Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

DOI Artikel:
Eberlein, Kurt Karl: Corinth als Zeichner
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0636

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DER G R A P H I R S A M M L E R

Unter der Leitung von Dr. ERICH WIESE, Breslau V

Von K. K. EBERLEIN
Mit sechs Tafeln


Corinth als

ir glauben Lovis CorintI) zu kennen, den Maler, den Graphiker, den Schrift-


fteller. (üir haben [eine Entwicklung miterlebt und verfolgen [ie noch in [einem

" " unerhörten Älters[til, der alles frühere zu überfteigen fcheint. Doch hatten wir
den Seifner vergeffen. IHir kannten die wenigen 3eici)nungen, die Klein in [einem
Corinthheft, die Biermann in [einer lehrreichen Knackfußmoriographie, die Scpeffler in
„Kunft und Künftler“, die Corinth [elbft in gefammelten Schriften veröffentlicht hatten.
IHir kannten [eine Radierungen und Lithographien, aber wir kannten die 3eidt)-
nungen nicht. Nun hat uns Biermann in der Reihe von Ärnolds graphifchen Büchern
als neueften Band die 3ei(hnungen Corinths gefchenkt1 und hat [ich dadurch ein
neues Verdienft erworben, für das wir ihm zu danken haben. Dadurch lernen wir
einen neuen Corinth kennen, den 3eichner, und fühlen uns entfchieden überrafd)t
und bereichert. (£Iir fchauen zugleich in die ÜUerkftatt des Malers und glauben nun
erft die erftaunliche Entwicklung diefes eigenartigen Menfchen überblicken zu können.
Biermanns Äuswahl ift vortrefflich, und der Verlag hat auch dies Buch wieder vor-
züglich ausgeftattet. 11 Cextabbildungen und 86 Cafeln, durch ein anregendes Vor-
wort eingeleitet, zeigen uns Blätter aller Art und Cechnik, Naturftudien, Kompofitionen,
Einfälle, Entwürfe für Lithographien und Radierungen. Selten, daß ein Blatt als Selbft-
zweck erfcheint. Aus der Fülle des öüerkmaterials ift hier eine reiche Ausbeute, wie
fie Mappen und Schränke bewahren. Verfuchen wir alfo unfere Betrachtung zufammen-

zufaffen.

Corinth hat uns [elbft in einem kleinen Auffatj [einer Gefammelten Schriften erzählt,
wie er das Radieren lernte, und wie ihn plötzlich eine Leidenfchaft für die Linie er-
faßte, nachdem er [o ganz der Farbe gehört hatte. Otto Eckmann in München, dann
Fjermann Struck in Berlin waren die Reifer und Berater des jungen Graphikers, der es
mit dem Seinen fcßwer hatte. Schon in der Parifer Malfchule hatte ihm Bouguerreau
vorgeworfen — „mais ce n’est pas bien dessine“, womit gefagt war, daß diefer be-
gabte Deutfche nicht [chulgerecht, nicht akademifch, nicht naturtreu zeichnen könne.
3war zeigen uns einige Modellftudien aus der Königsberger und Parifer Malfchule und
aus den Münchner Jahren, daß er auch dies konnte und er erzählt [elbft, wie er mit
[pitjem Bleiftift unerbittlich in Berlin für den feltfamen Radierungszyklus „üragikomö-
dien“ die Modelle [tudiert und gezeichnet habe. Aber es war nicht [ein {Hefen, nicht
[ein Gefetj, [o zu zeichnen, und der Maler in ihm war zu ftark, um diefe reine Linien-
überfe&ung weiterzutreiben. Er hat natürlich immer wieder für [eine Gemälde Modell-
ftudien gezeichnet, und wir finden in dem vorliegenden Band die Studien zur Pieta,
zur Verfügung des hl- Antonius, zur Geburt der Venus, zur Kreuzigung, zur Grab-
legung, zur Jugend des 3eus u. a. Aber immer find es zugleich Licht- und Conftu-
dien für das Bild und für die Farbwerte. Es find Malerzeichnungen. Die reine Linie,
die reine Linienzeichnung finden wir [eiten, immer den Conwert, die Conwertzeidrjnung,
die bis an das graphifche Bild getrieben wird, ünd nun das Seltfame: Crotjdem [ich
der Künftler der Erfcheinungsform [o [ehr verpflichtet, trotzdem er die Natur und ihre
Conwertplaftik [o genau erforfcht, kommt er durch [eine eigene [tarke Perfönlichkeit
zu einer Linienkunft, zu einer Fjandfchrift, dm in ihren reifften Schöpfungen das 3ei<hen,
das Kunftzeichen, alfo die (Xlefensform der Erfcheinung geftaltet. Man denke nur an
1 Georg Biermann. Der 3eid)ner Lovis Corinth. Ärnolds graphifche Büdjer. 3weke
Folge. Band 5. Verlag Ernft Ärnold. Dresden 1924.

612
 
Annotationen