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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Kellner, Otto: Rudolph Czapek
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Martinie, Henri: Pariser Kunstsommer 1924: Ausstellungen Matisse /
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0783

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gefepene Gegenftände fcpauen höhnpd) zu. Am andern Bildrand löft pd) die Kompo-
ption ins Chaotifch-Üferlofe. ünten in der Liefe pept man erleuchtete Fenfter der
Straßenfeite: Symbol dePen, was pd) unpcptbar hinter Vorhängen und Alanden ab-
fpielt; ihr Licht kämpft vergeblich) mit den fahlen, erftorbenen Farben des Verhängniffes
hoch oben in der Dachftube.
Die gewaltige Sprache der Lranfzendenz redet das Bild „Gebirgsland“, eine ppan-
taftifcpe Landfcpaft, darin fid) über einem flußdurchftrömten Cüaidtal, von der Sonne
übergoffen und einer Gralsburg gleich, ein leuchtendes Gletfcpermafpv erhebt. Vor
diefen pd) ins Kosmifcpe weitenden Linien fcprumpft der irdifcpe Ausfcpnitt in der
Liefe zufammen und das Ganze wird zum ficptbaren Ausdruck einer etpifcpen Gipfel-
ftimmung, wie pe Czapek an mehr als einer Stelle feiner „Syntpeps“ napelegt. Ähn-
liche Krap des myftifcpen Scpauens verkünden auch die beiden Schwarz-ÜIeiß-Blätter
„Lefete Stunde“ und „Kreuzestod“: dort ein einfamer Gaft im Sterbezimmer, zwifcpen
Sarg und Lotenbett; auf der Fenfterbank, als eigentliche Hauptperfon, in einem Meer
von Licht ein kleiner Kruzipxus — Kreuz, Lod und Gruft, Hier, auf dem kompop-
tionell höchft eigenartigen Golgathabild, der tote Erlöfer, wie er in einer lebten Demut
pd) an verrenkten Armen weit vornüberbeugt, während im Hintergrund der Blibftrahl
der Vernichtung, Erkenntnis und Reue über die fündige Menfcppeit hereinbricpt.

Parifer Kunftfommer 1924
Äusftellungen Matiffe/Braque/Degas / Guys
Mit drei Abbildungen auf zwei Tafeln Von H. MARTINIE
Das Kunftjahr geht zu Ende: Auf der einen Seite beweift der Salon, wo die „Ar-
tistes Fran^ais“ und die „Societe Nationale“ ihre Belanglopgkeit verbinden, er-
neut, daß die Kunft-Jurys von Jaßr zu Jahr geringer gefcpäbt werden. Qnd der
Salon der Cuilerien mit feinem Gemifd) von unbegreißicher Starrheit und oportuni-
ftifcpem Entgegenkommen ift nid)t dazu angetan, das Anfehen einer zum Glück über-
gangenen Inftitution wieder herzuftellen.
Andererfeits vereinigen einige Privatausftellungen, die lebendigfte Art der Schauftel-
lung, mehrere der beften Künftler: Dunoyer de Segonzac, Henri Matipe, Braque.
Die Ausftellung von Henri Matiffe (Bernheim-Jeune) zeigt uns den Künftler auf
der Höhe feines Könnens. Es ift nicht vorftellbar, daß er über die äußerft ftarken
Effekte hinausgehen könnte, in denen er mit ungetrübtem Glücke fcpwelgt. Man kann
pd) nur wiederholen, wenn man den Glanz diefer Malerei, den Reichtum ihrer ganz
eigenen Harmonie, die Mannigfaltigkeit ihrer Modulationen feftftellt. Niemals erlebte
die Farbe diefe Steigerung. Jedoch weit von jeder gefuchten Kraßheit und Übertreibung
entfernt, beruhigen pd) alle Elemente eines Bildes von Matipe gegenfeitig. Ohne das
Hilfsmittel der ftarken Schatten balanciert die Farbe allein die Farbe aus und verteilt
unfehlbar die Valeurs.
Diefe Kunft, die pd) auf ein krapvolles und zugleid) verfeinertes Emppnden be-
fchränkt, auf die Freude an einer großartigen Vipon, fcpließt naturgemäß jede ver-
ftandes- und gefühlsmäßige Kompliziertheit aus. Innerhalb feiner Grenzen, die er im
übrigen gar nicht zu überfcpreiten verfucht, erregt er berechtigte Bewunderung. Er
vermeidet auch die Klippe der Kompoptionen, die Stil und 3eichnung erfordern, und
bleibt trob all feiner Intenptät bei einer klugen und maßvollen AnpaPung feiner Mittel
an feinen 3wedc.
Ermöglicht diefe virtuofe Begabung eine Erneuerung? (Xlird Henri Matipe eine
andere Quelle der Infpirationen fud)en in dem üüunfd), über pd) lpnaus zu wachfen

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