und bedingen sich so gegenseitig. Keine dieser Zonen läßt sich aus der Reihe
lösen. Bei Zündt sind die einzelnen Zonen unverbunden, sind koordiniert.
Wenn eine dieser Schichten fehlte, wenn sie abgeschnitten, verloren wäre, das
Gefäß bliebe noch immer ein Ganzes; es wäre nur ärmer. Jetzt ist das ganze
Gebilde nach rhythmischen Prinzipien gebunden. Von einem unbestrittenen
Hauptmotiv aus rollt die Komposition von oben und unten auf die Mitte zu. Es
ist nicht nur einfache Symmetrie, es ist mehr. Subordination zwingt das Ganze
unlöslich und untrennbar zusammen. Es sind Bindungen da, Kräfte, die in
der Mitte, im Herzen, zusammenströmen.
Gleichzeitig verliert das Dekor den krausen Charakter der früheren Lupen-
kunst, die sich ins Kleine und Kleinste mit zärtlicher Hingabe versenkte. All
die Fugen und Schnitte verschwinden, das Schweifwerk, das die Punzen-
stecher ausgebildet und gepflegt haben, greift mit kühnen Schwüngen
(„Zügen“) weit ausholend über die Wände des Gefäßes und überzieht alles
mit einem gleichmäßigen, festen Fell.
Bei alledem wird das Gefäß zu einem lebendigen Organismus von Fleisch
und Blut. Hier ist nichts mehr herausgelöst und herauspräpariert. Unter dem
Pulsschlag innerer Ströme belebt sich das Skelett. Alle Teile sind festgewach-
sene Gliedmaßen. Es ist nicht mehr ein Zerschneiden von außen her, Zer-
gliederung wird zum Sichgliedern von innen.
Drei Generationen erfüllen mit ihrem Wirken das 16. Jahrhundert. Die
erste wandelt das Bündel von Halmen zu einer immer noch lebendigen
Knospe. Dann erstarrt alles zum Skelett, um schließlich wieder zum leben-
digen Organismus zu werden. Es ist die Wandlung vom Vegetabilischen zum
Animalischen, die das 16. Jahrhundert durchmacht. Äußerlich betrachtet steht
diese Wandlung im Zeichen horizontaler Gliederung. Zuerst lösen sich die
einzelnen Blätterkränze in Schichten und gliedern sich ab; dann kommt das
Seziermesser und zergliedert; am Ende wachsen die Knochen wieder zu-
sammen, und Gliederung wird ein Sichgliedern von innen.
Der Wille zur Gliederung ist es also, der das 16. Jahrhundert über drei Gene-
rationen hinweg zu einer Einheit verbindet. Er begrenzt es auch gegen vorher
und nachher: Denn dem 15. Jahrhundert blieb dieser Gedanke fremd; das
17. aber setzte alles daran, ihn durch Zusammenschluß in vitaler Bewegung zu
überwinden.
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lösen. Bei Zündt sind die einzelnen Zonen unverbunden, sind koordiniert.
Wenn eine dieser Schichten fehlte, wenn sie abgeschnitten, verloren wäre, das
Gefäß bliebe noch immer ein Ganzes; es wäre nur ärmer. Jetzt ist das ganze
Gebilde nach rhythmischen Prinzipien gebunden. Von einem unbestrittenen
Hauptmotiv aus rollt die Komposition von oben und unten auf die Mitte zu. Es
ist nicht nur einfache Symmetrie, es ist mehr. Subordination zwingt das Ganze
unlöslich und untrennbar zusammen. Es sind Bindungen da, Kräfte, die in
der Mitte, im Herzen, zusammenströmen.
Gleichzeitig verliert das Dekor den krausen Charakter der früheren Lupen-
kunst, die sich ins Kleine und Kleinste mit zärtlicher Hingabe versenkte. All
die Fugen und Schnitte verschwinden, das Schweifwerk, das die Punzen-
stecher ausgebildet und gepflegt haben, greift mit kühnen Schwüngen
(„Zügen“) weit ausholend über die Wände des Gefäßes und überzieht alles
mit einem gleichmäßigen, festen Fell.
Bei alledem wird das Gefäß zu einem lebendigen Organismus von Fleisch
und Blut. Hier ist nichts mehr herausgelöst und herauspräpariert. Unter dem
Pulsschlag innerer Ströme belebt sich das Skelett. Alle Teile sind festgewach-
sene Gliedmaßen. Es ist nicht mehr ein Zerschneiden von außen her, Zer-
gliederung wird zum Sichgliedern von innen.
Drei Generationen erfüllen mit ihrem Wirken das 16. Jahrhundert. Die
erste wandelt das Bündel von Halmen zu einer immer noch lebendigen
Knospe. Dann erstarrt alles zum Skelett, um schließlich wieder zum leben-
digen Organismus zu werden. Es ist die Wandlung vom Vegetabilischen zum
Animalischen, die das 16. Jahrhundert durchmacht. Äußerlich betrachtet steht
diese Wandlung im Zeichen horizontaler Gliederung. Zuerst lösen sich die
einzelnen Blätterkränze in Schichten und gliedern sich ab; dann kommt das
Seziermesser und zergliedert; am Ende wachsen die Knochen wieder zu-
sammen, und Gliederung wird ein Sichgliedern von innen.
Der Wille zur Gliederung ist es also, der das 16. Jahrhundert über drei Gene-
rationen hinweg zu einer Einheit verbindet. Er begrenzt es auch gegen vorher
und nachher: Denn dem 15. Jahrhundert blieb dieser Gedanke fremd; das
17. aber setzte alles daran, ihn durch Zusammenschluß in vitaler Bewegung zu
überwinden.
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