und fid) zu befreien — aud) von feinem Erfolge? Wird es ißn danach verlangen,
den Eon feiner Farbenklänge zu dämpfen? Bis jefet hat er wundervoll ftark und
richtig gefungen, jedod) feine gleichmäßige, glanzvolle Kraft wirkt etwas monoton.
Selbft feine Bewunderer wünfcßen fid) mitunter etwas mehr Stille und Diskretion. Sie
find überzeugt, daß er immer nod) Fjenri Matiffe bleiben würde. Und — Carufo fang
mit einer unvergleichlichen Stimme, und deshalb bedauerte man um fo mehr, daß er
fo Unbedeutendes fang.
Wie die Dichtung des Victor Bugo, allzu andauernd bewußt und tönend, am Ende
die intime Dichtung eines Baudelaire und Verlaine erweckte, fo fteigert die Malerei
des Benri Matiffe, die — man möchte fagen — allzu gemalt ift, den Genuß an der
Kunft eines Georges Braque. Diefer Künftler zeigt uns eine intime Poefie mit ge-
dämpften Barmonien gleichfam in Molltönen, eine jugendliche und ernfthafte Feinfühlig-
keit, eine Mufikalität im fcharfen Kontraft zu allem Überlauten und Derben.
Früchte des Äckers, Bausgeräte bilden gewöhnlich die Ehernen feiner Kompofitionen,
die immer in einer eigentümlichen, fehr länglichen Bildform eingefchloffen find. Äuf
einer außerordentlich befchränkten Palette herrfchen ein zartes Grün, das man „Braque-
Grün“ nennen könnte, ein gehaltenes Schwarz, ein nuanciertes Rot vor: Dies find die
technifchen und fruchtbaren Elemente des Werkes von Braque. Die genügen, um ihn
zu kleinen Bildern anzuregen, deren dekorativer Reiz fleh unwiderftehlich dem Be-
fchauer in die Seele fchmeichelt.
Ich weiß nicht, ob fleh der Künftler, wie einft Puvis de Cßavannes, darum forgt,
daß „ißn die Wand nicht verfchlinge“, aber feine Bilder ftehen wundervoll zur Wand.
Es wird fogar mitunter behauptet, daß er fähig wäre, große Flächen mit Erfolg aus-
zumalen. Doch dies ift eine andere Frageftellung: Wäre Georges Braque, der, um
einen Ausdruck von Maurice Raynal zu zitieren, höchft reizvolle Sonaten komponiert
hat, auf feinem eigenften Gebiete in der Symphonie, die das Wandgemälde darftellt?
Es ergeben fid) dort Notwendigkeiten der figürlichen Kompofition, des Stils und der
3eid)nung, denen fleh das Ealent von Braque vielleicht nicht anpaffen würde. Die
{Handmalerei erfordert eine objektive Kunft, die die Form bei der Wiedergabe durch-
aus bejaht. Nun beeinflußt Braque die Form, ftatt pd) ihr zu unterwerfen, wie es
Cezanne tat. Die Äßhetik feiner Kunft würde man leicht bei den Symboliken finden,
die vielleicht noch mehr als wir feine Gabe, die Wirklichkeit in eine gewollte Un-
beftimmtheit der Darftellung zu entrüdeen, geliebt hätten. Jedenfalls würde der Ver-
fud) lohnen.
Wie wir ihn kennen, bleibt Braque ein Künftler des Dekorativen in h°her Qualität,
der im Schmuck des intimen Lebens fein Böd)ftes leiftet. Ein Bild von ihm ift nie
ein Eindringling; feine Diskretion, fein Streben nach Unaufdringlichkeit, die Sicherheit
und Feinheit feines Gefd)macks verfchaffen ihm fofort unfere freundfd)aftliche Ächtung
und eine herzliche Aufnahme im Beim.
Die neue Ausftellung der Werke von Degas (Galerie Georges Petit) bedeutet in ihrer
glücklichen Auswahl und Vielfeitigkeit eine vortreffliche Rid)tigftellung, man möchte
fagen, die Revifion eines Werturteils.
3uerft verfemt fie den Künftler wieder auf feinen Platj an erfter Stelle um der her-
vorragenden Qualitäten feiner 3eid)nung willen. Geht man mehr ins Allgemeine, fo
zeigen einzelne Werke der Ausftellung deutlich, von wem das Gefd)lecht der Klaffiker
nach Ingres ganz authentifd) abftammt.
Die 3eid)nungen von Degas, die zuerft von der 3cid)nung des Meifters von Mont-
auban angeregt waren, erlangten bald eine unvergleichliche Kraft der Wahrheit, die fid)
in voller Freiheit auf einem ganz neuen Beobachtungsfelde auswirkte.
Die Schärfe der Beobachtung, die die 3eid)nung von Degas erkennen läßt, mad)t
ihn zum echten Impreffioniften. Das ift zuerft nicht ganz einleuchtend, wird es aber
fofort, wenn man einfieht, daß es fid) um einen Impreffionismus der Linie handelt.
