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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Eberlein, Kurt Karl: Caspar David Friedrichs Zeichenkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#1154

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Cafpar David Friedridjs 3eid)cnkunft

Mit zehn Abbildungen auf sechs Tafeln und im Text

Von KURT KARL EBERLEIN


ir befiljen zwar in Meders Klerk die l)iftorifd)e Gefd)id)te der 3ei<hentechnik,

eine Kuliurge[cf)id)te der 3eid)nung, aber die äfthetifdje Gefd)id)te der 3ei<h-

T T nung, eine Kun[tgefd)id)te der 3ei<hnung, befitjen wir nid)t. Klenn fid) die
Äftfyetik immer wieder auf die Linie, auf ihr äfthetifches abftraktes Kiefen bezog (die
Schönheitslinie), die 3ßid)enlinie, ihr perfönlid)er, geiftiger Gewalt (die Äusdruckslinie)
wurde wenig beachtet.
Als Kunftmittel immer dienend, Ijaüe fie als ümriß- und Dinglinie befondere Be-
deutung und Bedeutungsgehalt gewonnen, war aus mathematifd)-fymbolifd)er Bindung
der religiöfen Kleltanfchauung in geometrifd)-kanonifd)e Bindung der wiffenfchaftlichen
Kleltanfchauung geraten und trieb, kurfiver und freier geworden, aus dekorativer Be-
weglichkeit in die neue Feffel der phyfiognomifchen Bedeutung. So treibt fie als üm-
rißlinie, neu gepflegt und gewertet, gebundener denn je, ihr dienendes Kiefen im neuen
Klaffizismus, bis fie durch neudeutfcße Gefinnung gefdjärft und verfeinert, eine neue,
ftärkere Criebkraft und zierliche Eigenwilligkeit erhält. Dann aber verliert fie bald
immer mehr durch den anwachfenden Naturalismus an Bedeutung und lebt nur noch
in fpätrornantifcher Volkskunft künftlid) gefchont fort. Kurzum, die Geiftesgefd)ichte
der Linie ift die Gefehlte des 3eitgeiftes, des menfchlichen Klerdens und Kiefens zu-
gleich, die leferlichfte, klarfte Kurzfchrift der Kleltgefchichte. Klir können hißr nic±)t
weiter verfolgen, wie die Innenlinie diefe Sdpckfale teilt, wie fie, Glied, Körper, Raum,
Gon, Farbe fchaffend, mehr dient als leitet, wie fie, vereinzelt oder in Paaren, Gruppen,
Raufen, als Schraffur oder Kreuzung, dem 3w^dk und der Art gehorcht, dem Pinfel
weicht oder ihn doch vertritt. Je nach Grund, Cechnik, Art und 3weck folgt dies alles
der inneren Gefefelichkeit, die wieder nur den Geift des Einzelnen, der Maffe, der
3eit, offenbart. Die Gefdt)ichte der 3eichnung, die Gefehlte der 3eicben> ift Geiftes-
gefchichte.
Klir greifen für diesmal zu näherer Betrachtung die 3eid}enk:unft eines Einzelnen,
eines Einzigen heraus, um in ihr ihn felbft, fein Kiefen und Klerden, und damit zu-
gleich feine 3eit zu begreifen. Ein glücklicher 3ufall hat uns den Schajj von Fjand-
zeichnungen ausgebreitet, den ein verftändnisvoller Sammler treulich bewahrt. Es
handelt [ich um die große Sammlung von Friedrichs Fjandzeichnungen, die Klolfgang
Gurlitt in Berlin zufammengetragen hat und uns felbftlos freundlich für diefe Arbeit
zur Verfügung ftellt. Klir haben ihm deshalb hier zu danken, und wenn der Erfolg
unferer ünterfuchung fo manches Neue und manche Betätigung älterer Erfahrung fein
follte, fo mag dies der befte Dank für den großmütigen Sammler fein. Die Sammlung
Gurlitt umfaßt Blätter jeder Größe und Art, Studienblätter aus allen Epochen des Künft-
lers von 1789 bis 1835; Studienblätter, aber keine felbftändigen Kunftblätter. Alfo
aud; keine bildartigen Sepiablätter, wie fie Friedrich fo gern auf den Ausheilungen
zeigte und verkaufte, denn er war Spezialift in diefer modifchen Sepiatechnik.
Studienblätter nach der Natur überwiegen, doch finden fich auch Nachzeichnungen
nach Vorlagen. Eine Art von Cypenfchat^ aus der Natur wird für die Mappe oder
für das Skizzenbuch auf Klanderungen und Reifen gefammelt, um fpäter oft für die
Gemälde zu dienen: Schiffe, Segel, Anker, Neije verraten den Greifswalder, der dem
Hafen und dem Meere vertraut aufwächft, Hünengräber, Eichbäume, Kreidefelfen,
Küftenufer und die Ruine Eldena verraten den Nordländer, der fchori als Kind die
pommerfche Heimat durchftreift, und immer wieder das geliebte Rügen befud)t. Ein
Blick auf die Brühlfd)6 Gerraffe mit Hofkirche und Brücke erinnert an Dresden, wo
Friedrich feit 1798 feßhaft war. Klald- und Kliefenlandfchaften, Felshöhlen, Gannen-

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