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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 4
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Rademacher, Franz: Die ottonische Keramik Kölns
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0190
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den aus dem ganzen merowingisch-fränkischen Kulturkreis bekannten Typus:
klar gegliederte Gefäße mit umlaufenden Zierbändern, die mit Einzel- oder
Rollenstempeln eingedrückt werden. Neben diesen wesentlich germanischen
Gefäßen stehen in geringerer Anzahl solche, die eine Weiterbildung römischer
Formen darstellen, wie auch vereinzelt direkt römische Stücke noch längere
Zeit in Benutzung bleiben.
Ein ganz anderes Gesicht weist die karolingische Keramik auf. Die fränkische
Töpferkunst ist Teil einer Volkskunst, die keinen Wesensunterschied macht
nach Material und Zweckbestimmung, sondern Schmuck und Gebrauchsgegen-
stand in gleicher Weise der ihr eigentümlichen Vorliebe für ornamentale Ver-
zierung unterwirft. Diese kulturelle Einheit wird jetzt durch einen scharfen
Schnitt getrennt. Die karolingische Kunst zeigt einen einseitig kirchlich-
repräsentativen Charakter. Nur was der Kirche dient, erfährt künstlerische
Veredelung, und es wurde zum Verhängnis für die ganze mittelalterliche
Keramik, daß die Kirche ihrer nicht bedurfte. So finden wir in der karolin-
gischen Töpferkunst statt einer „Renaissance“, einer neuen Belebung unter
Wiederanknüpfung an römische Traditionen, einen rapiden Abstieg, technisch
wie künstlerisch1. Die Mehrzahl der Gefäße steht auf einer sehr niedrigen
Stufe, ein nicht unbeträchtlicher Teil ist sogar ohne Töpferscheibe gearbeitet.
Die charakteristisch-fränkischen Formen gehen alle verloren, und auch die
beliebten Ziermotive halten sich in sehr bescheidenen Resten nur noch kurze
Zeit. An ihre Stelle tritt, in beträchtlich geringerem Umfange, eine neue Ver-
zierung in Form von aufgemalten roten Flecken und Strichen, die nur in ver-
einzelten Fällen sich dem Gefäßkörper organisch anfügen, durchweg viel-
mehr regellos aufliegen. D. h. also, die vollständige Auflösung der Form, die
die karolingischen Töpfererzeugnisse gegenüber den fränkischen charakteri-
siert, erstreckt sich in gleicher Weise auch auf die Verzierung. Von dem
Moment an, wo mit dem Eindringen der Kirche der feste Rahmen, der wäh-
rend der fränkischen Zeit alle Zweige der Kunstäußerungen zusammenschließt
und zu einer Einheit verbindet, zerbrochen wird, verfällt auch das einzelne
Glied, sofern es nicht in der Kirche und durch die Kirche weiterlebt. Daß
nicht alles Können verloren ging, beweisen mächtige, bis zu 3A Meter hohe
Gefäße verschiedener Form, die gerade für diese Epoche mehrfach nachweis-
bar sind.
Die Bedeutung der karolingischen Töpferkunst liegt vorzugsweise darin, daß
mit ihr die eigentliche Entwicklung der mittelalterlichen Keramik einsetzt.
Während ihre Verbindung nach rückwärts, zur fränkischen Keramik, nur
locker ist, lassen sich die karolingischen Gefäßtypen fast ausnahmslos in ihrer
Weiterbildung durch die folgenden Jahrhunderte verfolgen, wobei naturgemäß
im Laufe der Zeit eine Reihe von neuen Elementen hinzutritt. Es ergibt sich
daraus von selbst, daß der Übergang von der karolingischen zur ottonischen
Keramik im einzelnen nicht scharf festgelegt werden kann. Darauf ist es hier
auch nicht abgesehen, es gilt vielmehr, den Typus als solchen ersb
malig herauszustellen. Auch so kann natürlich nicht gleich etwas Ab-
schließendes geboten werden, dazu bedürfte es weit längerer Beobachtungen
und umfangreicherer Ausgrabungen, als sie dem Verfasser möglich waren.
Von den karolingischen Gefäßen unterscheiden sich die ottonischen in ihrer
1 Hingewiesen sei auf die Arbeiten von K. Ko en en: Gefäßkunde der vorrömischen,
römischen und fränkischen Zeit in den Rheinlanden. Bonn 1895. — Ferner: Bonner
Jahrbücher: LXXXI, S.224; CIII, S. 115; CV, S. 103. — Westdeutsche Zeitschrift VI,
S. 354. Die karolingische Keramik ist hier im wesentlichen durchaus zutreffend charakte-
risiert, trotz wiederholter Anzweiflungen von anderen Seiten.

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