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den Eon feiner Farbenklänge zu dämpfen? Bis jefet hat er wundervoll ftark und
richtig gefungen, jedod) feine gleichmäßige, glanzvolle Kraft wirkt etwas monoton.
Selbft feine Bewunderer wünfcßen fid) mitunter etwas mehr Stille und Diskretion. Sie
find überzeugt, daß er immer nod) Fjenri Matiffe bleiben würde. Und — Carufo fang
mit einer unvergleichlichen Stimme, und deshalb bedauerte man um fo mehr, daß er
fo Unbedeutendes fang.
Wie die Dichtung des Victor Bugo, allzu andauernd bewußt und tönend, am Ende
die intime Dichtung eines Baudelaire und Verlaine erweckte, fo fteigert die Malerei
des Benri Matiffe, die — man möchte fagen — allzu gemalt ift, den Genuß an der
Kunft eines Georges Braque. Diefer Künftler zeigt uns eine intime Poefie mit ge-
dämpften Barmonien gleichfam in Molltönen, eine jugendliche und ernfthafte Feinfühlig-
keit, eine Mufikalität im fcharfen Kontraft zu allem Überlauten und Derben.
Früchte des Äckers, Bausgeräte bilden gewöhnlich die Ehernen feiner Kompofitionen,
die immer in einer eigentümlichen, fehr länglichen Bildform eingefchloffen find. Äuf
einer außerordentlich befchränkten Palette herrfchen ein zartes Grün, das man „Braque-
Grün“ nennen könnte, ein gehaltenes Schwarz, ein nuanciertes Rot vor: Dies find die
technifchen und fruchtbaren Elemente des Werkes von Braque. Die genügen, um ihn
zu kleinen Bildern anzuregen, deren dekorativer Reiz fleh unwiderftehlich dem Be-
fchauer in die Seele fchmeichelt.
Ich weiß nicht, ob fleh der Künftler, wie einft Puvis de Cßavannes, darum forgt,
daß „ißn die Wand nicht verfchlinge“, aber feine Bilder ftehen wundervoll zur Wand.
Es wird fogar mitunter behauptet, daß er fähig wäre, große Flächen mit Erfolg aus-
zumalen. Doch dies ift eine andere Frageftellung: Wäre Georges Braque, der, um
einen Ausdruck von Maurice Raynal zu zitieren, höchft reizvolle Sonaten komponiert
hat, auf feinem eigenften Gebiete in der Symphonie, die das Wandgemälde darftellt?
Es ergeben fid) dort Notwendigkeiten der figürlichen Kompofition, des Stils und der
3eid)nung, denen fleh das Ealent von Braque vielleicht nicht anpaffen würde. Die
{Handmalerei erfordert eine objektive Kunft, die die Form bei der Wiedergabe durch-
aus bejaht. Nun beeinflußt Braque die Form, ftatt pd) ihr zu unterwerfen, wie es
Cezanne tat. Die Äßhetik feiner Kunft würde man leicht bei den Symboliken finden,
die vielleicht noch mehr als wir feine Gabe, die Wirklichkeit in eine gewollte Un-
beftimmtheit der Darftellung zu entrüdeen, geliebt hätten. Jedenfalls würde der Ver-
fud) lohnen.
Wie wir ihn kennen, bleibt Braque ein Künftler des Dekorativen in h°her Qualität,
der im Schmuck des intimen Lebens fein Böd)ftes leiftet. Ein Bild von ihm ift nie
ein Eindringling; feine Diskretion, fein Streben nach Unaufdringlichkeit, die Sicherheit
und Feinheit feines Gefd)macks verfchaffen ihm fofort unfere freundfd)aftliche Ächtung
und eine herzliche Aufnahme im Beim.
Die neue Ausftellung der Werke von Degas (Galerie Georges Petit) bedeutet in ihrer
glücklichen Auswahl und Vielfeitigkeit eine vortreffliche Rid)tigftellung, man möchte
fagen, die Revifion eines Werturteils.
3uerft verfemt fie den Künftler wieder auf feinen Platj an erfter Stelle um der her-
vorragenden Qualitäten feiner 3eid)nung willen. Geht man mehr ins Allgemeine, fo
zeigen einzelne Werke der Ausftellung deutlich, von wem das Gefd)lecht der Klaffiker
nach Ingres ganz authentifd) abftammt.
Die 3eid)nungen von Degas, die zuerft von der 3cid)nung des Meifters von Mont-
auban angeregt waren, erlangten bald eine unvergleichliche Kraft der Wahrheit, die fid)
in voller Freiheit auf einem ganz neuen Beobachtungsfelde auswirkte.
Die Schärfe der Beobachtung, die die 3eid)nung von Degas erkennen läßt, mad)t
ihn zum echten Impreffioniften. Das ift zuerft nicht ganz einleuchtend, wird es aber
fofort, wenn man einfieht, daß es fid) um einen Impreffionismus der Linie handelt.
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