes und Schlimmes ftehen hart nebeneinander beim 3eugen für den fchaffenden Freund,
Reifes, einzig von mir Sagbares und verfüßrerifch Mißdeutendes, das kein noch fo kri-
tifeßes Gewiffen wird ganz ausfcßalten können.
So habe ich bis heute widerftanden. HIas mich jäh umgeftimmt hat, das war eine
überrafeßende Erfahrung: daß nämlich kaum ein einziger Berufskritiker in der Lage ift,
felbft wenn er in gewohnten Bahnen klug zu fondern verfteht, einer neuen künftle-
rifchen Erfcheinung gegenüber die rechte Einteilung zu finden, ohne die Hilfsmittel einer
Kenntnis von Herkunft und Schulung und der taufend kleinen beftimmenden äußeren
ümftände, unter denen der Künftler aufwueßs und feßuf, ohne eine Ahnung von Alter
und Entwicklung — und von zwanzig Beurteilern nicht zwei annähernd das Gleiche
fagen. 3U große Näße macht blind, zu große Ferne von der Menfcßlicßkeit des Meifters,
aus der letztlich alles fid) erklärt, macht hoffnungslos unfießer. Maßlaus Aquarelle haben
bei den erften größeren Kollektivausftellungen außerhalb feiner Heimatftadt, in Hamburg
und in Berlin, Befprecßungen gefunden, die in ißrer ßaltlofen Hliderfprücßigkeit den
Freund auf den Plan rufen, der ficb) in den Graden irren kann, mcßt aber, fo hofft er,
in der Kategorie, woßl in der Bewertung, aber nicht in der ümgrenzung der HIefensart.
Alfred Maßlau wurde im Jaßre 1894 geboren, zufällig in Berlin. Sein Vater ftammt
aus Frankfurt aus einer bekannten Druck ereibefi&er-Familie, die dem Enkel das aus-
geprägte Feingefühl für Schrift und Ornament vererbt haben könnte; aber weder des
Vaters Heimatftadt, noeß der Mutter rßeinifeße Herkunft beftimmen fein HIefen. Er ift
rein landfcßaftlicß und ftammesmäßig gefproeßen heimatlos, eine Catfache, an der die
leidenfcßöftlicß von ißm felbft betonte Hlaßlverwandtfcßaft mit feiner norddeutfeßen Um-
gebung — feit feinem zwölften Lebensjahr verfcßlug nach häufigem Hlecßfel der Arbeits-
ftätte die Familie nach Lübeck — doeß nichts ändern kann; ftärker als das neu er-
worbene lübeckifcße Heimatgefüßl ift für feine Kunft und Art der eingeborene Hlander-
trieb cßarakteriftifcß, die feßöne Unabhängigkeit von Haus und Hof, von Beptj und felbft
von Menfcßen. Am liebften denkt man ißn fid) wandernd oder, wenn dennoch ftationiert,
in einem Hausboot oder einer Jagdhütte. HIo er aber ftille fteßt, aufnimmt und feft-
ßält, da find es gerade die feinften landfdßaftlicßen Befonderßeiten, gleicßfam die ge-
hüteten Geßeimniffe der Natur, die fiel) feinem innig versunkenen Blick erfcßließen. Das
Nirgendwo feiner Geburt gab ißm das fpäßerßaft fießere Erfaffen im Überall.
So find es denn auch nießt die Motive feiner an ßcß fo „malerifcßen“ Hlaßlßeimatftadt,
fondern die feltenen, aber intenßv erlebten Reifen gewefen, die feiner Kunft die Stunden

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