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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 8
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Ben Gavriʾel, Mosheh Yaʿaḳov: Das Grab des Nikanor
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0258
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Abb. 2. Grab der Familie Amram Photo: J. Schveig, Jerusalem
Zwei der Ossuarien mit Schmuck versehen. Die Ornamente tragen noch Farbspuren. Der mittlere
Knochenkasten ist bemerkenswert durch den Deckel und das primitiv eingeritzte Muster.

kleiner Schmuckstücke oder anderer kleiner Dinge aus Ton — hineinschob. Nach ein
paar Jahren nun, wenn ein neues Familienglied starb, und man den Platz benötigte,
wurden die Knochenreste in einen kleinen Steinsarg, sogenannte Ossuarien, gesammelt,
die mit anderen gleichartigen in einer Höhle unter den Schächten, für alle Ewigkeit
deponiert wurden. Eine Anzahl solcher, etwa 80 cm langer und zwei Handspangen
hoher Ossuarien wurden gefunden. Fünf Seiten dieser kleinen Särge sind glatt, wäh-
rend die sechste, die Vorderseite, kunstvoll eingemeißelte Verzierungen, meist in Form
von Rosetten, Kelchen oder stilisierten Lilien, auf einem, wie Farbreste bezeugen,
roten Hintergrund trägt. Auf die Verewigung des Namens des Toten wurde an-
scheinend wenig Wert gelegt. So finden wir nur auf zwei der mit Knochenstaub- und
Splittern gefüllten Ossuarien, auf der Rückseite, flüchtig, unbeholfen und kunstlos
eingekratzt, in Kursivschrift den Namen Amram.
Weit interessanter, schon wegen der Weitläufigkeit der Anlage und aus historischen
Gründen ist das andere, einen Steinwurf vom archäologischen Institut der Universität
gelegene Grab des Nikanor. Wer war Nikanor? Verschiedene Stellen im Talmud be-
richten es: ein reicher, immens reicher, sehr frommer Jude aus Alexandrien, der ein
Tempeltor gestiftet hat. Kein einfaches Tor, sondern eines, von dem Josefus Flavins
berichten kann: ». . . . sah man das östliche Tor des inneren Vorhofes, das doch von
Erz und ungeheuer schwer war, so daß zwanzig Mann es nur mit Mühe abends
schließen konnten, und das von eisenbeschlagenen Balken gehalten wurde und Riegel
hatte, die tief in die aus einem einzigen Steinblock gearbeitete Schwelle eingelassen
wurden . . .« Und an einer anderen Stelle: ». . . eines der Tore war sogar von
korinthischem Erz und übertraf die versilberten und vergoldeten ganz bedeutend an
Wert . . .« Wie die Spende dieses Nikanor, dessen Reste aus dem Lande entführt und
ins Britische Museum nach London gebracht wurden, die historische Kontinuität seines
Namens gesichert hat, so läßt auch die Grabanlage auf großen Reichtum des Mannes
schließen. Ein breiter, etwa zwanzig Schritt langer Vorhof — auf dessen rechter Seite, drei
aus byzanthinischer Zeit stammende, oberflächlich gearbeitete Gräber gefunden wur-

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