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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Graber, Hans: Ferdinand Hodler
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0723

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entftehen, die nun meift einheitlicher und Sicherer find als das „Gurnerbankett“. Das
bedeutendfte ift der „Schwingerumzug“. Ein leidenschaftlich bewegter 3ug tritt auf.
Das klaffifche Beifpiel ift das „Mutige ttleib“. Mit der „3wiefprad)e mit der Natur“
vom Jahre 1886 kommt dann ein neues Element in die Kurift Fjodlers, ein gleichfam
philofophifches Moment nämlich. Der Künftler [djildert jefet mit Vorliebe den Menfd)en
in feiner pfgd)ifchen Beziehung zur Natur. Die Äbficht geht nun über das unmittel-
bare Bildthema hinaus. Die Bilder bekommen eine Ärt fymbolifcher Bedeutung. Das
erfte große Hauptwerk diefer Richtung ift die „Nacht“ (1890—1891), ein Symbol der
Nachtruhe, des Schlafes in Variationen, je nach Gefd)led)t und Ärt der dargeftellten
Menfchen. Auffallend ift die ausgefprochen plaftifche Behandlung der Figuren. Das
Paralleliftifche und Monumentale, das in der „Nacht“ lebt, lebt auch in den darauf-
folgenden Kompofitionen, in den „Enttäufd)ten“, den „Lebensmüden“, der „Eu-
rhythmie“ ufw. Das Kolorit wird nun immer heller und ftärker, das 3eichnerifche, die
Linie, der Kontur, die Silhouette werden von primärer <XIid)tigkeit.
Einen Markftein im Schaffen Fjodlers bedeutet dann die Ende der neunziger Jahre
entftandene „Schlacht bei Marignano“ im öüaffenfaal des Landesmufeums in 3ürid).
Diefes UIerk darf füglich als ein neuer Cypus des monumentalen ßiftorienbildes be-
zeichnet werden. 3um erften Mal ift hier bei einem Fjiftorienbild das fjiftorifche auf
das abfolut Notwendige befchränkt, ift die ganze Szene vor einen einfachen, neutralen,
zeitlofen Grund geftellt. Das ganze Gefchehen wird in möglichft wenige Geftalten kon-
zentriert, in diefe aber eine außerordentliche Energie und Intenfität der Aktion, des
Ausdrucks gelegt. Dadurch ift eine ftärkere tllirkung erreicht als es durch viele Figuren
möglid) wäre. Notwendigerweife find die wenigen Geftalten in der Bewegung ge-
fteigert. Die ganze Kompofition ift ftreng, rhythmifiert, paralleliftifd). Die Klarheit,
Einheitlichkeit und Flucht der Gefamtwirkung wird dadurch erhöht. Das gleiche gilt
für den mehr friesartig behandelten „Aufbruch der Jenenfer Studenten“. Auch hler ift
die Einzelfigur, die Einzelgruppe betont — absichtlich — noch ftärker fogar als beim
3ürd)er Bild.
Unmittelbar nach dem „Rückzug von Marignano“ entfteht der „Gag“. In ihm er-
fcheint der neue Stil Fjodlers voll ausgebildet. Alles Gonige, alles etwa noch Braune,
Dunkle der frühem 3eit ift verfdjwunden. Das ßnnlich Schöne des Kolorits, der lebte
Reft des Malerifchen wird geopfert. Fjell, [tark, ungebrochen find nun die Farben.
Die Linie, der Kontur und die Fläche dominieren. Das Räumliche ift auf das Notwen-
digfte befchränkt. Die Landfchaft wird zur Folie für die Figuren. Die „philofophifch“-
fymbolifchen Ehernen fpielen jefet die Hauptrolle in Hodlers Schaffen. Es entftehen
„Der Auserwählte“, „Die Empfindung“, „Jüngling vom öüeibe bewundert“, „Die hei-
lige Stunde“ und zahlreiche andere verwandte Bilder. Nicht immer ift der Künftler
dabei der Gefahr einer allzu gedanklichen Konftruktion entgangen, fo vor allem nicht
in dem großen Glerk „Die ttlahrheit“ und im „öüeg der Auserwählten“. Neben den
Monumentalgemälden entftehen zahlreiche kleinere: ftruktive, tektonifch gebaute Land-
fdrjaften von heller, klarer Farbe und wirkfamfter, dekorativer Haltung, ferner charak-
tervolle, ftark plaftifch wirkende, rhytl)mifch gut ausgewogene Porträte und Einzelfiguren.
Von der im Jahre 1910 beginnenden, in mancher Fjinficht nicht fehr erfreulichen
Periode Hodlers (Holzfäller, Mäher u. a.) war fchon die Rede. Aber auch in diefer
kritifchen 3eit hat fidt) der Maler dank feiner außerordentlichen künftlerifchen Vitalität
weiterentwickelt. Doch mehr in den kleinern Bildern — in den Einzelfiguren, Por-
träten und Landfchaften — als in den großen, mehrfigurigen Ulerken. In den letjtern
tritt eine gewiffe Ermüdung auf. Der Altersftil beginnt. Er dokumentiert fidt) fchon
in dem 1913 vollendeten dritten monumentalen Hiftorienbild, dem Gemälde im Rathaus
in Hannover. Es ift nicht fo ausgereift wie das Marignano- oder Jenabild, auch we-
niger fchöpferifd) in der Erfindung und in der paralleliftifchen Kompofition äußerlicher,
geteilter. Auch das feßr umfangreiche fflerk der Jahre 1915 und 1916, der „Blick in
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