Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

DOI Artikel:
Curjel, Hans: Ein neuer Baldung
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0796

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Stiles, die Zierlichkeit, das Filigranste, die geringe Plaftik der Muskulatur, die Crocken-
heit der Farbtöne und die dünne Crockenßeit des Farbauftrages, fie find an keiner
Stelle des Gemäldes nacßzuweifen. (Uenn man gleicßwoßl eine Verwandtfcßaft mit der
Cranacß-Scßule empfindet, fo beruht dies in der Catfadje, daß in der gefamten
deutfcßen Kunft nach) Dürers Cod, alfo in der 3^it um 1530 Elemente auftreten, die
von Cranacß und von der Cranacß-Scßule am entfcßloffenften und am betonteren
ausgebildet worden pnd. Daß ficß gerade vor allem aud) Baidung durd) diefe ge-
meinfamen Elemente mit Cranad) berührt, ift von verfcßiedenen Seiten [cßon früßer
feftgeftellt worden1 2.
So weit der Abftand des Bildes zum Cranacß-Kreis, fo naße fteßt es der Sd)ule
Baidungs; dies dürfte nad) Unterfucßung der in Frage kommenden Dokumente (für
Baidung vor allem die verfcßiedenen Aktfiguren aus der zweiten FJälfte der zwanziger
)aßre des 16. Jaßrßunderts) kaum bezweifelt werden können. Die Frage, ob Baidung
felbft der Äutor, ift inzwifcßen dadurd) entfcßieden worden, daß durcß Entfernung von
Verputjungen an der linken unteren Ecke die einwandfrei ecßte alte Signatur Baidungs
in feinen Strießen in der Marmorierung des Sockels zutage trat. Die nebenfteßende
Abbildung gibt die Signatur naeß einer Paufe wieder.
Die Herkunft des Bildes ift im einzelnen nießt bekannt. Es foll aus England kom-
mend vor einigen Jaßren in den öüiener Kunftßandel gelangt fein, wo es als Baidung
bald beftritten wurde. Von Ulien aus kam es naeß Stuttgart, von wo aus es mir zu-
gänglicß wurde. Es befand fieß damals in fcßlecßtem 3uftand; nad) einem fenkreeßten
Riß war die Cafel in zwei Geile geteilt. Man zweifelte trotj meiner Beftimmung an
der Äutorfcßaft Baidungs3 und verwendete daßer nießt die erforderlicße Sorgfalt auf die
Konfervierung. Aus den gleicßen Gründen gelangte es billig in die Fjand eines treff-
ließen Kenners, der — feinerfeits überzeugt, einen Baidung vor ficß zu ßaben — die
Reinigung vollzog, als deren Ergebnis die Signatur Baidungs zum Vorfcßein kam.
Störende Übermalungen find noeß vorßanden am reeßten Geil des Sockels, an den un-
teren Partien der Beine Amors, an den dunklen Stellen der Muskulatur der weiblicßen
Figur, die dadureß zu feßr ßerausgetrieben erfeßeint, an den Augen und in den rot-
gelben FJaaren. Im übrigen erlaubt eine gute Erßaltung des Pigmentes eine verläßliche
ünterfueßung des Gatbeftandes. Die genauen Maße des auf Ficßtenßolz gemalten Bildes
betragen 85,5 cm in der Fjöße und 25,5 cm in der Breite.
Für die Datierung des Gemäldes, das wie viele Bilder Baidungs keine Jaßrzaßl auf-
weift, ergibt ficß als terminus post quem das Erfcßeinungsjaßr der Dürerfcßen Propor-
tionsleßre, alfo 1528, da die Geftalt der Venus, abgefeßen von der Bewegung der er-
ßobenen Fjand, eine in der Proportionsleßre wiedergegebene Figur Dürers bis ins ein-
zelne wiederßolt3. Im fogenannten Dresdner Skizzenbucß Dürers befindet ficß eine
mit ftarken Korrekturen verfeßene Vorzeicßnung Dürers zu diefem Scßnitt der Pro-
portionsleßre (Abb. der 3^icßnung bei Friedländer, Dürer, Infel-Verlag 1921, S. 211);
indeffen ßält ficß die vorliegende Venusdarftellung unter Vermeidung aller ünficßer-
ßeiten der 3eicßnung genau an die endgültige Faffung, wie fie der FJolzfcßnitt wieder-
gibt. Es ift alfo waßrfcßeinlicß, daß Baidung feinem Bild den Fjolzfcßnitt des Bucßes
und nießt die zu diefem Scßnitt vorßandene Vorzeicßnung benützt ßat, ganz abgefeßen
davon, daß Baidung ficß aller ülaßrfcßeinlicßkeit naeß in jenen Jaßren in großer
örtlicßer Diftanz von Dürer befand, was eine Verwendung der Dürerfcßen 3ei<hnun9
feßon aus äußeren Gründen unwaßrfd)einlicß maeßt. Die vergleichende Stilkriiik ver-
mag die Datierung bald naeß 1528 im übrigen zu beftätigen. Im Jaßr 1529 ßat
Baidung die beiden Cafeln der Müncßner Pinakotßek gefeßaffen, die als Gegenftücke
1 Cerey, Repert. f. Kunftwiff. 1895, S.465ff. Curjel, Fjans Baidung Grien, 1923, S. 125.
2 Abgefeßen von Fifcßer zweifelte, wie id) böre, aud) Friedländer, der das Bild ebenfalls in den
Cranacß-Kreis verwies, und eine Reiße anderer Fad)genoffen an der Äutorfcßaft Baidungs.
3 Dürer, Proportionsleßre, Ausgabe von 1528fol. F). VI.

764
 
Annotationen