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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Schacht, Roland; Huf, Fritz [Gefeierte Pers.]: Fritz Huf
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0529

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dem Dunkel. Es gibt Kopfe von Fjuf von einer unbefdjreiblictjen Anmut, ganz naiv
aufgenommen, aber ftreng und kontraftreid) durchgearbeitet, die man, ohne damit irgend
eine Abhängigkeit anzudeuten, mit gewiffen Schöpfungen oberitalienifcher Renaiffance,
Majano oder RolJellino, vergleichen kann. Man pflegt dergleichen in intellektuellen Kreifen
wegwerfend mit füß zu bezeichnen, aber ift nicht auch Süßigkeit ein Ingredienz des
Lebens felbft? Auf der andern Seite ftehen dann jene Jünglingsfiguren, der „Empor-
flauende“, der „Stehende“, der „Fjockende“, die man am einfachen als exprefponiftifd)
bezeichnen kann. Es überrafcht aber zu fehen, wie ein fo junger Künftler in folgen
Vorwürfen alles Literarifdje beifeite läßt und fogleid) auf das Kiefen der Sache dringt.
Sie find nicht im mindeften „lyrifch“ empfunden, fondern reine Refultanten einer Kon-
ftituierung, Charakterifierungen einer Körperempfindung. Sie tragen die Fjandfd)rift des
Conbildners, um deutlicher als Funktion einer Elementarbewegung empfunden werden
zu können.
Klie fehr der Künftler auf das Elementare der Bewegung aus ift, zeigen zwei weitere
Figuren: die Sitzende und die Ruhende. Die bemerkenswert [d)ön patimierte Sitzende hat
man gelegentlich der Februar-Ausftellung bei Paul Cafprer tadelnd ägyptifd) genannt.
Sie hat mit Ägyptifchem nicht mehr als eine reine fchematifche Äußerlichkeit gemein, die
darauf beruhen mag, daß der Künftler eben mit Einfachem anfing. Das Einfache aller-
dings ift immer das Scpwerfte. Fjier fchlägt das Klerden, das Funktionelle durch, eine
innere Spannung, auf die nicht verzichtet werden konnte, um den Eindruck der Studien-
figur zu meiden, die aber dem Ganzen unvermeidlicherweife etwas Unbeherrfchtes, be-
drohlich Gegenftändliches gibt. Crot} beträchtlicher Schönheit im einzelnen (das Anfetjen
der Schultern, das Aufpt$en des FJalfes, die Behandlung des Rückens) wird fühlbar, daß
das Erlebnis zur Bewältigung der Aufgaben noch nicht ausreichte.
Lebendiger ift die Ruhende, die man fich weniger als Monument denn etwa als Garten-
pgur denken muß. Auch pe mit toten Stellen, ja nicht einmal warm zufammengefaßt,
mit den einzelnen Motiven noch vereinzelt wirtfchaftend. Aber wie finnlid) reizend,
wie aufwachend, v/ie hübfch der ftütjende Ellbogen und die leife Fjumorigkeit der fich
gegeneinander verfdjiebenden Kniee. Die fchönen 3^ichnungen des Künftlers laffen er-
kennen, in welche Richtung diefes Klerk weift. Kür könnten auf diefe Kleife wieder
zu wirklich fcpmückenden Schöpfungen kommen (was nicht dasfelbe ift wie dekorativ).
Aber mächtig drängt dann doch wieder das Lateinifche zur Geftaltung des Seins und
zwar des großen, des monumentalen Seins. Einmal ift Fjuf dies voll gelungen: in jenem
überlebensgroßen „Kleiblichen Corfo“. Man hat dies Klerk, fei es aus Vorurteil, fei
es unter dem ungünftigen Eindruck des Gipfes akademifch genannt. Das wäre an pch
kein Unglück, denn auch auf Akademien pnd ja Calente gewachfen. Aber man über-
fah doch wohl, daß der Künftler hier große Form wollte. Groß wieder nicht im Sinne
einer literarifchen Erhabenheit, fondern jener Lebendigkeit, die 3umpchausfprechen nicht
ein menfchlich in vielen Facetten Vibrierendes, fondern die einfache Fülle der Vollendung,
der inneren wie äußeren Gefcbloffenheit braucht. F)ier wird nicht gefeilt, fondern zu-
fammengefaßt, doch fo, daß die Einfachheit nichts Klefentliches ausläßt und innerhalb
einer großzügigen aber lebensvoll geftrafften Kontur, die die gleiche Linienemppndlich-
keit aufweift wie die 3eid)nungen des Künftlers, ein Unendliches aber klar Beperrfchtes
an Formeninhalt zuläßt. Kler gegen die pnnliche Fülle diefes Klerkes blind ift, dem
ift nicht zu helfen.
Soll man, einem effektvollen Schluß zuliebe, eine Prophezeiung wagen? Ich glaube,
es ift nicht nötig. Die 3ukunp eines Künftlers hängt von fo vielen Dingen ab, die
niemand vorausfehen kann. Man ftelle ihm Aufgaben. Fjandwerk will was zu ver-
ftehen haben. Ich glaube, daß eine Reihe konkreter Aufgaben den Künftler fördern
würde. Man ftelle fie ihm. Es ift unfer aller Sache.

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