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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 19
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0593
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mann eine schöne Sammlung in seinem Berliner
Hause. Da hingen Meisterwerke von Manet, Bon-
nard, Gauguin, van Gogh, Matisse, Liebermann.
Auch mit der Feder ist Curt Herrmann für die
Geltung der von ihm verfochtenen Anschauungen
eingetreten, in seinem Buche »Der Kampf um den
Stil«. Als der Künstler vor fünf Jahren seinen
70. Geburtstag feiern konnte, zeigte die Berliner
Nationalgalerie sein Lebenswerk in einer großen
Ausstellung. Lind die Universität Marburg er-
nannte ihn damals zu ihrem Ehrendoktor. B.
Der bisherige Direktoralassistent des Fogg-Museum
und Dozent an der Harvard Universität, Mr.
\\ alter H. Siple, M. A., ist soeben zum Direk-
tor des Art Museum in Cincinnati, Professor
für Kunst an der Universität dieser Stadl und Ku-
rator der berühmten Sammlung Charles P. Tafft,
ernannt worden. Da der Stadt Cincinnati diese
hervorragende Sammlung jüngst zugefallen und
im Zusammenhang damit eine große Summe
durch eine öffentliche Kollekte aufgebracht wor-
den ist, um das gesamte Kunstleben Cincinnatis
zu heben, so wird dieser wohlbekannte Gelehrte
und energische Museumsmann in seinem neuen
Wirkungskreis eine weite und segensreiche Tätig-
keit zu entwickeln vermögen. Cincinnati wird nun
einer der wichtigsten Kunstmittelpunkte des Mitt-
westens der Staaten werden, worauf es seiner Lage
und Bedeutung nach schon längst einen An-
spruch hat. Das Museum wird in drei neuen Flü-
geln die bedeutenden, ihm anvertrauten Sammlun-
gen der Mrs. Mary Hanna, des Air. Herbert G.
French und der verstorbenen Mrs. Mary AL Emery
beherbergen. F.
DJ AGI PFV
In einem Hotel am Lido verschied am 19. August
S s e r g e j P a w 1 o w itschDjagile v (geb. 1872),
der glänzend begabte russische Amateur und Kunst-
freund.
Djagilev entstammte einer alten Adelsfamilie und
kam 1890 aus dem fernen Perm als junger Stu-
dent nach Petersburg, wo er sich dem Kreise des
spätem Malers und Kunstschriftstellers Alexan-
der N. Benois anschloß und schon nach eini-
gen Jahren als Kunstsammler die Aufmerksamkeit
auf sich lenkte, als er nach einer ersten Auslands-
reise Werke von Menzel, Liebermann, Lenbach,
Israels, Puvis de Chavannes u. a. mitbrachte. Von
noch bedeutenderer AY irkung für die moderne
Kunstbewegung in Rußland waren dann die von
Djagilev in der Nevahauptstadt arrangierten Aus-
stellungen »Englischer und deutscher Aquarelli-
sten« (1897), »Skandinavischer« und schließlich
1898 »Russischer und Finnischer Künstler«, aus
welcher letzterer Schau sich die Künstler-Genos-
senschaft »Mir Iskustwa« als Repräsentantin
der russischen Moderne herausschälte. Unter der
gleichen Spitzmarke (»Kunstwelt«) begann auch

Djagilev, mit finanzieller Unterstützung der Für-
stin Alarie Tenischev, eine vortrefflich redigierte
Kunstzeitschrift herauszugeben, welche bis 1:904
existierte und den neuen Kunsttendenzen die Wege
bahnte sowie in Wort und Bild über moderne
europäische Kunst informierte. Die »Mir Iskust-
wa« wurde zugleich zum Sprungbrett für die buch-
grapihischen Talente eines Somoff, Bakst, A. Be-
nois, E. Lanceray u. a., wie denn überhaupt die-
ser Zeitschrift in der Geschichte neuer russischer
Kunst und Kultur ein Ehrenplatz gebührt.
Nach Eingang der »Mir Iskustwa« nahm Djagilev
die große russische Porträtausstellung in Angriff,
welche 1905 im Taurischen Palais in Petersburg in
brillanter Aufmachung und nach einem sehr breit
ausgearbeiteten Programm stattfand. Am Vor-
abend der ersten russischen Revolution war hier
aus allen Teilen des weiten Reichs eine imposante,
über 2000 Nummern zählende Bildnisgalerie zu-
sammengebracht worden, welche die Haupt- und
Nebenpersonen der russischen Vergangenheit seit
Peter I. Revue passieren ließ. Es ist unendlich zu
bedauern, daß die von Djagilev geplante große
Publikation, welche den Bestand dieser einzigarti-
gen Schau kunstwissenschaftlich zu registrieren
und werten hatte, nicht verwirklicht werden
konnte. Gleichzeitig war ein zweites, wie stets bei
Djagilev großangelegtes Verlagswerk projektiert
— eine Geschichte der Malerei des russischen Dix-
huitieme, von welcher aber nur der erste, präch-
tig ausgestattete Band, gewidmet dem Porträtisten
D. G. Lewitzkij (1735—1822), zur Ausgabe
gelangte.
Nach der Revolution von 1905 hielt es Djagilev
nicht mehr in seiner Heimat und fortan bleibt
Paris sein Betätigungsfeld. 1906 arrangierte er
hier die erste moderne russische Kunstausstellung
im Rahmen des Salon d’Automne; später ging er
zum Theater über, für das er auch früher starkes
Interesse hatte, und wurde Impresario der glän-
zenden russischen Opern- und vorwiegend Ballett-
Stagioni, welche in der Vorkriegszeit solch rau-
schende Erfolge davontrugen und eine ganze Reihe
russischer Theaterkünstler, mit Leon Bakst an der
Spitze, berühmt machten. Trotzdem die Erfolge
all dieser epochemachenden Inszenierungen mit
den Jahren nachließen, setzte Djagilev sein Werk
mit nie erschlaffender Intensivität bis zu seinem
Lebensende fort. Immer neue dekorative Ideen
und Probleme wurden realisiert, immer neue
Künstler — u. a. solche Meister wie Picasso, Bra-
que, die Laurencin — wurden herangezogen, und
der Charmeur Djagilev verstand es stets, immer
neue Mittel für seine geldverschlingende Stagioni
aufzutreiben. Unabhängig vom Grade des Gelin-
gens wirkten diese Vorstellungen des russischen
Balletts in der Pariser Theaterwelt bis zuletzt stets
als ein künstlerisches Ereignis ersten Banges.
P. Ettinger
 
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