Eine Madonna von Bartolomeo Caporali im
Mufeum ZU Budapeft Mit einer Tafel \ Von M. SALM!
In dem der Budapefter Galerie angegliederten großen Freskenfaal beßndet pd) eine
Madonna mit Kind (Nr. 1306), die unzweifelhaft der umbrifd)en Sd)ule des 15. Jahr-
hunderts angehört. Es wurde für pe fchon der Name des Fierenzo di Lorenzo aus-
gefprochen1. Aber obgleich das Bild dem Peruginer Meifter nal)efteht, ift es doch nicht
von Fierenzo und würde feinem wirklichen Urheber, Bartolomeo Caporali, fchon zu-
rückgegeben worden fein, wenn die Perfönlid)keit diefes Künftlers nicht erft feit kurzer
3eit mit einer Gruppe von Werken umriffen worden wäre, die gerade dem Fierenzo
und dem Benedetto Bonfigli zugefd)rieben wurden2.
Das Fresko in Budapeft (Äbb.) zeigt die Jungfrau in halber Figur, in rofiger Cunika
und blauem Mantel, hinter einer Brüftung, auf der das Kind fteht. Es trägt ein kurzes
rofa Kleidchen. Und während das Kind die Rechte fegnend hebt, reicht ihm die Mutter
eine Blume. FJinter der Gruppe peht man eine niedrige Brüftung aus geädertem Marmor
unterhalb eines gelblichen Grundes.
Crojj des jammervollen 3uftandes des Bildes, den man auch auf unferer Abbildung
peht, erkennen wir in ihm deutlich die Fjand des Caporali. Für die Jungfrau bietet
den überzeugendpen Vergleich in Farbe und Form die Madonna mit der heiligen zur
Linken einer Pieta — aud) in Fresko —, die pd) jetjt in der umbrifcpen Nationalgalerie
in Perugia bepndet und eine 3eitlang im Klofter S. Giuliana dafelbft war. Dies Werk
wiederholt in der Mittelgruppe den gleichen Entwurf einer Cafel mit derfelben Dar-
ftellung in der Kathedrale von Perugia, die die Jahreszahl I486 trägt. Und ich fage
wiederholt, weil die Figuren des Freskos den fragmentariphen von jener zerftückten
Cafel der Kirche S. Maria Maddalena in Capiglione di Lago vom Jahre 1487 ent-
fprechen. In diefem Jahre ift vermutlich die Pieta von S. Giuliana entftanden. Andrer-
feits ähnelt der Bambino des Freskos von Budapeft dem kleinen Cobias und den bei-
den Putten, die eine Infd)rip auf einer Wandmalerei mit S. Antonius von Padua zwi-
fdjen dem Läufer und dem Erzengel Raffael in der Kirche S. Francesco in Montone
tragen. Sie ift 1491 datiert. Und id) möchte annehmen, daß unfer Fresko innerhalb
der vier Jahre einzureihen fei, die zwifcßen den zwei zum Vergleich hei'angezogenen
Werken liegen.
Caporali entfernt pd} nun von feinen gozzolesken Anfängen, orientiert pd) nach
Pinturiccpio und Fiorenzo hin, ohne fid} aber der herben Art des letzteren anzufdpießen.
Aber indem er feine Formen langatmiger geftaltet, erinnert er vielleicht an jene monu-
mentalen des Melozzo da Forli, die Antoniazzo und feine Schule auch in Umbrien ver-
breiteten. Während pd) der Peruginer Maler in der Kompoption mit größerer Freiheit
an Pinturicd)io begeiftert als der, die er in einer anderen feiner Madonnen im Mufeum
von Neapel (pe ift von 1484) gefunden hat, benutzt er von diefer das anmutige Motiv des Dar-
reid)ens einer Blume. Das Jefuskind ift zudem wie ein umbrifdjer Knabe des Quattrocento
gedacht. Durch feine ftiliftifchen Vorzüge und jene naive Ausdruckskrap fcheint mir das
Budapefter Fresko es zu verdienen, dem Werk des Caporali wiedereingefügt zu werden,
auch wenn fein heutiger 3uftand eine völlige Würdigung nicht erlaubt. Überf. E. ttl.
1 So von B. Berenfon in der 2. Äußage feiner Central Italian Painters, London 1909,
S. 168. Berenfon fchreibt dem Fiorenzo aud) ein anderes reid)lid) nad)aemaltes und feßr befd)ä-
digtes Fresko zu mit einer das Kind ßillenden Maria in ganzer Figur unter einem von zwei Engeln
getragenen Cabernakel mit Säulen nad) der bekannten Darftellung der Madonna Lauretana (vgl.
für das Ikonographifcße: C. Ricci, in Rassegna d’Hrte 1916, S. 265). Hber aud) dies Bild fcheint
nid)t von Fiorenzo zu fein; id) möchte es für weit geringer halten, von einem ümbrer aus dem
Beginn des 16. Jahrhunderts, der von Pinturicd)io lernte.
2 S. Lothrop, Bartolomeo Caporali, in Memories of the Hmerican Hcademy in Rome, Bd. 1
(1917), S. 87—102. In diefer Veröffentlichung pnd die zum Vergleich herangezogenen öüerke abgebildet.
