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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Möbius, Martin Richard: Romantik und Biedermeier
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0530

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Romantik und Biedermeier

Von M. R. MÖBIUS

Mit vier Abbildungen auf zwei Tafeln

nter diefem Eitel vereinigte die Kunftßandlung „Gerftenberger “ in Cßemnits


281 Kun[twerke aus der erften Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer bedeutfamen

Äusftellung, die repräfentativ genannt werden kann, weil durch glückliche Er-
gänzung aus Mufeums- und Privatbefitj eine zureichende Überficht der Epoche zuftande-
gekommen ift. Vor allem ift diefesmal größeres Gewicht auf die 3urammenfaITun9
wichtiger Handzeicßnungen gelegt, die bei weitem mehr von den Kunftabfichten jener
3eit enthalten als die Gemälde, deren malerifche Vollendung äußerft feiten ift. Man
weiß ja, daß der zeicßnerifcße Charakter der romantifchen Malerei eine innere Not-
wendigkeit gewefen ift, daß notwendigerweife die 3aichnang das wefentlicße Äus-
drucksmittel jener Maler zu nennen wäre, (Uas aber der Nachweis diefer inneren Not-
wendigkeit an ftilgefchichllichen Erörterungen fordern würde, das wird überflüffig an-
gefichts der großen Menge wortlos überzeugender Handzeicßnungen, die in diefer
Äusftellung vereinigt find.
Seit Grünewald und Holbein hat cs kaum jemals in Deutfcßland eine einige nationale
Malerei gegeben wie die ßolländifcße im 17. und die franzöfifcße im 18. Jahrhundert.
Das Erbe Dürers, der 3wiefpalt zwifcßen Klaffizismus und Romantik, wirkt durch alle
3eiten, und auch die erfte Hälfte des 19. Jahrhunderts war davon beßerrfcßt. Und
doch möchte man meinen, damals wäre es hier und da fcßon gelungen, einen Ausgleich
zu finden, eine Einigung auf jener Linie, die eine Front gegen den verödeten, entleerten
Klaffizismus bildete. Äm entfcßiedenften und mäd)tigften behaupteten ficß auf diefer
Linie die Runge, Friedrich, Dahl, Blechen und ihre Gefinnungsgenoffen, die getrieben
von einem unbändigen Drange nach Natur, nach unmittelbarer Lebendigkeit und ein-
fältiger Ergriffenheit den klaffiziftifchen Formenkanon hinter fid) ließen und eigenwillig
eine neue Gefetjmäßigkeit der Malerei fucßten. Auch diefe Äusftellung zeigt deutlich,
wie weit diefe Maler hinter ihren eigenen Forderungen zurückblieben, wie weniges von
ihrer Vorftellung wirklich bildlicher Ausdruck geworden ift, fo fehr wir diefen Aus-
druck auch bewundern.
Unter den 51 Gemälden wäre an erfter Stelle die „Felfenfcßlucßt“ von Cafpar David
Friedrich zu nennen, eine Malerei von befter Qualität mit allen befonderen Merkmalen
diefes Malers, der in völlig felbftändiger Naturanfcßauung ein vorausfefeungslofes
Künftlertum entwickelt hatte, Hier hatte ein Einzelner alles das in fid) vereinigt, was
unter Hunderten zerftreut zu keiner Sammlung kommen konnte, verhaltene Leidenfcßuft-
licßkeit und Größe. Hier feilte etwas an, was bei größerer Cragfäßigkeit der 3eti natio-
nale Kunft von großem Ausmaß hätte werden können. Von Philipp Otto Runge, dem
größten Verfprecßen feiner 3ßit, deffen Erfüllung ein früher Cod verhinderte, find die
„Heimkehr der Soßne“ aus der Hamburger Kunftßalle und drei andere Federzeichnungen
ausgeftellt, von Schnorr von Carolsfeld ein frühes Aquarell „Das Gleichnis von den
Äßren“ und von Georg Philipp Schmitt ein Gruppenbild „Der Maler im Kreife feiner
Familie“. Auf die Maler der Familie Schmitt ift man erft letzthin gelegentlich der
Heidelberger Äusftellung aufmerkfamer geworden (ließe Cicerone 1923, Heft 13), auch
diefes Bild rechtfertigt das erßößte Intereffe. Dasfelbe gilt von Ulüßelm von Kobell,
deffen CUerk vor kurzem in München gezeigt worden ift; die hier vereinigten Aquarelle
von feiner Hand haben befte Qualität und befeftigen feinen Ruf aufs glücklicßfte. Er-
ftaunlicß, wie weit diefer Maler bei jeder Gelegenheit fcßon in Gebiete vorftößt, die
erft fpäter durch die europäifeße Malerei allgemein aktuell geworden find. Ein feßr
beachtenswertes Gemälde ift „Eeneriffa“ von Cßriftian Claußen Daßl, nicht nur wegen
des für Daßl ungewöhnlich großen Formats, fondern auch wegen der konfequenten,

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