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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Neuerscheinungen
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Der Graphikfammler

Neuerfteinungen
Li teratur
Martin Weinberger, Deutsche Rokoko-
Zeichnungen. Delphin-Verlag. München
1924.
Adrian Zingg, Stammbuch. Mit einem Nach-
wort von Erwin Hensler. Insel-Verlag. Leipzig
1923.
In der deutften Reibe der „Segnung“, die
der Münchener Delphin-Verlag erfteinen läßt,
i|t ein fünftes Fjeft erfd)ienen mit 32 Tafeln
und 18 Textabbildungen ausgeftattet, herausge-
geben und mit einer Einleitung verpaßen von
Martin Üüeinberger. Die Arbeit des bewährten
Verlags ift zu loben, die Lichtdrucke find zumeift
erfreulich, Druck und Ausftattung ßnd gepflegt.
Qm fo mehr bedauert man deshalb, daß die
Arbeit des Herausgebers fo feßr zu wünfcben
übrig läßt, und daß er feiner Hufgabe fo wenig
gewacbfen war. (ilir wollen deshalb das Fjeft
eingehend befprecpen, weil diefe Behauptung
erwiefen werden muß und weil hier einiges zu
fagen ift, was einer neuen Behandlung diefes
wichtigen Gebietes zugute kommen mag.
(Uir bepßen zwar die vortreffliche Gefdjidhte
der 3eicbnurig und ihrer Technik, die Meder in
CDien gefd)rieben hat, aber die Gefcbicbte ihres
Kunftwefens, alfo ihre Kunft-gefchid)te ift noch
zu fcbreiben. Publikationen aller Ärt erweifen
das wacbfende Intereffe für die 3eidjenkunft,
doch fcheint es eigener Vorausfeljungen, eines
befonderen Einfühlungsvermögens, ja, zuweilen
eigener 3eict>enbegabung zu bedürfen, um Gut
und Böfe, Echt und Unecht unterfcheiden zu
können. (Dies beweift gerade in vorliegendem
Fjeft die Auswahl der Tafeln, die einige Blätter
der Kabinette von tüien, Berlin, Dresden, Mün-
chen, Karlsruhe, Bremen, Nürnberg und einige
wenige aus unbekanntem Privatbeßij wieder-
geben.) Für die 3eitnung des Rokoko ift zwar
fd)on mancherlei getan, foweit es ßt um be-
kannte Meifter und um den Befitj größerer Samm-
lungen handelt; aber es ift noch immer unmög-
lich, die Gefchichte der deutfdßen Kunft des
18. Jahrhunderts zu fcbreiben, und alle Verfudße
ßnd bisher kläglich abgelaufen. Die deutfcbe
Kunftgefchicbte des 18. Jahrhunderts ift zunädjft
Staats- und Stadtgefchichte und bedarf genauer
Kenntniffe der vielen einzelnen Kunftkreife. Ge-
rade gegenüber dem deutfchen Vielerlei verfagt
die Kollektivbetrachtung, die für die gleichzeitige
franzöpfcbe Kunft eher möglich iß. Das hat auch
CQeinberger empfunden und verfucbt deshalb in
feiner kunftpfycbologifcben Einleitung ebenfalls
periegetifd) vorzugehen und den kargen Stoff
nach einzelnen Städten (Fjamburg, München,
Dresden, tüien, Berlin), fchließlicb auch unter
Sammelbegriffe (Karikatur, Landfcbaft, Bildnis)
zu ordnen. Hber diefe Geographie wird ihm

niemalsKunftgeograpbie, dasGenealogifcbe diefer
Kunftwanderung wird nicht deutlich, und die
Vermifcbung von Künftler—Kunß—Kunftwefen-
forfchung wird ein Durcheinander, das den Laien
nur verwirrt. „Nur derjenige kann etwas auf
eine populäre TJeife vortragen, der es auch
gründlicher vortragen könnte.“ Eine kurze Dar-
ftellung, die doch offenbar für weitere Kreife
gedacht iß, feljt folcße Klarheit, Sicherheit, Sach-
kenntnis voraus, daß der Huftrag pcherlich ver-
früht war. Schon die Darmßädter Husftellung
— Biermanns großes Verdienft — ließ die Fülle
des Materials ahnen, die zu fitteri und zu glie-
dern ift, wenn man ßißorift arbeiten will. 3u-
näcbß: 3weck und Hrt jedes Blattes ift nicht zu
trennen, und es ift gewagt: Naturftudie — Hka-
demie — Bild- und ülandentwurf, Stich-, De-
korations-, Hrcbitekturvorlage und das felbftän-
dige Kunftblatt als ein Einheitliches äßbetifd) zu
betrachten, um fchließlicb zu erweifen, daß alle
Gebilde einer Epoche den Geiß und Stil diefer
Epoche tragen und dem Strom der Seiten an-
gehören. Maler, Stecher, Architekten, Bildhauer,
Dekorateure pnd zu fondern, Mittel und Selbft-
zweck find wohl zu unterfcheiden, Technik und
Material in ihrer autonomen Logik zu beachten.
Klenn man wirklich die 3eicbnung — nicht die
Kulturgefcbicbte — des Rokoko behandeln will,
hat es wenig Sinn, Ölmalereien und Aquarelle
abzubilden — wie es (Ueinberger tut — denn
er nennt „3eitnung“ nicht, wie die Kunftlebre
des 18. Jahrhunderts, ein Kunftmittel der Malerei,
fondern er meint damit 3ßitnungen aller Hrt.
Nun zur Technik, die der Autor auch nur be-
rührt hat. Es ift dem fpäten Barock, deffen In-
termezzo das Rokoko ift — (die Parifer Aka-
demie hat es nie ganz anerkannt und fcbon in
den vierziger Jahren fejjt der Gegenkampf ein) —
wefentlicb, daß die Seitenlinie zum 3eicßenton
ftrebt, daß die Linie fcbwellend, abreißend, weich,
durch das tonige Element beftimmt wird, daß
nicht nur farbige Graphik, fondern fozufagen
graphifche Farben erßrebt werden, kurzum, daß
der Malerei die 3eicßnung dient. Material und
Technik beweifen dies bis in die Tage des Klafp-
zismus, der wieder zur Linie und zur freien
3eicbnung mit entfpretender Technik zurück-
kehrt. Die breitzeichnenden Stifte (Kreiden,
Rötel), die weite Strafßer- und (Uifttetnik
werden Bedürfnis, die Porte-crayons tragen die
Doppelkreide (weiße und ftwarze oder Rötel
und Kreide), die dessins aux deux, aux trois
crayons auf weißem Papier oder auf blauem
und grauem Naturpapier entfpreten dem ma-
lerift-farbigen Verlangen. Ihm entfpritt be-
fonders die Paftelltetnik, die ßt (aus alten An-
fängen) logift nun aus der Manier aux trois
crayons weiterentwickelt. Reiner Graphit oder
Braunßein wird feltener benutzt. Beffer not
als der breite Crayoriftrit führt der Pinfelftrit
der Laviertetnik mit Tußhe und Bifter (erft feit

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