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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Biermann, Georg: Zum Abschlußdes XVI. Jahrganges
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#1250

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3 u m Ä b f ct> 1 u ß des XVI. Jahrgangs
Die Entwicklung diefer 3eitfd)rift, die feit ihrer Geburt lebendiges RIerden be-
gleitete, ift Spiegelbild des Schickfals, das in nunmehr fed)zel)n Jahren eine
Menfcßßeit erlebt l)at. Der Cicerone, aus kleinen Anfängen heraus und als
Kind jener „Monatshefte für Kunftwiffenfchaft“ geboren, die heute als ftattliches und
Ädßtung gebietendes „Jahrbuch“ weiterleben, hat längft begründeten Ruf in Europa
und über den alten Erdteil hinaus als berufener Führer auf feinem Gebiete. Sechzehn
Jahre haben an diefem Bau gearbeitet, bis er zu feiner heutigen Fjöhe gedieh- Diefe
Spanne bedeutet Fülle von Erlebnis, Äufftieg auch zur Klarheit im Ginblick auf künft-
lerifche Klertung und nicht zuletzt Ausbau des rein Organifatorifchen, der viele Jahre
emfiger Arbeit gekoftet hat.
Dem Herausgeber einer folcher 3eitfdt)rift, der in fid) felbft die gzit als Zierden
empfindet, offenbart fid) das Vergangene nur als Summe wertvoller, wenn auch oft
fd)merzvoller Erfahrungen. Das Fazit aber diefer Catfachen ift Voranftreben, heißt, un-
beirrt, unabhängig und unbefted)lid) ein $[e\ verfolgen, das in fid) nichts anderes will,
als dem urfprünglid)en fchöpferifchen Gedanken, wie er im Vorwort zum erften Fjeft
des erften Jahrgangs klar umriffen war, neue Spannweite geben.
ülir haben viel erreicht von dem, was uns damals vorfchwebte, aber dennod) find
wir heute mehr denn je in der Entwicklung. GCIir haben die fctjweren Jahre des Krieges
überftanden, haben — wie von Anbeginn an — europäifch orientiert, nach dem 3u-
fammenbrud) am Neuaufbau mitgearbeitet, haben uns mit Fjänden und Füßen dagegen
gewehrt, in der Kunft, das heißt im Geiftigen fd)led)thin, um unfer CBollen die engen
Grenzpfäßle nationaliftifcßer Leidenfchaften aufzurichten, weil wir auf die Lehren der
Gefd)id)te horchten und waren unter den erften, die wieder den Anfd)luß an die ÜLIelt
außerhalb unfer es Vaterlandes gefunden haben.
Aber je weiter wir den Radius unferer internationalen Einteilung dehnten, um fo
mehr häufte fid) die Fülle des zu bewältigenden Stoffes. Daß fid) außerhalb von
Deutfd)land und Frankreich, den ach auf Gegenfeitigkeit fo fel)r angewiefenen Nach-
barn, aud) im übrigen Europa ein neuer künftleri jeher Äufftieg vorbereitet, hat unferem
Programm Richtung und Erfolg beftimmt. Aber heute trifft felbft der europäifctje Stand-
punkt nicht mel)r das, was der Kunftfreund allein zu kennen hat. Im fernen Often
find künftlerifche Kräfte am Güerk wie etwa andererfeits in Amerika, Dinge, die der
„gute Europäer“ nid)t mehr überfeheu kann.
Fjinzu kommt, daß aud) im Ginblick auf das „Erbe“ felbft, entgegen der rein euro-
päifchen Orientierung, immer nachhaltiger die Morphologie der Kunft fd)led)thin ihr
Recht verlangt. Die bringt nid)t nur die „Exoten“ — unfeliger Begriff abendländifcßer
Orientierung im Geifte eines bankrotten Rationalismus — zur Geltung, fondern verlangt

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