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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 15
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Goetz, Oswald: Leihausstellung aus Privatbesitz im Städelschen Kunstinstitut
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0766

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Dieser blaue Saal vereinigt weiterhin alle italienischen Bilder der Früh-
und Hochrenaissance. Unter den früheren Bildern ragt ein Tondo mit der
Maria hervor (Nr. 21, Slg. Bauer), ein vorzügliches Bild aus der Bottega
Botticellis. Dem schließt sich ein kleines Madonnenfragment an, das Botticini
zugeschrieben wird (Nr. 22, Slg. von Weinberg). Von Oberitalienern möchte
ich erwähnen den hl. Sebastian des Liberale da Verona (Nr. 126, Slg. Hart-
mann) mit einem schönen Landschaftshintergrund, dann das köstliche Mäd-
chenbildnis von Lorenzo Costa (Nr. 37, Slg. von Mumm) und zwei Gaudenzio
Ferraris, von denen die Anbetung des Kindes (Nr. 65, Slg. Dr. Schaeffer) ein
in Komposition und Farbe beglückendes Meisterwerk ist. Die Ausstellung
kann eine ganze Reihe von interessanten Bildnissen der Hochrenaissance ver-
zeichnen, darunter allein vier von Bronzino. Der kleine Männerkopf auf grü-
nem Grund (Nr. 28, Slg. von Mumm) besticht am meisten. Lorenzo Lottos Gold-
schmied (Nr. 129, Slg. Koch) und Moronis Edelmann (Nr. 153, Slg. Max
von Goldschmidt-Rothschild) sind zwei Stücke von seltener Qualität und vor-
nehm repräsentativer Haltung. Der Lotto stammt aus der Sammlung Kauf-
mann. Von den großen Venezianern ist Tizian in Frankfurt nicht vertreten.
Hingegen ragt Tintoretto mit zwei bedeutenden Stücken hervor, einem Öl-
berg (Nr. 241, Slg. von Hirsch) und einer Kreuztragung Christi (Nr. 240, Slg.
von Sierstorpff). Das letztere Bild stammt aus der Spätzeit des Künstlers und
ist mit vollendetem Schwung komponiert und gemalt — welch famoser
Rhythmus durch Rosa Und zartes Blau! — In der Literatur ist es bisher noch
nicht bekannt gewesen. —
Unter den wenigen italienischen Bildern des 18. Jahrhunderts seien einige
Venezianer Ansichten von Guardi und Canale, ein hübscher Belotto (Nr. 10,
Slg. W. Dreyfus) und eine Plafondskizze von Tiepolo, eine Allegorie auf Zeit
und Ruhm darstellend (Nr. 237, Slg. von Hirsch), erwähnt. —
Man vermeint oft zu spüren, daß die künstlerischen Interessen eines
Museums auf die sammelnden Kreise der betreffenden Stadt abfärben, daß
ein Museum vorbildlich und anregend für den einzelnen wirkt. Besonders
wenn durch einen Museumsverein eine Art Brücke zwischen öffentlicher und
privater Sammeltätigkeit geschlagen ist, scheint ein innerer, logischer und
irgendwie notwendig wirkender Konnex zu bestehen. Stellt man im Städel die
einzelnen Abteilungen den betreffenden der Leihausstellung gegenüber, wird
man, von gewissen Zufälligkeiten abgesehen, solche glücklichen Ergänzungen
und Parallelen verzeichnen können. Dies gilt für die Italiener, die Altdeut-
schen und die Niederländer des 17. Jahrhunderts. Hingegen wird man gerade
bei einer wichtigen Abteilung ein ziemliches Versagen im Frankfurter Samm-
lerkreise spüren: das sind die Altniederländer, die gerade im Museum so
reich vertreten sind. Gewiß, van Eycks sind nicht in Unmassen vorhanden.
Aber das früheste Bild der Ausstellung ist die Anbetung des Kindes, die
dem Virgo-Meister zugeschrieben ist (Nr. 141, Slg. Henkell). Und diese
Tafel, deren Reichtum und innere Schönheit allen, die der Kaufmann-
Versteigerung beiwohnten, noch lebhaft im Gedächtnis stehen, ist nur ein
kurzer Gast in Frankfurts Mauern. Der Anbetung schließen sich in zeit-
lichem Abstande von gut 40 Jahren eine Reihe weiterer Darstellungen (dieses
Themas an, Werke anonymer Meister, um deren Entdeckung und Einord-
nung Friedländer und Winkler seit Jahren bemüht sind. Das schönste Werk
dieser Antwerpener Manieristengruppe gehört der Sammlung Dr. Schaefer,
Darmstadt, an. Nach Brüssel führt die gut erhaltene, in den Farben lebendige
Tafel mit dem hl. Matthäus, eine Arbeit Bernaerts von Orley (Nr. 177, Slg. von
Goldammer). Gleichfalls in diese Gruppe südniederländischer Meister gehört

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