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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0488

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DIE ZEIT UND DER MARKT

Sammlungen
Die mittelalterliche Abteilung der
Altertümerfammlung im Stuttgarter
Neuen Schloß
Rafdjer als felbft die Fjoffnungsfreudigften er-
warteten, bat wenigftens fchon einmal ein be-
trächtlicher Ceil der Kunftfchälje der Staatsfamm-
lung württembergifcber Altertümer eine Ulieder-
auferftehung aus traurigem Rumpelkammerdafein
erlebt. Nach langem hin und her gelang es
endlich, 22 Räume im Dachgefchoß des Neuen
Scblojjes frei zu bekommen, und dort find die
mittelalterlichen Bestände zu Oftern der Allgemein-
heit wiedergefcbenkt worden, ttlirklich gefcbenkt.
Denn Mittel ftanden für die Neuaufteilung „na-
türlich“ nicht zur Verfügung, fo daß es von
Staats wegen weiter und wohl noch lange beim
Alten geblieben wäre, hätten (Ich nicht Direktor
Dr. Bucbbeit und feine Mitarbeiter Dr. Chrift
und Dr. Schmidt eigenhändig mithammer, hobel
und Säge, Pinfel und Farbtopf ans CUerk ge-
macht, alles, aber auch alles felbft herzurichten.
So hat das Ganze für die vielen Recbenkünftler,
die die für wiffenfcbaftliche Arbeit unwieder-
bringlich verloren gegangene 3eit und Kraft
gleich Null fetjen, nur M. 92,77 gekoftet. Diffi-
cile est satiram non scribere! Um fo mehr ver-
dient das, was unter folcben Umftänden geleitet
worden i(t, höchfte Anerkennung. Abgefeßen
von einzelnen nur zu begreiflichen Dürftigkeiten,
denen im Laufe der 3eit mit I)ilfe der zu er-
wartenden Einnahmen leicht abgeholfen werden
kann, ift es über die Erzielung eines durchaus
würdigen Gefamteindrucks hinaus gelungen, je-
den der fchlichten Räume, auch da, wo die Raum-
verbältniffe von Natur aus wenig günftige Be-
dingungen boten, zu einem böcbft geeigneten
Rahmen der in ihm untergebrachten Kunftwerke
zu machen. Vor allem fcbaffen die mit pcherem
Gefcbmack getönten und bald braun, bald irgend-
wie blau oder grün gehaltenen CUände unmerk-
lich die jeweils rechte Stimmung. Kluge Aus-
wahl des Dargebotenen hat weiter alle verwir-
rende Fülle ausgefchaltet und feines Gefühl dazu
allenthalben das Befte ins volle Licht gerückt.
Und fo erkennt man voll Erftaunen, Schritt für
Schritt wirklich genießend, zum erften Male ganz
den ungeheuren Reichtum der mittelalterlichen
Abteilung an künftlerifcben Lüerten, von dem
man bisher recht eigentlich nur aus den ja üb-
rigens auf die Plaftik und die Glasgemälde be-
fchränkt gebliebenen amtlichen Publikationen
eine Ahnung mehr als ein Bild zu gewinnen
vermochte. Auf die einzelnen Räume nach ftil-
gefchichtlichen und weitmöglichft auch nach land-
fchaftlichen Gefichtspunkten verteilt und in 3U~
fammenhang gebracht, vermitteln die Beftände

jetjt in ihrem Nebeneinander und in ihrer Auf-
einanderfolge eine einprägfame Gefamtvorftel-
lung von Kunft und Kultur im Schwabenlande
bis in das 3eitaltor der Renaiffance hinein. In
ihm, dem die beiden lebten Säle eingeräumt
find, finden die vielfältigen Entwicklungslinien
ihren Abfcßluß, deren reiche Anfänge die Kunft
des 12. und 13. Jahrhunderts in den befonders
ftimmungsvollen beiden erften Räumen vor Augen
führt. Die vier folgenden 3immer zeigen vor-
nehmlich die Gefchichte der gotifchen Plaftik
bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts. Daran fchließt
fich das wirkungsvolle Gefamtbild der Kunft-
fchöpfungen der Gegend von Fjäll aus der zweiten
Fjälfte des 15. und vom Anfang des 16. Jahr-
hunderts. Und nach einem unterhaltfamen hifto-
rifchen Intermezzo von Bildniffen, Stammbäumen
und Ahnentafeln der württembergifchen Fjerzöge
folgen entfprechende Sammeldarbietungen der
Kunft Alt-CUürttembergs und insbefondere Stutt-
garts fowie ferner des fchwäbifchen Franken-
landes. Von den nun eingefchalteten Abteilungen,
die das mittelalterliche kirchliche Schwaben, die
fchwäbifche Ritterfchaft und das fchwäbifche
Bürgertum veranfchaulichen, wird bei dem hier
noch zu ergebenden 3uwachs die letjtere glück-
lich auf die mächtigen Eindrücke vorbereiten,
die der fchönfte und größte Raum, der Ulmer
Saal, vermittelt. Oberfchwäbifche Kunft, deren
Bild bayerifche Plaftik aus den erften Jahrzehnten
des 16. Jahrhunderts abrundet, fchließt den Kreis
des Rundblicks über die allenthalben im Schwa-
benlande bei Anbruch der neuen 3eit voll Selb-
ftändigkeit und Eigenart fchaffenden Kräfte, der
zeigt, welche Blüte den inneren und äußeren
Stürmen der Reformation und ihrer Folgen zum
Opfer fiel, Fjoffentlich gelingt es, nun auch bald
Buchheits Mufeumspläne weiter- und zu einem
glücklichen Ende zu führen, und fördert die Er-
kenntnis vom CUert feiner bisherigen Schöpfung
bei den amtlichen Stellen wie in weiteften Kreifen
der Allgemeinheit die in Württemberg im Gegen-
fatj zu anderen deutfcßen Staaten offenbar kaum
erft dämmernde Einpcht, daß Mittel, die man
für die öffentlichen Sammlungen aufwendet, pch
um fo reichlicher verzinfen, je weniger man
feilfcht. J.
Monumente und Sammlungen in
ümbrien
In Foligno find in der lebten 3ßit die Säle
des Obergefchoffes des Palazzo Crinci in ihrer
alten Form wiederßergeftellt worden, indem
man die in halber Fjöhe der Räume eingezogenen
Decken entfernt hat. Die Arbeiten find noch
nicht abgefcbloffen, werden aber, einmal voll-
endet, Umbrien um ein wichtiges Kunftdenkmal
bereichern. Die Lage der in Frage kommenden
Räume ift die, daß pch an die allgemein be-

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