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Mufeum ZU Budapeft Mit einer Tafel \ Von M. SALM!
In dem der Budapefter Galerie angegliederten großen Freskenfaal beßndet pd) eine
Madonna mit Kind (Nr. 1306), die unzweifelhaft der umbrifd)en Sd)ule des 15. Jahr-
hunderts angehört. Es wurde für pe fchon der Name des Fierenzo di Lorenzo aus-
gefprochen1. Aber obgleich das Bild dem Peruginer Meifter nal)efteht, ift es doch nicht
von Fierenzo und würde feinem wirklichen Urheber, Bartolomeo Caporali, fchon zu-
rückgegeben worden fein, wenn die Perfönlid)keit diefes Künftlers nicht erft feit kurzer
3eit mit einer Gruppe von Werken umriffen worden wäre, die gerade dem Fierenzo
und dem Benedetto Bonfigli zugefd)rieben wurden2.
Das Fresko in Budapeft (Äbb.) zeigt die Jungfrau in halber Figur, in rofiger Cunika
und blauem Mantel, hinter einer Brüftung, auf der das Kind fteht. Es trägt ein kurzes
rofa Kleidchen. Und während das Kind die Rechte fegnend hebt, reicht ihm die Mutter
eine Blume. FJinter der Gruppe peht man eine niedrige Brüftung aus geädertem Marmor
unterhalb eines gelblichen Grundes.
Crojj des jammervollen 3uftandes des Bildes, den man auch auf unferer Abbildung
peht, erkennen wir in ihm deutlich die Fjand des Caporali. Für die Jungfrau bietet
den überzeugendpen Vergleich in Farbe und Form die Madonna mit der heiligen zur
Linken einer Pieta — aud) in Fresko —, die pd) jetjt in der umbrifcpen Nationalgalerie
in Perugia bepndet und eine 3eitlang im Klofter S. Giuliana dafelbft war. Dies Werk
wiederholt in der Mittelgruppe den gleichen Entwurf einer Cafel mit derfelben Dar-
ftellung in der Kathedrale von Perugia, die die Jahreszahl I486 trägt. Und ich fage
wiederholt, weil die Figuren des Freskos den fragmentariphen von jener zerftückten
Cafel der Kirche S. Maria Maddalena in Capiglione di Lago vom Jahre 1487 ent-
fprechen. In diefem Jahre ift vermutlich die Pieta von S. Giuliana entftanden. Andrer-
feits ähnelt der Bambino des Freskos von Budapeft dem kleinen Cobias und den bei-
den Putten, die eine Infd)rip auf einer Wandmalerei mit S. Antonius von Padua zwi-
fdjen dem Läufer und dem Erzengel Raffael in der Kirche S. Francesco in Montone
tragen. Sie ift 1491 datiert. Und id) möchte annehmen, daß unfer Fresko innerhalb
der vier Jahre einzureihen fei, die zwifcßen den zwei zum Vergleich hei'angezogenen
Werken liegen.
Caporali entfernt pd} nun von feinen gozzolesken Anfängen, orientiert pd) nach
Pinturiccpio und Fiorenzo hin, ohne fid} aber der herben Art des letzteren anzufdpießen.
Aber indem er feine Formen langatmiger geftaltet, erinnert er vielleicht an jene monu-
mentalen des Melozzo da Forli, die Antoniazzo und feine Schule auch in Umbrien ver-
breiteten. Während pd) der Peruginer Maler in der Kompoption mit größerer Freiheit
an Pinturicd)io begeiftert als der, die er in einer anderen feiner Madonnen im Mufeum
von Neapel (pe ift von 1484) gefunden hat, benutzt er von diefer das anmutige Motiv des Dar-
reid)ens einer Blume. Das Jefuskind ift zudem wie ein umbrifdjer Knabe des Quattrocento
gedacht. Durch feine ftiliftifchen Vorzüge und jene naive Ausdruckskrap fcheint mir das
Budapefter Fresko es zu verdienen, dem Werk des Caporali wiedereingefügt zu werden,
auch wenn fein heutiger 3uftand eine völlige Würdigung nicht erlaubt. Überf. E. ttl.
1 So von B. Berenfon in der 2. Äußage feiner Central Italian Painters, London 1909,
S. 168. Berenfon fchreibt dem Fiorenzo aud) ein anderes reid)lid) nad)aemaltes und feßr befd)ä-
digtes Fresko zu mit einer das Kind ßillenden Maria in ganzer Figur unter einem von zwei Engeln
getragenen Cabernakel mit Säulen nad) der bekannten Darftellung der Madonna Lauretana (vgl.
für das Ikonographifcße: C. Ricci, in Rassegna d’Hrte 1916, S. 265). Hber aud) dies Bild fcheint
nid)t von Fiorenzo zu fein; id) möchte es für weit geringer halten, von einem ümbrer aus dem
Beginn des 16. Jahrhunderts, der von Pinturicd)io lernte.
2 S. Lothrop, Bartolomeo Caporali, in Memories of the Hmerican Hcademy in Rome, Bd. 1
(1917), S. 87—102. In diefer Veröffentlichung pnd die zum Vergleich herangezogenen öüerke abgebildet.
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