Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

DOI Heft:
Heft 12
DOI Artikel:
Sammler und Markt
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0397
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
SAMMLER UND MARKT

SAMMLUNG LAPAUZE
Am 21. Juni findet — wie wir schon im letzten
Heft mitgeteilt haben — die Versteigerung der
Sammlung des verstorbenen Henry Lapauze im
Hotel Drouot statt. Henry Lapauze, der frühere
Direktor des Palais des Beaux Arts war Ingres’
leidenschaftlicher und fast fanatischer Verehrer.
Für ihn konnte kein Künstler dem Meister, dem
er übrigens ein bedeutendes Buch: Ingres, Sa
vie et son oeuvre gewidmet hatte, gleichkommen.
So besaß er 5 2 Zeichnungen, darunter einige der
sorgfältigen und ausdrucksvollen Bleistiftbildnisse,
die die ganze »gute« Gesellschaft der Zeit dar-
stellen, ferner Studien für berühmte Bilder wie
das Türkische Bad, Sankt Symphorianus,
Martyrium und zahlreiche köstliche Aktstudien.
Zu den Ölbildern gehört ein berühmtes Meister-
werk: das Bildnis der Frau des Malers, 1818 ge-
malt, das fast überall, in Petersburg, in Kopen-
hagen, ausgestellt worden ist. Das auch sehr schöne
Bildnis des Bildhauers Paul Lemoyne hat noch
etwas Skizzenhaftes. Eine Francesca de Rimini
ist eine der zahlreichen Repliken des Bildes im
Museum von Angers (andere in Chantilly und in
Bonnats Museum). Endlich Skizzen zu Homers
Vergötterung.
Schade, daß der Louvre sich eine solche Samm-
lung entgehen lassen muß. P. C.
HERBST VERSTEIGERUNGEN BEI GASSI RER
Noch ist die Versteigerungssaison nicht zu Ende,
aber schon werden die ersten Pläne für den kom-
menden Herbst bekannt. Cassirer-ITelbing werden
den Nachlaß Wilhelm von Bo des, der aus
einer umfangreichen kunsthistorischen Bibliothek
— ein Teil wurde bereits zu seinen Lebzeiten vor
einigen Jahren bei Lepke versteigert —, einer
Sammlung italienischer Majoliken, Möbeln und
Teppichen besteht, auflösen. An derselben Stelle
wird die umfangreiche Sammlung des Geheim-
rats Eduard Simon ausgeboten werden. Die
Kollektion, die ihre Entstehung zu einem großen
Teil dem Rate Bodes verdankt, enthält Gemälde
und Plastiken der italienischen Renaissance, alte
Möbel, Renaissancebronzen, Textilien. Dieser Auk-
tion wird sich die der Florentiner Sammlung Mur-
ray anschließen, die illuminierte Handschriften,
Gemälde italienischer Meister und Möbel besitzt, h
LONDON
Auf die großen Berliner Kunstversteigerungen läßt
London seine Sensationen auf dem Auktionsmarkt
erst Ende Juni und Anfang Juli folgen. Die Reihe
begann am 1/4. d. M. bei Christie mit der Auk-
tion der Sammlung Richard Ford, die G. F.
Y\ aagen, der verstorbene Berliner Gemäldegalerie-
Direktor, schon in den i85oer Jahren in seinen
»Kunstschätzen Großbritanniens« beschrieben hat.
Die Galerie Ford ist berühmt wegen ihrer Haupt-

werke des englischen klassischen Landschafters
Richard Wilson. Aber Ford, der ein vielbenutz-
tes Handbuch für Spanien geschrieben hat, erwarb
dort auch ein Bildnis des Grafen Olivarez von Ve-
lasquez, ähnlich dem in der Dresdner Galerie be-
wahrten Bildnis des spanischen Diktators, und er
besaß auch vorzügliche Landschaften von Ruis-
dael und Claude Lorrain. — Am 18. Juni folgt
an der gleichen Stelle die Versteigerung des Nach-
lasses von R. II. Benson. Die alten Meister dieses
berühmten Sammlers sind längst verkauft, nun
folgt sein Chinaporzellan, sein Besitz an Orient-
teppichen. Die wichtigsten Auktionen aber sind am
2G. und 28. Juni, Kunstschätze aus dem Besitz des
Lord d’Abernon, des früheren britischen Bot-
schafters in Berlin, der sein Haus in Esher Place,
ein jetzt umgebautes Schloß des Kardinals Wolsey,
des allmächtigen Ministers Königs Heinrich VIII.,
auf gibt. Zuerst kommen seine französischen Möbel
und Antiquitäten, u. a. ein Polykletischer Jüng-
lingskopf, an die Reihe, dann ein Teil seiner Ge-
mälde, dabei Rundbilder von Botticelli, Ghirlan-
dajo, Mainardi und zwei köstliche Reynolds: das
Bildnis des Richters Dunning und seiner Schwester
und das nackte Kindchen mit der musselinenen
Morgenhaube. Aus anderem Besitz werden zwei
große Porträts von van Dyck, der erste Earl of
Peterborough und seine Gattin, und zwei Rem-
brandts versteigert. Es sind ein signierter Apostel
Paulus von etwa 1627/28 mit Expertisen von Bode
und Hofstede, und ein Spätwerk des Meisters, die
i65o datierte große »Beweinung Christi«, früher bei
Contesse de Behague. — Anfang Juli folgt bei
S 01 h e b y eine bekannte schottische Privatsamm-
lung mit besonders bedeutenden frühen Italienern
und Niederländern. R.
PARIS
Die Sammlung Gaboriaud, derenVersteigerung
am 25. Juni im Hotel Drouot stattfindet, hat ihre
besondere Bedeutung durch ihre mittelalterlichen
Bilder. Aus dem 13.Jahrhundert stammt wahr-
scheinlich ein Polyptychon, das in sechs Feldern
das Lehen Johannes des Täufers darstellt und ein
stark byzantinisches Gepräge trägt. Sonst ist die
Sammlung an Werken des 15. Jahrhunderts und
besonders solcher der französischen Schule reich.
Von den italienischen Bildern ist eine Heilige
Anna Masaccio zugeschrieben. Der Schule von
Siena gehört ein Diptychon mit Szenen aus dem
Leben Christi. Unter den französischen Werken
zeigt ein Christus am Kreuz zwischen Maria und
Johannes den pathetischen Ausdruck, der einen
Teil der sogenannten Schule von Avignon auszeich-
net. Aus der Touraine kommt ein etwas süßes, aber
angenehmes Bild des Heiligen Martin, wie er sei-
nen Mantel mit einem Bettler teilt. - Plastik des-
selben Jahrhunderts ergänzt dieses Ensemble. P. C.

567
 
Annotationen