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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Hürlimann, Martin: Moderne japanische Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0279

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Moderne japanifcße Malerei

Von MARTIN HÜRLIMANN
Mit 10 Abbildungen auf 5 Tafeln

Jefet nocß kann man lefen und ßören, daß die braven Fjolzfcßnitte Fjirofßiges mit
ißrem beträcßtlicßen Einfluß europäifcßer Seßweife den Gipfel und zugleich das
jäße Ende japanifcßer Kunft bedeuteten. Aber fo, wie auf dem Gebiet der
fjolzfcßnitte fid) ein Fjokufei und ütamaro fteigenden Änfeßens erfreuten, ent-
deckte man aucß, daß die Fjolzfcßnittkunft docß nur einen befcßeidenen Geil oftafia-
tifcßer Bildgeftaltung ausmacße und daß die ftärkften Leitungen wie bei uns in der
Malerei vollbracht wurden. Nacßdem das europäifcße Äuge erft einmal fo weit war,
ßinter die fcßeinbare Primitivität und Befcßeidenßeit diefer Fjängebilder und Rollbilder
(Kakemonos und Makemonos) zu feßen, mußte ficß ißm mit einemmal eine neue
Gleit der Kunft auftun. Eine ganze Reiße zum Geil wertvoller einfüßrender Erfcßei-
nungen auf dem neueften Kunftmarkt find die vorläufige Folge.
Glie aber verßält es ficß mit der Cßefe der unrettbaren Degeneration japanifcßer
Kunft, refp. deren bedingungslofer Kapitulation vor der „überlegenen“ europäifcßen
Malart? In Okakuras „Idealen des Oftens“ find einige Künftler der Gegenwart ver-
merkt und es wird ißnen ßöcßfte Meifterfcßaft zugefprocßen. Gier jene, in unferem
modernen Kunftbetrieb nicßt eben feltene Enitäufcßung fcßon erlebt ßat, die ficß bei
Beficßtigung irgend eines durcß großwortige, ficß pßiiofopßifcß gebende Einfühlung emp-
fohlenen Glerkes einftellt, ßat Grund zu einer gewiffen, wenn aucß nicßt unbedingten
Skepfis gegen folcße Verficßerungen. Da man aber die Dinge im vorliegenden Falle nur in
Japan, allenfalls aucß in Amerika, nacßprüfen kann, muß ficß freiließ der Lefer wieder
mit Verficßerungen begnügen, denen nur einige unzureichende Klifcßees beigefügt wer-
den können.
In Japan felber darf man, um erftklaffige Dinge zu feßen, nicßt in die Kunft-
ausftellungen geßen. Deren dureßfeßritt icß eine ganze Reiße (die Kataloge der offi-
ziellen Äkademieausftellungen vermitteln etwa die entfpreeßenden Eindrücke), um darin
alle Übergangsftadien von japanifcßer Aquarellmalerei bis zum feßweren Ölbild zu
konftatieren und jenen unbeßaglicßen Eindruck davonzutragen, warum nun eigentlich
diefe gewiß reeßt tücßtigen Bilder alle gemalt worden feien, ünd man muß die Pro-
dukte unferer Verwiffenfcßaftlicßur.g der Kunft doppelt fcßmerzlicß empfinden in einem
Lande, das die feßönften Stücke der erdentbundenften, in göttlicher Improvifation auf-
gelöften Malerei befi^t (wenn aucß gerade die bedeutendften darunter meift aus Cßina
ftammen). Scßon rein materiell ßaben diefe europäifierenden Maler auf die falfcße
Karte gefegt, da niemand in Japan ißre Bilder kaufen will; denn der Gefcßmacksfinn
läßt den Japaner keinen Moment darüber im 3weifel, daß ficß diefe feßwergeraßmten
Ölgemälde wie provozierende Fremdkörper in feinen zierlicßen Räumen mit den fein-
geßoeßtenen Matten und den federleichten Schiebewänden ausneßmen würden. Aber
aucß die Mufeumskunft „fürs Volk“ wird dafür kaum Erfatj bieten, obwoßl in Kyoto,
Nara und Cokyo bereits einige wunderliche Gempel diefer Gattung — bezeießnender-
weife ausgereeßnet im grieeßifeß-amerikanifeßen Marmorftil — erftanden find, wo ficß
ßinter Glasfcßränken mit jonifeßen Pilaftern die zarten Gebilde einer Fjauskunft in des
Glortes vorneßmfter Bedeutung aufgeftapelt finden. Selbft Okakura feßeint mir ßier
den von Grund aus ariftokratifeßen Cßarakter oftafiatifeßer Kunft zu verkennen, wo
das Mäzenatentum keineswegs eine Einengung, fondern im Gegenteil reeßt eigentlich
eine Entbindung bedeutet. Selbft die von Okakura befonders erwähnten Meifterwerke,
die Befife der kaiferlicßen Akademie zu Cokio find, muß man ficß von den Fjerren
dafelbft auf befonderes Erfucßen, dem mit all der Liebenswürdigkeit eines japanifeßen
Gaftgebers naeßgekommen wird, ßerbeifcßleppen und aufßänaen laßen, um fie fo durch-
aus als Privatmann genießen zu können. Aucß zu Bofton und Glafßington tut man
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Der Cicerone, XVI. Jal)rg., Fjeft 6

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