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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 17
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Der Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0909
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Der Kunstmarkt

Treffsicherheit des Blicks, jener angebo-
rene Instinkt für das Objekt, den keine
Kunstwissenschaft lehren kann. Und das
menschlich Ergreifende im Lebenswerk
dieses Mannes bleibt immer wieder seine
persönliche Bescheidenheit, die mit dem
äußeren Glanz seines Palastes, in dessen
Oberlichtsaal ein Museumsstück neben dem
anderen hing und dessen Aufmachung mit
Dienern in Livree und einem sprachge-
wandten „Haushofmeister“ nichts mit der
Seele dieses leidenschaftlichen Amateurs
und Geschäftsmannes gemein hatte. Das
war die Atrappe, die er für seine Kunden
von jenseits des großen Wassers brauchte
und die seine Preise überzeugend machte.
Die gewöhnlichen Besucher, die bestenfalls
einen kleinen „Holländer“ mitnahmen, be-
kamen den Alten selbst kaum zu Gesicht.
Die großen Käufer aber, die nahm er mit in
seine Tresorkammer im oberen Stock sei-
nes Hauses, dort wo er die großen Über-
raschungen bereit hielt bei abgeblendetem
Tageslicht unter dem Schein des elektri-
schen Reflektors. Er kannte die Psyche
seiner großen Käufer, die keinen van Dyck
oder Rubens suchten, die unten im Ober-
lichtsaal hingen und also längst bekannt
waren. Da oben in der engen Bude, die
hinter Stahlmauern Millionenobjekte barg,
war die mysteriöse Welt der Überraschun-
gen. —
Auch als Kunstschriftsteller ist der alte
Sedelmeyer mehr als einmal hervorgetre-
ten, wenn es galt, die Meinung der An-
deren über eines seiner Bilder überzeugend
niederzukämpfen oder dem Freund seiner
Jugend, dem Ungarn Munkäcsy, ein Denk-
mal zu setzen. Und grade in diesen von
ihm selbst verlegten Gelegenheitsschriften,
die nicht zu vergleichen sind mit dem von
ihm besorgten großen Bodeschen Rem-
brandtwerk, tritt dies leidenschaftliche Tem-
perament großartig in Erscheinung.
Die Geschichte des neuzeitlichen Kunst-
marktes wird — mit welcher Seite man
sie auch beginnen wollte —- immer ein Ka-
pitel haben, das als Überschrift den Na-
men dieses Toten trägt, der auf seinem
Gebiet ein Entdecker war, wie es deren
zu seiner Zeit nur wenige gegeben hat.
Durch ihn ist ein ganzes Metier zu einem
hohen Ruf gekommen, das zumal heute
allen Grund hat, diesen seltenen Typ eines
Amateurs und Händlers sobald nicht zu
vergessen. B.
LONDONER SAISONSCHLUSS
Für die Londoner Kunst und Bücher-
auktionäre ist die Sommersaison mit dem
31. Juli zum Abschlüsse gekommen. Die

bedeutendsten Ereignisse des recht über-
füllten Monates waren die Versteigerungen
der Cook-Collection und der Sargent-Bil-
der, beide bei Christie. Die Sammlung des
Wyndham Cook, die in zwei Abteilungen
unter den Hammer kam (7.—10. Juli und
14.—16. Juli), bestand in ihrem wertvollsten
Teil aus italienischer Majolika und war die
größte englische Privatsammlung dieser
Art. Daneben enthielt sie reiche Schätze
an griechischen, römischen und etruski-
schen Antiquitäten, hauptsächlich Bronzen,
mittelalterlichen Elfenbeinschnitzereien, Li-
moge Emailles, Miniaturen und Silberge-
rät. Die Vente erreichte ein Total von
£ 74425. Den höchsten Preis des ersten Ta-
ges, nämlich 1450 Guineen, bezahlte Mr.
Goldschmidt (der nun auch in London ein
Geschäft hat) für eine der Gubbioschüsseln
des Mästro Giorgio Andreoli, dekoriert mit
dem Urteil des Paris nach einer Zeichnung
Raphaels. Das Maximum des zweitenTages,
1600 Guineen (Durlacher), wurde für ein ve-
nezianisches Andiron, Mars und Venus dar-
stellend, gezahlt. Es scheint, daß italieni-
sche Andirons oder „firedogs“, wie sie im
Englischen heißen, nicht mehr ganz so be-
liebt sind wie früher, denn noch auf der
Teylor-Versteigerung des Jahres 1913 warf
ein ähnliches Paar (Apollo und Merkur)
9200 Guineen ab. Am dritten Tage kam eine
Holbeinminiatur des Thomas Wricthesley,
First Earl of Southampton, zur Verstei-
gerung, erzielte aber gegen alle Erwartung
nur 270 Guineen, was einen beträchtlichen
Preissturz bedeutet verglichen mit den
£ 2750, die 1904 von Duveen für ein ähn-
liches Objekt bezahlt wurden. Nur eine
Nummer erreichte an diesem Tage eine
vierstellige Zahl (1300 Guineen), nämlich
einPaar französischer Altarkerzenhalter aus
dem Ende des 16. Jahrhunderts (Permain).
Der höchste Preis des vierten Tages,
750 Guineen, wurde von Davidge für ein
Paar messingene englische Kerzenhalter aus
dem 17. Jahrhundert bezahlt.
Am ersten Tage der Versteigerung der
zweiten Abteilung konzentrierte sich die
Aufmerksamkeit in erster Linie auf eine
braune Achatvase mit Weinranken in Hoch-
relief, die, wenn die Tradition recht hat,
einst Rubens gehörte. Sie wurde vom
amerikanischen Bildhauer Brummer für
1650 Guineen erobert. Die Versteigerungs-
objekte des zweiten Tages bestanden im
wesentlichen aus antiken und Renaissance-
gemmen, von denen eine römische, mit der
Figur des Herkules, 490 Guineen eintrug.
Noch bevor die auf den 24. und 27. Juli
angesetzte Versteigerung der Sargent-Bildei'
und Zeichnungen aus. dem Besitze des Ma-
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