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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Graber, Hans: Ferdinand Hodler
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Wolfradt, Willi: Johann Erdmann Hummel (1769-1852): (gelegentlich eine Ausstellung in der Berliner Nationalgalerie)
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0724

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die Unendlichkeit“ ift keine eigentliche Neufchöpfung. Verwandte Figuren kommen
fd)on früher häufig vor. Das letzte und vielleicht ftärkfte diefer großformatigen Alters-
werke ift wieder ein ßiftorienbild, die „Schlacht bei Murten“: ein großer, bewegter
Ulurf, der aber ebenfalls an „Marignano“ und „Jena“ nicht heranreicht. Über diefem
CUerk (1917/18), das die Gegenwand zum Marignanofresko im 3ürcl)er Landesmufeum
fchmücken follte, ftarb der Künftler. Vollendet wurden nur zwei Kartons. 3ahlreidhe
andere Monumentalaufträge konnten nicht einmal begonnen werden.
Äls Ferdinand Hodler am Pßngftfonntag des Jahres 1918 im Alter von 65 Jahren
ftarb, da hatte er trotj feiner ungewöhnlichen Entwicklungsfähigkeit fein Beftes, fein
Ulefentliches gewiß gegeben. Es war il)m befrieden, im vollen Glanze feines Ruhmes
und mit der Genugtuung zu fterben, der Begründer und größte Repräfentant einer
national fchweizerifcßen Kunft zu fein.
Nachwort des Herausgebers. Die Genehmigung zur Gliedergabe der Hodlerfd)en Glerke
erteilte in entgegenkommender deife der Verlag von Rafdjer & Co. in 3üricb, wofür ißm aud)
an diefer Stelle gedankt fei.
Joßann Erdmann Hummel (1769—1852)
(Gelegentlich einer Äusftellung in der Berliner Nationalgalerie)
Mit zehn Abbildungen auf sieben Tafeln Von WILLI WOLFRADT
Es gibt fo etwas wie einen Raufd) der Nüchternheit, eine intrikate Unerfättlid)keit
der Pedanterie, eine Art von Extravaganz der Sachlichkeit. Es gibt einen Rea-
lismus, der verdrängte Romantik, zurückgefchlagene Pljantaftik ift, — eine Hyper-
ausführlichkeit, die ins unendlich Kleine pervertierte Cranfzendenz ift. Diefe paradoxe
Komplikation, die uns zumal heute durch gewiffe Erfcheinungen innerhalb der jüngften
Kunft, fchwärmerifch-zynifche Verismen und zugefpi&t objektiviftifche Konftruktionen
der Moderne unmittelbar vor Augen geführt ift, hebt einen allzu einfachen Begriff
pragmatifcher Ulirklichkeitstreue auf, wie man ihn gerade zur Charakterißerung der
Berliner Malerei bereit zu halten pflegt. Man hat nicht nur das Befondere einer künft-
lerifchen Manifeftation nicht erkannt, folange man ihren ttlahnwitj überßeht, — man
hat damit zugleich die entbanalißerende Mifßon, den fchöpferifd)en Sinn jeglicher Ge-
ftaltung ignoriert. Gewiß ift es verfehlt, das Mufeum als pfyd)iatrifches Archiv zu
interpretieren und den Künftler klinifd) zu beftimmen, — noch weniger aber follte
Kunftwiffen fiel) dabei begnügen, die innere Vielfd)id)tigkeit der Phänomene auf eine
mit kurzer Vokabel deßnierte Normalität zu reduzieren, deren Auflaffung und Infrage-
ftellung doch gerade der Endzweck aller Kunft ift. Klar es lange 3^it felbftverftänd-
lid), eben Realismus als völlig eindeutiges Verhalten, als in fid) nicht weiter diffe-
rente Beziehung zum Gegebenen aufzufaffen, fo erweifen fid) uns heute plötßid) dia-
lektifd)e, ekftatifche, tropifd)e Möglichkeiten, unvermutet indirekte und fubkutane Be-
ftimmungen diefer fcheinbar fo glatten und unabenteuerlid)en Einftellung. In diefem
Augenblick fällt dann aud) neues Lid)t auf einen Künftler wie Johann Erdmann
Hummel, diefen hoch ft merkwürdigen Fanatiker der Reßexe und Perfpektiven. —
Man kennt Hummel von der Jahrhundertausftellung und aus Berliner Mufeen, vor
allem als den Verfaffer mehrerer Aufnahmen der je^t vor dem Berliner Alten Mufeum
poftierten Schinkelfd)en Granitfchale während ihrer 3ufd)leifung und Aufftellung. Man
hat ßd) woßl von feiner biedermeierlid)en Korrektheit und gravitätifdßen Einzelbeob-
achtung einfangen laßen und in den ja gleichfalls nid)t unbekannten Schilderungen des
Sd)ad)fpiels bei Kerzenlicht und des Modemagazins an der Schloßfreiheit den fitten-
bildlichen Reiz vormärzlicher Lebensftimmung und die Pikanterie honetter Exaktheit der
Aufzeichnung gekoftet. Doch erft aus der Fülle von weiteren Gemälden, Entwürfen,

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