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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Eberlein, Kurt Karl: Kerstings patriotische Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0878

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Kerftings p a t r i o t i f dt) e Kunft
Mit fünf Abbildungen auf drei Tafeln Von KURT KARL EBERLEIN

Man weiß endlich, welche Rolle der kleine norddeutfdje Vortrupp der Romantiker
in Dresden zu [pielen ßatte, wie diefe Maler, die fid) zumeift aus Pommern
l)ier zufammenfanden, mit den preußifcßen Patrioten fid) verbündeten, wie eng
die neue Malerei, Dichtung und Pßilofopßie zufammenhing. Man weiß, daß Kleifts
Fjermannsfchlad)t und Friedrichs patriotifche Bilder aus demfelben Geifte entftanden, und
daß diefer kleine Kreis eine Keimzelle der neuen deutfcßen Gefinnung war, die in dem
franzofenfreundlidrjen Dresden nur langfam durch das fiegreidje (Hefen des Freiheits-
krieges [ich durchfetjte. Man hat Friedrichs patriotifche Kunft durchforfcht, die feltfam
vermummte Symbolik diefer Bilder erklärt, in denen die Patrioten damals „eine eigene
politifch - prophetifche Deutung fud)ten und fanden, ßinweife auf eine allmächtige un-
fehlbare 5and, die in die verworrenen Gefd)icke der Menfchen eingreift.“ Man hat
feine Grab- und Denkmalentwürfe beachtet und feinen genialen Formfinn auch in diefen
nebenfächlichen Ärbeiten erkannt. Die fymbolifche Kraft feiner patriotifchen Landfd)afts-
bilder hat man gerade im Vergleich mit Runges geheimnisvollen Buchumfchlägen und
Kartenfpielen wie mit Kügelgens allzudeutlicher Figurenallegorie empfunden. Kügelgen
hatte den Erzengel Michael mit den Farben und Abzeichen der Alliierten im Kampfe
mit dem Ceufel dargeftellt, der Napoleons 3üge trug. Gerade an diefem Gegenbei-
fpiele, das Goethe fo widerlich war, ließ [ich der Unterfd)ied von Symbolik und Alle-
gorie ablefen, wie ihn Goethe erklärt hat. öm nun den Abftand zu ermeffen, der
Friedrichs Kunft auch von feinem engeren Umkreife fcheidet, fei hier die patriotifche
Kunft feines Freundes Kerfting näher betrachtet, die, gewiß erlebt und reizvoll, doch
einer anderen Kunftfphäre anzugehören fdheint.
Georg Friedrich Kerfting — der [ich damals George Kerfting nannte — der mit dem
Freunde Friedrich ülanderungen und Kunftftudien teilte, gehörte ebenfalls zum Kügelgen-
fchen Freundeskreife. Jung, lebhaft, heiter, liebenswürdig, war der patriotifche Mecklen-
burger immer ein gerngefehener Gaft im „Gottesfegenhaus“ und teilte Freuden und
Leiden des Fjaufes, in dem auch fo gern feine anmutige Freundin, die durch ihre
Lebenserinnerungen wohlbekannte (Ueimarer Malerin Louife Seidler, wohnte und weilte.
Durch fie war der arme Kerfting an Goethe empfohlen worden, der feine fleißigen
3immerbilder fdjätjte und der für ißn in Heimar eine Lotterie erfolgreich einrichtete,
um dem Analer, der fchönen Freundin zuliebe, weiterzuhelfen. Als nun die Kriegs-
gefahr herandrot)te, als die Deutung des Kometen von 1811 fchrecklid) Recht zu be-
halten fchien, hielt Kerfting treulich bei Kügelgens aus. „Er ließ fiel) damals — feßrieb
Frau von Kügelgen — bei uns in Neuftadt einfperren, als die Brücke gefprengt wurde
(19. März), um nur nicht in der Altftadt, wo er wohnte, mit den Franzofen zufarnmen-
fein zu müffen. Er war froh wie Kind, da es nun unmöglich geworden war, hin-
über zu kommen und fchnit$elte unferen beiden Jungen Bogen und Pfeile und Kofaken-
piken, mit denen fie nun den Franzofen entgegengehen wollten“ L Dann kam am
27. März die Entfe^ung der Stadt. „Unter den vielen Cruppen, die durch Dresden
zogen, befanden [ich auch die Lüt$ower, die am 14. März Blücher unterteilt worden
waren und nun tymter ihm her aus Schießen kamen. Am 7. hatten fie im Societäts-
locale zu Bauten einen großen Ball gehabt, am 9. war Befehl zum fofortigen Auf-
bruch gekommen, am 10. trafen fie in Dresden ein, wo einige Cage geraftet wurde.
Unter ihnen befand [ich das berühmtefte Dresdener Kind jener Cage, Cheodor Körner“
1 Fjelene Marie v. Kügelgen, Ein Lebensbild in Briefen, fjemusgeg. von R. u. E. v. Kügelgen.
Leipzig 1901. S. 195. (13. April 1813.)
2 R. Brabant, In und um Dresden 1813. Dresden 1913. S. 127.

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