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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Basler, Adolphe: Pariser Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0066

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Kenntniffe in fiel) vereint. Und ich kenne keinen Maler, der ebenfo wiffensdurftig
wäre wie Derain, der Dichtung, Geheimwiffenfchaften, fpekulative Philofophie in [ich
aufnimmt, um fie zu einer Einheit zufammenzufchließen: der Malerei.
Eine gewiffe Kritik wird erftens den Künftlern einen [ehr fd)lechten Dienft erwiefen
haben, wenn fie in ihnen Nachfolger des Rubens, des Vermeer oder Piero della Francesca
fah, zweitens aber auch dem Publikum, indem fie es fyftematifd) in die Irre führte.
Eine Äusftellung wie die von Jacques Rodrigue in feiner fympathifchen Galerie
Rue Bonaparte gezeigte, hat uns mit einigen geflickten Künftlern wie Gernez, Fa-
vory und Gimmi bekannt gemacht, die [ich mit ihrem leichten Manierismus in die
Gunft des Publikums teilen, Unter ihnen glänzte der am wenigften begabte, Simon
Levy, durch die gute fjaltung feiner Stilleben. Vielleicht bleibt er vom Erbe Cezannes
zu abhängig, und ift in diefer frommen Nachfolge nicht fympathifcher als alle Cafdjen-
fpieler und Falfchmünzer, die in allen Ausheilungen fo zahlreich find.
In der „Folie Enchere“, einem von einer Gruppe von Liebhabern gegründeten Salon,
hat man da nicht nur viel „Erfatj“ für Derain gefehen, der mit Fjeyden, Galanis ufw.
bezeichnet war? Aber Picaffo zeigte dort ein Frauenbildnis von außerordentlicher
Güte, Und folche Dinge find im gegenwärtigen Schaffen Picaffos feiten. Er be-
ftand mit diefer Arbeit indeffen durchaus in diefer Äusftellung, die aud) zwei fehr
fd)öne Renoirs, einen Manet, einen Cezanne, Piffarro und Degas enthielt. Ferner hatten
fehr fchöne Ulerke ausgeftellt: Matiffe, Friesz, Marie Laurencin, Utrillo, Suzanne
Valadon, Lhote, Kars, Krogh, Coubine, Pascin, Termine Dawid, Gromaire,
Kayser, Leger, Braque. Es war wirklich ein internationaler Salon moderner Ma-
lerei, der mit einer analogen Äusftellung zufammenßel, die der Klub der Skandinavien
Künftler in feinem „Maison Ulatteau“ veranftaltete. Die dort ausftellenden fkandi-
navifdjen Künftler find groß an 3ahk Die Norweger haben den Unterricht von Matiffe
nicht vergeffen. Man darf hier wieder an die Bedeutung erinnern, die die Akademie
Matiffe gehabt hat. Seit fünfzehn Jahren wird fie von Amerikanern, Ruffen, Skandi-
naviern, Deutfchen und Ungarn befucht, und alle haben in der Kielt das Verftändnis
und die Liebe für die moderne franzöfifche Malerei verbreitet. Ja, gewiffe Schüler
von Matiffe find geradezu Gemäldehändler geworden. Aber Künftler, wie die Nor-
weger Per Krogh, Sörenfen, Johanfen, die Schweden Palm, Dalberg, Nilfon,
Ägren, Ifaac Grünewald entehren die moderne Malerei durch ihre Klerke nicht.
Es ift angebracht, dies jetjt feftzuftellen, da eben ein Feldzug gegen die in Paris
lebenden fremden Künftler begonnen hat. Doch wir wollen nicht übertreiben und den
Maler Signac, den Präfidenten des „Salon des Independants“, nicht verdammen, weil
er angefichts der 3ahl von fiebenhundert fremden Künftlern, die diefes Jahr ausftellen
wollen, ihre Klerke in befonderen Sälen unterbringen will, um fie auf diefe Kleife
von den franzöfifchen Ausftellern zu trennen. Das ift der erfte Verfud) in diefem
Sinne, denn bisher vermieden alle Salons derartige Maßnahmen. Beweis dafür ift,
daß der FJerbftfalon dies Jaßr den Kliener Architekten Adolf Loos aufgenommen hat,
deffen Calent und Ideen mit viel Anteilnahme befprochen worden find, fowie den
öfterreichifchen Maler Mopp (Max Oppenheimer), deffen Riefenbild „Das Ordjefter“
im Kreife der Kenner eine gerechte Klürdigung gefunden hat, und dem man die
Kenntnis feines Dandwerks durchaus zugeftand.
Nur der Kunftkritiker Louis Vauxcelles hat der Frage der fremden Künftler in
Paris einige heftige Auffäße gewidmet. Aber FJerr Vauxcelles ift nicht fremdenfeindlich,
fjat er doch in feinem Buch über die franzöfifche Malerei feit der großen Revolution
ein Bild einer ziemlich begabten polnifchen Malerin, Fjalicka, abgebildet und von dem
großen Montmartre-Landfctjafter Utrillo auch nicht ein leifes Klort gefagt. Er er-
wähnt in feinen Auffä^en fehr oft auch einen mexikanifdhen Maler namens 3araga,
der während des Krieges zu den zahlreichen, von der Galerie Leonce Rofenberg unter-
haltenen Kubiften gehörte, und der nun dem Mode gewordenen Neo-Akademismus huldigt.

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