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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Raeber, Willi: Ein neuaufgefundenes Gemälde von Konrad Witz
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#1096

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Ein neuaufgefundenes Gemälde
von Konrad tüitj

Mit zwei Abbildungen auf einer Tafel

Von W. RAEBER

3er feßr wertvollen, ja ungeahnten Auffcßlüffen über die Entwicklungszufammen-


hänge der fd)weizerifd)en Kunft, brachte die große „Ausftellung von tHitj bis

^ Jodler“ im Salle du Jeu de Paume in Paris vom vergangenen Sommer auch
die Entdeckung eines bislang unbekannten Cafelbildes von Konrad (Hiß. Es ift das
Verdienft des Konfervators der ftädtifcßen Sammlung von Dijon, Mr. Ferd. Mercier,
die Cafel, die als Schenkung eines Dünkircßener Sammlers unter dem Namen des „Jean
de Bruges“ in das Mufeum von Dijon kam, als vermutliches Clerk des Konrad Clits
in die Parifer Ausftellung gebracht zu haben. Dort wurde das Gemälde von vielen
Fachleuten und Kennern unterfucht, und es erwies [ich, daß die 3ufcßreibung abfolut zu-
treffend war; ja noch mehr, man erkannte in dem Klerke, deffen Qualität außerordentlich
ift, einen verlorengegangenen Ceil des Bafler Äitarwerkes von Konrad Küß.
Die Cafel ift m. CD. noch nie publiziert worden; es fei deshalb hier den Abbildungen
das Catfächlicbe über Darftellung, Farbe, Material ufw. beigegeben.
Die doppelfeitig bemalte Bildtafel ift 103 cm hoch und 81,5 cm breit. Die mit Aus-
nahme des fcßlecßt erneuerten Goldgrundes feßr gut erhaltene Vorderfeite zeigt zwei
ftehende, mit erhobenen Gefid)tern aufwärts fchauende Figuren, die man woßl zu
Recht als Auguftus und die Sibylle, die die Erfcheinung des Jefuskindes erblicken,
deutet. Sie fteßen vor einer Bank, die mit einem grünen, rotbefäumten Ceppicß be-
legt ift, darauf fleh zwei Kiffen in kaltem Eifenrot befinden. Auguftus trägt einen in
Licht und Schatten reich abgeftuften, farbig zwifeßen Karmin und Kirfd)rot fpielenden,
weitärmligen, feßweren Mantel, mit chromgelben Brokalmuftern und grauem Pelzbefatj
an den Säumen, tim feine nach vorn und hinten weit ausladende Kopfbedeckung aus
rotem und feßwarzgrünem Cuch legt fieß ein perlenbefetjter goldener Kronreif. Die
rechte Band ist bis zur Bruftßöße erhoben, die linke, als ob fie den von oben ßerab-
ftrömenden Glanz ablenken wollte, fd}ößend über das Geficßt gehalten. — Vor dem
Kaifer fteht die Sibylle in grünblauem Gewände, das um die Fjüften durch ein feines,
rotes Band gegürtet wird. Seine Säume find gold- und edelfteingefchmückt. Ein
flaches, goldenes Diadem, reich mit roten, blauen und durd)ßd)tigen Steinen befet^t
[cbmückt die Stirne. Die Rechte weift empor auf das lüunder, die Linke rafft das
Gewand vor dem Leibe. Die Bimmelserfcßeinung, vielleicht das Chriftkind auf dem
Schoße feiner Mutter fißend, darftellend, ift bei der Erneuerung des Goldgrundes (bei
der auch deffen alte Punzierung verfeßwand) abgekrat^t und zugedeckt worden.
Die Rückfeite der Cafel ftellt einen Bifcßof, wohl den heiligen Auguftinus, dar, in
einem Gemache, deffen weißlichgraue Mauern durch Scßlagfcßatten und helle Reflexe
mannigfach belebt werden, ünter der dunkelbraunen Balkendecke liegen auf einer
kaftanienbraunen Konfole Bücher in blauem und rotem Einband und buntem Schnitt.
Rechts ift eine Cüröffnung mit aufftehender Cüre, links ein Fenfter mit einem Ausblick
in eine abendlich anmutende Landfcßaft. Der Bifcßof in grünem, rotgefüttertem Mantel
mit breitem Goldfaum, weißem Unterkleid und weißen Bandfcßußen fteht vor einer mit
einem dunkelgrünblauen Ceppich behängten Bank, darauf wiederum ein kalt eifenrotes
Kiffen liegt. Auf dem Kopfe trägt er die weiße, mit goldenen, edelfteingefchmückten
Streifen gezierte Mitra; feine linke Band hält den goldenen Bifchofsftab, die rechte ein
Buch mit zinnoberrotem Einband. Eine mandelförmige, goldene Schließe mit der Dar-
ftellung des Gnadenftußles hält den Mantel zufainrnen und ein feiner, dureßfießtiger

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