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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0692

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DIE ZEIT UND DER MARKT

Sammlungen
Äus Prager Sammlungen
Über den großzügigen Ankauf franzöpfcper
Gemälde für die Staatsgalerie wurde in fjeft 8
berichtet. Jeljt find (im Manespavillon) auch die
Erwerbungen an Plaftik und Graphik aus der
großen vorjährigen franzöfifchen Äusftellung aus-
geftellt. Auch hier muß Großzügigkeit und
ßcperer Blick der Ankaufskommifpon gerühmt
werden. Daß man in der Plaßik nicht bei Rodin
ftehen blieb, sondern über ihn hinaus von Maillol
ein Hauptwerk erwarb, führt die fchöne und
traditionsgesicherte Linie von Fjoudon ab über
jenen Ciefßand plaßifcpen Emppndens hinaus,
als welchen man das Clerk Rodins, gar in der
Nad)barfd)aft des elementar-plaßifcpen Maillol
bezeichnen muß. Von Maillol fteht hier die
erdpafte und formträchtige „Pomona“, ein
wuchtiges Clerk, das eindeutig klar macht, wo
man den Begriff der modernen Plaftik anzufetzen
hat. Strotzende Maffen wie Gebirge find hier
zur lauterften Fjarmonie geftaltet, rein auf den
plaftifchen Ausdruck geftellt, — dies vor allem
das Moderne — unter Ausfchaltung aller Gefüpls-
momente und aller Impreffionen. So erßeht — das
Grundgefep aller Plaftik erfüllend — jene Schwebe
zwifdjen dem Drang der Maße von innen heraus
und dem Drude des Raumes von außen hinein.
Die währende Spannung diefes Balancezuftandes
fühlbar zu machen, diefe Scheide zwifchen Innen
und Außen federn, ftoßen, zucken und prallen
zu laffen, wie es Maillol tut, ift ein anderes,
als das bloße Beleben der Epidermis in impreffio-
nipifchem Gehabe. Erft nach diefer peimlicpften
und doch wieptigften Forderung aller Plaßik
tritt die Ausponderierung der Maßen an, das
Clägen und Rücken, das im geballten Maßen-
druck Maillols ganz aufgefaugt erfepeint, und
doch gerade hinter ihm fo peinlich geleißet iß.
Als drittes dann die Bearbeitung der Oberßäche,
die faß kofende Modellierung der Schwellung
und Senkung, der Beulung und Fjöplung, d}e
Arbeit des handwerkenden Skulptors, in der ß<h
Maillol — man weiß es — in Jahren nicht ge-
nügen kann. Das Ganze dann diefer Ausgleich
von Maße und Raum, der Kern und Strahlung
zugleich ift.
Daneben Rodin: Johannes der Läufer.
Keine Orfpannung zwifchen Innen und Außen,
zwifchen Maße und Raum. Sondern diepfycpifch
durcpßrömte und überriefelte Oberßäche. Keine
Ausponderierung der Maßen, fondern die aus
dem umfehloßenen Raumkern perausftoßende
exprefßoniftifcpe Gebärde — die alle plaftifcpe
Balance zerftört. Kein modellierendes Fjeraus-
arbeiten der Oberßächen, fondern ein mit breitem
Pinfel malendes, alle Imprefponen des gefühlten

Augenblicks anheftendes Stricheln und Fibrieren.
Dies letzte fepr deutlich in der kleinen Gruppe
der drei Länzerinnen, wo aus der Bewegung
zwar ein plaftifch dauerndes Motiv perausge-
bannt ift, dies nun aber fofort wieder durch
die malerifche Behandlung des weichen Cones
ins Ünplaftifcp-Bewegte zurücktransponiert wird.
In der großen Skulptur „Innere Stimme“ ge-
ftaltet Rodin denn auch refolut aus dem Element
der Bewegung heraus, d. p. er veranfcpaulicpt
in fouveränem Können die vielacpfig pep ent-
fpreependen und pep bedingenden Bewegungen
des menfcplifcpen Körpers als Motive, tlnd fo
entgept er pier der Vermifcpung von Plaftik und
Bewegung eper, im Motivifcpen wenigßens, —
im Materialen allerdings tritt der Gegenfap da-
für um fo fepneidender auf. In den Porträts
kommt Rodins Geßaltungsweife noch am epeften
und konßiktlofeften zur Geltung, eben aus den
BedingungendesPorträts heraus. Drum hier feine
plaßiicp beften Leißungen. Dennoch — neben
Maillol jedenfalls wirft das tUerk Rodins nur
noch fepärfer die Frage auf: Schuf hier ein
Plaßiker unter dem Einßuß der damals über-
wältigenden Malerei — oder aber fcpuf hier ein
Maler, der fiep in der Ülapl feiner Mittel fo
tragifcp täufepte.
Von Bourdelle einiges: ein Akt, deßen un-
möglicher Qnterbau die plaftifch bewegte Geftalt
des Leibes zerßört. Der Beetpovenkopf in
aufdringlichem Citanismus, einige Kleinigkeiten.
VonCarpeaux auch genug, um zu überzeugen,
daß er kein galerieberecptigter Meifter, ganz
fieper kein Plaftiker war. Doch das Schwerge-
wicht der Erwerbungen verföpnt auch mit diefen
Kompromißen, die wopl der franzöfifepen Cra-
dition — pier in fcplecptem Sinne — gebracht
wurden. Über die Graphik foll im Grappik-
sammler berichtet werden.
Von deutfeper Kunß wurde für die Staatsgalerie
erworben: aus der deutfepen Äusftellung der Ga-
lerie Arnold ein Gartenbild 1923, von Lieber-
mann, fchöne Ergänzung der fepon vorhandenen
öCIerke diefes Meißers. Aus der N o 1 d e - Ausßellung
der „Neuen Kunft“ Dresden ein Aquarell und
ßeben grappifepe Blätter. Möge ein erfepwing-
licperes Preisniveau des deutfepen Marktes bald
eine Ergänzung diefer Erwerbungen ermöglichen.
Schürer.
Ämfterdam
Das Städtifcpe Mufeum erhielt durch Ver-
mittlung der Gefellfcpaft zur Formung einer
Sammlung moderner Kunft während des japres
1923 teils als Gefcpenk, teils als Leihgabe 89 neue
Gemälde überwiefen, darunter als Gefcpenk ein
Selbftbildnis von Jan Mankes, ein Blumenßück
Jan Sluyters, Aquarelle von L.Geßel, 3eicpnungen
von A. Colnot, eine Aquarellzeichnung von Bos-

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