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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 6
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0365

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Ausstellunge n

Vollendung des Deutschen Museums allein
einen unerhörten Aufwand von Mitteln er-
fordert, die an den Staat gewaltige Anfor-
derungen stellen.
Überdies ist ja durch die Überführung
des Kunstgewerbemuseums ins Schloß,
durch die Abgabe der antiken Gipssamm-
lung an die Universität räumlich innerhalb
der Berliner Museen ein so eminenter
Platz gewonnen worden, daß mit Hinzu-
nahme des in zwei Jahren vollendeten
Neubaus auf der Spreeinsel jede Raumnot
auf Generationen hinaus sowieso behoben
sein wird. Schon aus diesen Tatsachen
heraus ist der neu entfachte Streit um den
Dahlemer Museumsbau mehr als unzeitge-
mäß. Beweis, wie sehr Herr von Bode mit
seinem provozierten Angriff Unrecht hatte,
wird jetzt zunächst der seiner Vollendung
entgegengehende vorbildliche Umbau im
alten Völkerkunde-Museum sein, der der
Welt Asiens zu einer Verdeutlichung ver-
helfen wird, wie sie überzeugender auch
in Dahlem kaum möglich gewesen wäre.
Biermann..
Ausstellungen
DIE LEIPZIGER JAHRES-
AUSSTELLUNG 1925
In den Räumen des Kunstvereins trat
wiederum der Verein Leipziger Jahres-
ausstellung (Lia) kurz vor Beginn der
Frühjahrsmesse mit einer umfassenden
Kunstschau nach längerer Pause hervor
und zeigte, wie sehr auch ihm darum zu tun
ist, die lebendigen und schöpferischen Ele-
mente unserer Tage in seinen Reihen frucht-
bar- walten zu lassen. Wohl keine „Lia“ hat
bisher ein so vielseitiges Gepräge erhalten
und war — bis zu einem gewissen Grade
— auf einen so vieltönigen Klang abge-
stimmt, wie gerade die diesjährige. Dank
dem Entgegenkommen des Grafen Harry-
Kessler, der einige wesentliche Stücke sei-
ner Sammlung zur Verfügung stellte, konn-
ten der Ausstellung zwei bedeutsame Angel-
punkte zugrunde gelegt werden, die der
Veranstaltung als Ganzem ein beachtliches
Niveau verleihen: die einzigartigen Skulp-
turen und Zeichnungen von Aristide
Maillol und Seurats großes Hauptwerk
„LesPoseuses“, das zum ersten Male öffent-
lich in Deutschland gezeigt wird. Vor den
plastischen Arbeiten Maillols, wie dem gro-
ßen Steinrelief „Mann und Frau“, dem
bronzenen, in seinem Rückenakt selten
großartigen Rennfahrer (1907), einer weib-
lichen Holzstatue und dem geradezu klassi-
schen Terrakottakopf („Maler Terrus“), wird
es zum fühlbaren Erlebnis, daß der katala-

nische Meister in der Tat einer der stärk-
sten Bildhauergestalten des 20. Jahrhunderts
ist und nicht mit Unrecht als Vollender Hil-
debrands gepriesen werden kann. Echt pla-
stisch empfunden, einfach und groß ge-
dacht, klingen klare und ruhige, tastbare
Formen vollsaftigen Lebens in einem orga-
nischen Ganzen reiner Menschlichkeit zu-
sammen. In diesen Figuren blüht eine erden-
frohe Sinnlichkeit, die auch aus der reichen,
in einem Sonderraum dargebotenen Kol-
lektion von Zeichnungen und Lithographien
spricht. Mit einer unglaublichen Sicherheit
der Hand entwirft er hauchhaft seine Akt-
zeichnungen, in denen er mit impulsiver
Sir.nesfreude eine jede Form im Geiste der
Natur sich ausleben läßt und ihr gleichsam
die Möglichkeit zu einer Steigerung ins Mo-
numentale gibt. Zeigt sich Maillol als Bahn-
brecher einer neuen plastischen Form, so
vermag Seurats Hauptwerk „Les Poseuses“
(188g), eindringlich darauf hinzuweisen, wie
fruchtbar die westeuropäische Malerei von
diesem Künstler beeinflußt worden ist.
Ohne Zweifel ist Seurat von allen Neo-
impressionisten derjenige gewesen, der
trotz aller theoretischen Grundlage seiner
Kunst eine einheitliche, voll überzeugende
Gestaltungskraft besaß. Was freilich den
Reiz der „Poseuses“ ausmacht, sind noch
nicht die klaren Farbenrhythmen, von denen
seine folgenden Werke vor allem leben,
sondern die groß gesehenen, farbig klar zu-
einander abgestimmten Figuren, die in einer
lebendigen Wechselbeziehung sich bewe-
gen. Neben dieser differenzierten Kunst
Seurats lassen dann die in der Ausstellung
befindlichen Werke von Vlaminck und
Dera in erkennen, wie unter Cezannes Ein-
fluß die jüngere französische Malerei mehr
und mehr über das Wesenhafte der Farbe
sich klar wurde und nach einer strengen
Bildtektonik strebte, während Jose de To-
gores in seinen weiblichen Akten als
Nachfolger Renoirs kenntlich ist. Der Pi-
cassokreis ist mit einigen Werken von
Braque und Gris vertreten, von denen
Braques „Citronenstilleben“ durch seinen
helltonigen, sicheren Aufbau besonders
reizvoll sich hervorhebt. In einem Sonder-
raum haben auch die Hauptmeister des
Weimarer Bauhauses sich mit je einer
markanten Arbeit zurGeltung bringen können.
Moholy-Nagy hat die wenigen Stücke mit
klarer Disposition eindrucksvoll selbst ge-
hängt, so daß in diesem Kabinett ein gedräng-
ter Überblick über die nach einer neuenWelt
der Ordnung undabsoluten Gesetzmäßigkeit
strebenden, starken Weimarer Persönlich-
keiten geboten wird. Feininger zeigt ein
in strengem, fugenhaftem Klanggefüge er-

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