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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Ehmcke, F. H.: Die Kunstgewerbeschule
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0846

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Anlaß und
Äbßdjt

Die Kunftgewerbefcßule Von F. H. EHMCKE
Vorbemerkung des Herausgebers, ln der „Münchner Allg. Zeitung“ hat kürzlich
der bekannte Vorkämpfer der kunstgewerblichen Bewegung zu einem der aktuellen Probleme
der modernen Kunsterziehung, anknüpfend an gewisse Vorgänge im Münchner Kunstleben,
Stellung genommen. Die Erörterungen Ehmckes sind von grundsätzlicher Bedeutung und
verdienen, im wesentlichen auch an dieser Stelle mitgeteilt zu werden.
Tolftoi fcßildert, wie er auf feinen Gütern einige junge Bäume fortfdjlagen ließ, weil pe durd)
ihr kräftiges, jugendliches (Hadbstum ein paar ehrwürdige alte Pappeln gefährdeten. Kurze
3eit darauf gingen die alten Bäume von felber ein und in der fo entftandenen Öde war für
keinerlei Nachwuchs geforgt. Diefes Gleichnis kommt mir unwillkürlich in den Sinn, wenn id)
daran denke, wie man die aufftrebende Münchner Kunftgewerbefcbule niedergefcbnitten hat, um
der veralteten Äkademie zu einem neuen Scheinleben zu verhelfen. 3ur Gefcbicbte und Erläute-
rung des Begriffes Äkademie mag hier nur kurz gefagt fein, daß der Name ßcb von jenem fagen-
baften Äkademus berfcbreibt, bei dem die Ätbener öüeltweifen pcb verfammelten und daß die
Äkademien darum jahrhundertelang nichts anderes waren, als eine Vereinigung der geißig Füh-
renden eines Landes zu einer Gemeinfcbaft vorwiegend repräfentativer Ärt. Eine folcbe Einrich-
tung war befonders pnnvoll, als Fürftengunß und Fürftenmacbt bedeutende Geißer von auswärts
herbeiholen, an einem Hof verfammeln und durch pe auf die kulturelle Entwicklung des Landes
einen beftimmenden Einßuß ausüben konnte. Da mochte denn wohl auch Leiftung und Änleitung
einzelner Meißer fchulbildend fein. Die nach dem Beifpiel der wißenfcbaftlicben Äkademien fpäter,
als die Kunft fcßon nicht mehr dem Lebensquell nahe war, gegründeten Maler- und Bildbauer-
fcbulen haben mit ihren von der (Uißenfcbaft übernommenen Difziplinen wie Änatomie, Perfpektive,
Fjiftorie, Optik auf die Naivetät und (Inmittelbarkeit der Schüler mehr beeinträchtigend als fördernd
gewirkt. Grog des außen Stehende blendenden Preftiges ihrer Glanzzeiten, aus denen Namen wie
Cornelius, Scbadow, Oefer an unfer Ohr klingen, hatten pe das peinliche (Ingemach, auf die wahr-
haft Genialen abftoßend zu wirken, fo daß eigentlich die Beften ohne akademifche Äusbildung zur
Größe gelangten und die Bezeichnung „akademifcb“ in der geläupgen Nomenklatur eine durchaus
negative und minderwertige Bedeutung erhielt. Ihr Nugen als Pßege- und Pßanzftätten malerifcber
Handfertigkeiten mag nicht angezweifelt werden, was aber keinesfalls ihren (Imfang und ihre
Ausdehnung zu künßlerifcber (Heitläußgkeit rechtfertigt.
Doch roll hier mehr von den Kunßgewerbefcbulen die Rede fein, die einem 3eitbedürfnis
in der traurigften Periode kulturellen Verfalls ihr Dafein verdanken, und die, weil am wenigßen
mit dem Ballaft fogenannter Cradition belaftet, am gefchmeidigßen der Entwicklung eines neuen
Kulturwillens [ich anpaßten und mit diefer zugleich alle Pbafen des (üerdens durchmachten. So
haben pe ihren Ausgangspunkt gefunden in einem dunklen Verpßicbtungsgefübl der verantwort-
lichen Kreife zur Erneuerung handwerklich er Cücbtigkeit und ehrlicher Kunftgefinnung
find auf ganz natürlichem (Hege dem Erblühen der Induftrie gefolgt und fteben im Augenblick zu-
gleich mit Handwerk, Indußrie und Kunft in der Krife, die nicht nur die zufällige Folge des ver-
lorenen Kriegs innerhalb des beftimmt umhegten Kreifes unferer deutfcben (üirtfchaft iß, fondern,
richtiger gefeben in der gewaltigen Krife der abendländifcben Kultur überhaupt, (denn Oswald
Spengler fagt, daß in diefem Augenblick die Fragen von Kunßgewerbe und Kunß nicht weiter
von Belang feien und daß der moderne dlillensmenfcb keine Klagl hätte und lieber fid) freiwillig
dazu verßeben follte, Pßanzer zu werden, fo bliebe darauf zu erwidern, daß, wer zum Künßler
geboren iß, fdjon keine (dahl mehr hat und daß es gerade in diefer allem Kunßwollen abholden
3eit nichts Abenteuerlicheres und Ehrenvolleres geben kann, als künftlerifcben Äbßcbten, dem
fcbeinbaren 3^it- und (Ileltwillen entgegen, zum Siege zu verhelfen, auch wenn diefer nur in
einem engen (Imkreis möglich wäre. Spengler beberrfcbt hier nicht ganz die Situation. Der Ver-
gleich mit dem Pßanzer hinkt. Nicht Kunßgewerbe und Kunß im oberßächlicben tändelnden Sinne
gilt es zu rechtfertigen, vielmehr den ewig Geftaltung fügenden Drang, der allein demVer-
fteinerungsprozeß einer alt werdenden Kultur Droh bieten kann, der auch den (üeltbandelsßraßen
und Monumentalbauten eines Imperiums Maß und Form zu geben trachtet und der dazu aus-
erwählt ift, das beiligße Erbe der Menfchbeit, das göttliche Feuer, in die Morgenröte eines neuen
(üeltwerdens hinüber zu retten.
Der heutige Catbeßand iß einfach diefer: Gute Handwerklicbkeit, foweit überhaupt noch zu pnden,
verfdbwindet in der Maße und ift als Faktor innerhalb eines großzügigen Rechenfcbaftsberid)tes
kaum einzufegen. Damit fcgwindet auch ganz allgemein die Möglichkeit guter handwerklicher

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