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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 19
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0592

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dringlicher Kopf glückt), als Schilderer dörfischer
Zuständlichkeiten. Erstaunlich seine Beobachtungs-
gabe, die Großzügigkeit in der Erfassung des Bild-
objektes bei liebevoller Durchbildung der Einzel-
heiten, die Vielgestaltigkeit und Selbstverständlich-
keit der Raumdarstellung, in der die Monumentalität
der Wirkung mit einfachsten Mitteln erzielt wird.
So in der ganz altmeisterlich wirkenden nüchternen
Sachlichkeit des Ivircheninnern durch die Verti-
kale der zwei Stützen, die dem Bild eine eigene
weihevolle Note gibt; oder etwa in dem Dorfbild,
das durch die drei Bäume am Rande des Tüm-
pels zusammengefaßt und gegliedert wird. Mil
welch unnachahmlicher Sicherheit ist nicht die viel-
fach verschränkte Gestalt der ihre Füße waschen-
den Frau in den Raum gesetzt, mit dem Akkord
von gedämpftem Rot (in der Bettdecke), Sma-
ragdgrün (in der Jacke) und warmem Grau
(Schoß) eines der farbig wirkungsvollsten Bilder.
Es ist eine Kunst, die zweifellos durch Anschau-
ung gereift ist, die aber gleichwohl, besonders in
dem »Hochzeitszug«, eine gewisse urtümliche
Naivität besitzt, die bisweilen, und so gerade in
dem letztgenannten Bild, etwas an den Zollwäch-
ter Rousseau erinnert. Poglayen-Neuwall
MARBES-ZEIGHN U N GEN
Im Oktober findet im Städtischen Museum Elber-
feld eine Ausstellung von II cl Zeich-
nungen von Hans von Marees statt. Sie um-
faßt rund So Blätter aus allen Perioden seiner
künstlerischen Entwicklung. Das außerordentlich
wertvolle Material, das in solcher Geschlossenheit
zum ersten Male in Elberfeld gezeigt wird, ver-
dankt der Museums-Verein dein Entgegenkom-
men folgender Museen: Nationalgalerie Berlin,
Graphische Sammlung und Staatsgemälde-Samm-
lung München, Städtische Kunstsammlung Düssel-
dorf, \Vallraf-1»ichartz-Museum Köln, Städtische
Galerie Frankfurt a.M.,. Kunsthallen Hamburg
und Bremen. Ferner haben zwei Privatsammler
und die Galerie Abels in Köln die Ausstellung
durch Leihgaben unterstützt.
Im gleichen Monat zeigt die Künstlervereinigung
»W u p p e r k r e i s« im großen Ausstel-
lungssaal die Arbeiten ihrer Mitglieder.
KÖLN
Der K u nstverei n ehrt Käthe Kollwitz mit einer
Gesamt-Ausstellung ihres graphischen Werkes, die,
wohl schon anderwärts gezeigt, durch eine Anzahl
unbekannter Handzeichnungen (meist Entwürfe
für spätere graphische Blätter) und durch ein frü-
hes Selbstporträt (Federzeichnung) glücklich ver-
vollständigt ist.
Die Galerie Abels bringt die schon in London
gezeigte Sin tenis-Ausstellung.
Die Galerie Becker zeigt erstmalig eine Kol-
lektiv-Ausstellung des Kölner Mal crs Franz Sei-

wert. Seine charakterstrenge und ernste Kunst ist
ihren revolutionären Anfängen treu geblieben, in
den Farben ist sie jetzt vielleicht feiner nuan-
ciert, in der Komposition lebendiger. Gegenüber
den rein abstrakten Arbeiten seiner ersten Schaf-
fensjahre treten jetzt Gestaltungen sozialen Le-
bens (Diskussion, Feierabend, freudlose Gasse,
Fahnenträger) mehr hervor. Doch handelt es sich
dabei ausschließlich um den vom Einzelmenschli-
chen abgelösten V o r g a n g , das Individuum selbst
wird zum Vertreter einer Schicht, dargestellt
als holzpuppenhaft starrer Funktionär sozialer
Zwänge. Durch diese Selbstbeschränkung, Ver-
zicht auf inhaltlichen und formalen Reichtum er-
hält sein Werk eine Geschlossenheit, die etwas von
der unerbittlichen Strenge, Klarheit und Gültig-
keit mathematischer Formeln hat. Seiwert könnte
der große politische Plakatkünstler sein, Fresko-
maler in großen Volksbauten, und er ist schon
heute der beste und ernsthafteste Vertreter pro-
faner Glasmalerei, für die die moderne Architek-
tur ein großes Aufgabenfeld schaffen könnte.
Ernst Scheyer
LONDON
Paul Guillaume Gallery
Eine interessante Ausstellung von Gemälden und
Zeichnungen ist jetzt, in London bei Paul Guil-
laume zu sehen. Das hervorragendste Werk ist
ein Bild von Gezanne,, elementar in den Farben,
spontan in der Malweise. In scharfem Gegensatz
dazu stehen zwei Frauenköpfe mit den unvermeid-
lichen schwarzen Kugelaugen von Marie Lauren-
cin. Ein Frauenkopf von Derain, ebenso eine
Landschaft von Utrillo und ein Früchtestilleben
von Renoir fallen auf. Von den Zeichnungen sind
drei Rötelstudien mit Frauenakten des Bildhauers
Dobson. die ihn als Künstler ersten Ranges zei-
gen, drei charaktervolle Studien von Modigliani
und ein Blumenstil leben von P. Nash besonders
hervorzuheben. 11 • W.
P E R S 0 N A L I A
In Prctzfeld in Oberfranken, wo er seit Jahren
lebte, ist der Maler Gurt Herrmann im 76.
Lebensjahre gestorben. Der Künstler um die Jahr-
hundertwende eine der bekanntesten und geach-
telten Erscheinungen im Berliner Kunstleben, hat
in unserer Malerei seinen Platz als der konse-
quente Vertreter des Neoimpressionismus. Und
wenn es ihm auch nicht gelungen ist, mit dem
Pinsel und mit der Feder dieser Richtung die füh-
rende Rolle zu gewinnen, die er für sie erstrebte,
so zählen doch seine Schöpfungen zu den farbig-
sten und reinsten Äußerungen der über den Im-
pressionismus hinausstrebenden Malerei.
Gurt Herrmann gehörte zu den Begründern der Se-
zession, er leitete sie dann einige Zeit und war
schließlich ihr Ehrenmitglied. Von den französi-
schen Impressionisten und den anderen Künstlern,
denen er sich verwandt fühlte, vereinigte Ilerr-

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