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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Der Grappikfammler

1781 mit Sepia) ins Malen über, und die beliebte
3weifd)alented)nik gehört eigentlich fchon der
Malerei. Alfo fchon die Cechnik deutet uns
tüeg und tüillen. Und doch ift auch hier wieder
das Äntiquarifche nicht zu vergeffen, denn es ift
fchon die 3eit müden COifJens und Könnens, des
3urückfchauens, des afiatifchen Imports, und die
3eitmode fucht, mehr als wir glauben mögen,
das Fremde und Gewefene. (Der Rubensftreit
in Frankreich, das üitianproblem in England, die
Rembrandtmanier in Deutfdpand, die Michel-
angelomanie, die antike Eukauftik u. a,) Neben
der akademifchen, italienifch-franzöfifchen Kunft-
lehre, die anerkannt und bevorrechtet war, läuft
fchon früh eine feltfame äfthethifche, philofo-
phifchbedingte Kunftübung, die unoffiziell und
laienhaft eine antiquarifche 3ud)twahl verrät.
Ich meine den holländifchen Einfluß, der das
naturfchwärmerifche, fentimentale Kunftwefen
beftärkt, das fpäter dem neuen Purismus der
Vernunft, der Einfalt, der Natürlichkeit zuftrebt
und in Natur und Landfchaft fein nordifches
Element fucht. Diefe holländifche Manier, die
trotj ihrer lehrbaren 3eid)entypen doch dem
Modell naturnah entgegenkommt und wieder
ins Freie flüchtet, ift immer wieder das Gegen-
fpiel jener kurfiven, akademifchen Barockmanier,
die das Rocaillewefen bis in die 3eichentypen
feiner lebten naturfernen Auflöfung und Erftar-
rung treibt. Ift die erfte Manier das Vorfpiel
des nordifchen idealiftifchen Realismus (Neu-
deutfche, Romantiker,Nazarener,Naturaliften ...),
fo ift die zweite Manier das Vorfpiel des füd-
lichen realiftifdjen Idealismus (Klaffiziften, Sti-
liften...), die fich beide fynftiliftifch und fyn-
dhroniftifch tief ins 19. Jahrhundert hinein ver-
folgen laffen. Mit diefen Elementen feijt fid)
das ftämmereiche, vielftaatige Deutfchland ver-
fdjiedenartig auseinander, und es fei deshalb
mit wenigen Strichen verfucht, eine Skizze diefer
Kunftgeographie des 18. Jahrhunderts zu ent-
werfen. Paris ift der Mittelpunkt der franzöfi-
fdjen 3eid)enlehre. Die Kunft der Fjöfe und
Akademien in Preußen, Sachfen, Öfterreich und
Süddeutfchland ift ihr verpflichtet. In Paris aber
ift die 3eichenfd>ule des Deutfchen Klille, die
den Holländern und der Natur den neuen Geift
verdankt, die Keimzelle der neuen 3eichenkunft.
Bei ihm lernen — man lefe fein Journal —
Schweizer und Kurpfälzer, Sachfen und Rhein-
franken. Das italieni|d)e Kunftwefen, das be-
fonders durch die venezianifche Schule noch
lange auf die deutfchen Fresken- und Kirchen-
malerei einwirkt, hat in Bayern, Sachfen, öfter-
reich feine Kolonien. Augsburg und Dresden
pnd Hauptlager. In Dresden tritt dann der ita-
lienifch - franzöpfchen die holländifche Manier
park entgegen, und man kann diefe Kunpkämpfe
— die lebten Endes Stammeskämpfe pnd — ge-
rade an der Akademie bis in Richters Cage ver-
folgen. In Norddeutfdpand ift das holländifche

Element — durch franzöpfches Emigrantentum
und durch den franzöperten Adel bekämpft —
aus alter Barodetradition — auch von Schweden
her — zumal in den Städten (der Hanfa) herr-
fchend. Berlin wird dann für immer das Lager
der „tUirklichkeitf ordernden Kalibane“. Auch
ift nur ftammesgefd)id)tlich zu erklären, warum
die klafpziftifche Frühromantik (Carftens), die
realipifche Romantik (Runge, Friedrich, Kerping),
die neudeutfdje Reftauration (Overbeck) vom
Norden her gegen die Südkultur hereinbrechen.
Im großen Ganzen kann man wohl von Stände-
künften fprechen. Die adlige franzöfierende Hof-
kunft — die deutfehe holländiperende Bürger-
kunft ftehen pd) trolj mancher Vermittlungen
feindlich gegenüber. Geift und Cechnik, Mode
und Lebensführung bedingen fid) wechfelfeitig.
Augsburg und Nürnberg, die Städte des gra-
phifchen Kunfthandels, vermitteln den franzöp-
fchen Rokokoexport, der, von den einzelnen
Stämmen verfchieden verwandelt und umge-
ftaltet, ein eigenes, derberes, fpätbarockes, deut-
fches Sonderrokoko fdjafft. Süddeutfchland, das
lange 3ßit von Paris beherrfdjt wird, wendet
pd) bald durch Schweizer Einpüffe einem neuen
Realismus zu, der eine neue Landfchaftskunft
ermöglicht, ttl. Leffing hat in feinem peißigen
Buch über öd. v. Kobell den engen 3ufammen-
hang der Schweizer, Badener und Münchner
wie das (Herden der neuen bayrifcpen Land-
fchaftsmalerei deutlich gemacht. Dies etwa deutet
in großen 3ögen Kunftrapen und Kunftkämpfe
an, die, wie gefagt, in jedes kleine Lager zu
verfolgen pnd. dlir wollen nun tüeinbergers
Cafelheft kritifd) betrachten, um an Hand des
Gegebenen weiterzukommen.
Betrachten wir fdjnell die Cafeln: 1. Cüeyer,
Bauern beim Gelage. Rötel. 17. Jahrhundert.
3eigt den typifchen holländifierenden HacHprid)
mit manirierten Druckern, wie er nod) gegen
Ende des 18. Jahrhunderts etwa in Rodes 3eich-
nungen zu pnden ip. 2. Kupefeky, Bildnisftudie
aux deux crayons. Ganz auf barocke malerifche
Bildwirkung gepellt. 3. Potrow?, Popen. Mifch-
tedjnik aux trois crayons auf Naturpapier.
Schlechtes fpätes Blatt eines Unbekannten, der
nichts kann. CUozu alfo? 4. Umbach, Land-
fchaftskompofition. Kohlezeichnung. ö.Rugendas,
Reiteraquarell. Mäßig. 6a, 6b, 7. Kuen, Scheffler,
Holzer, Lavierte Kupfervorlagen. 8. Holzer, Köft-
licher watteaumodifdjer Aquarellentwurf für einen
Fächer. 9, 10. Holzer, Akademifche quadrierte
Ulandbildentwürfe. 11. Nilfon, Dekorative Sup-
porte. Ölmalerei, ttlas foll die da? 12a, 12b.
Niemals von Nilfon. Stümperhafte fdpechte Ko-
pien nach Holzerradierungen. Hier zeigt ßch»
daß Uleinberger für 3eid)nung weder Blidc noch
Gefühl hat. Diefe Blätter durften niemals abge-
bildet werden 1 13. Einfiedler und Ulanderer.
Kopipenzeichnung nach Nilfon. 14.Nilfon,Sd)äfer-
fzene. Federzeichnung, lavierte Stichvorlage<
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