Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

DOI Artikel:
Kauffmann, Arthur: Ein chinesisches Wirkbild aus der Sammlung Sproesser
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0845

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Ein d)inefifd)es Ulirkbild aus der Sammlung Sproeffer
Mit einer Tafel Von ARTHUR KAUFFMANN

Die Seidenweberei und die ihr verwandten Künfte ßanden in China zu allen 3eiten auf einer
außerordentlich hohen Stufe der Vollendung. Ipt doch China die ttliege des edelften Cextil-
materials, der Seide, die bis heute noch für das vornehme Gewebe faßt ausfchließlich Ver-
wendung findet. Die gewirkte Seide, die der Stoffkunft Chinas ganz befonders eigentümlich ift,
wird Koffe genannt. Ihre Cechnik ift die alte primitive Arbeit, die wir gemeinhin mit Gobelin-
wirkerei bezeichnen und die zwifchen der Flechtarbeit und der eigentlichen (Heberei fteht. mie
beim Kilim und wie beim Gobelin werden die farbigen Schußfäden, die das Mußer und die
Darftellung bilden, um die Kettenfäden abwechfelnd von vorn und von hinten durchgeflochten,
das heißt alfo in die Kette durch freie Handarbeit eingewirkt. Bald werden wie beim Kilim die
farbigen Fäden an den Stellen, wo die Farbe enden foll, wieder zurück- und am anderen Ende
wieder vorgeführt, bald werden pe, wie beim Gobelin, da wo die Farbe aufhört, abgeriffen und
hängen auf der Rüdefeite frei herab. In beiden Fällen entßehen überall, wo die verfchiedenen
Farben aneinanderßoßen, mehr oder weniger klaffende Spalten, da die Schußfäden nicht, wie bei
der mechanifchen Güeberei, über das ganze Gewebe laufen. Diefe Spalten, die nach Fertigftellen
des ttlirkbildes zufammengenäht werden, geben der Koffearbeit oft den Eindruck, als ob pe aus
vielen einzelnen Ceilen und Unterteilchen rnofaikartig zufammengefe^t fei, ein ömftand, der häupg
zu Irrtümern über die Koffetechnik geführt hat. Die Vorder- und Rüdefeite ift faft völlig gleich.
Nur werden auf der Vorderfeite die Details, vor allem befondere Feinheiten mit dem Pinfel aufge-
malt. Als Material werden Seiden- und Goldfäden verarbeitet und fo erftaunlich fein gewirkt, daß d)i-
nefifche Geduld und Gefchicklichkeit erforderlich ift, um die oft fpinnwebzarten Gewebe herzuftellen.
Ein durch Größe und Schönheit der Darftellung ungewöhnlich bedeutende Koffearbeit bringt die
Sammlung Aug. G. Sproeffer. Es ift ein 2 m hoher und 1 m breiterCempelbehang, der aus der
Sammlung des berühmten chinepfchen Staatsmannes und Minißers Sheng Kung Pao erworben
wurde und nach deffen Angaben aus einem der Cempel weftlich von Peking ftammt. Dargeftellt
ift der taoißifche Himmel, das Paradies Shou Shan, in dem die taoißifchen Götter und Heiligen,
dem Range nach von unten nach oben geordnet, pd) bewegen. Den dominierenden Con gibt dem
Clirkbiid die lachsrote Farbe der Himmelsluft, die von belebten Landfchaftsbildern, von felpgen
Gebirgen und ftiliperten Meeren und molken in zartgetönten braunen, gelben, grünen und blauen
Farben, fowie Goldfäden durchzogen ift. Im unteren Ueil der Fpmmelslandfchaft fehen wir einen
Lotosteich, an deffen linkem Rand ein Damhirfchpaar neben einem Pprpchbaum fteht, während
am gegenüberliegenden Ufer die beiden Götter der Fröhlichkeit und der Friedlichkeit, Qo po erh
hpen, pch bepnden. öüeiter rechts fteht Dung fang So, mit dem geftohlenen Pprpchzweig. Über
dem Lotosteich wölbt fich eine natürliche, von einer Kiefer und einem Fingerzitronenbaum be-
ftandene Felfenbrücke, auf der einer der Acht Unfterblichen, DfchangGo, auf einem Maulefel reitet.
Vor ihm im blauen, goldumgürteten Gewand der Kriegsgott Kuanti mit dem Bogen, begleitet von
einem Chilinreiter und zwei Hellebarden tragenden Knaben. Die übrigen der Acht Unfterblichen
verteilen pch einzeln und in Gruppen über die Felfenvorfprünge. Rechts Li Ciä Guai mit Kürbis-
ßafche und Krücke zufammen mit der die Flöte blafenden Lan Cfai Ho. Links eine Gruppe von
Unßerblichen, von denen Dphung Li Küan und Lü Dung Bin mit dem Schwert pch mit einem
Brettfpiel, dem go-bang vergnügen, während Cfau Go Giu, mit den beiden Brettchen, ihnen zu-
fchaut. Allein zwifchen Felfen fteht Han Siang Dp mit Blumenkorb und Hacke. 3wifd)en ihnen
fchwebt frei im Himmel, getragen von einem Kranich, die Achte der Unfterblichen, Ho Siäu Gu,
mit ihrem lotosblumenartig geformten Schöpflöffel. Hoch darüber erblicken wir das Meeresfchloß,
auf deffen Dachterraffe die Crinität des Glücks und zwar Lu, der Gott der Ehre, Shou, der Gott
des langen Lebens, und Fu, der Glücksgott mit ihren Attributen und begleitet von zwei Knaben
fich ergehen. Auf das Schloß zu fährt durch das Meer, aufrecht in ihrem fchmalen Nachen am
Steuer ftehend, eine Gottheit, wohl die Meeresgöttin, begleitet von einer Dienerin. Ganz oben
in den molken fchwebt HP mang Mu, die von einem Phönix getragene erhabene Königin-Mutter
der Genien mit vier Crabanten.
Es iß fchwierig, wenn nicht unmöglich, das Stück mit Sicherheit zu datieren. Die Darftellung
trägt den Charakter der Mingzeit. Doch wird man das ttlirkbild wohl etwas fpäter, jedoch nicht
fpäter als um 1700 anfetjen müffen. Die Seltenheit derartiger Arbeiten und das Fehlen datierter
Stücke verbietet eine apodiktifche Feßftellung der Entßehungszeit.

813
 
Annotationen