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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 8
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Biermann, Georg; Derain, André [Gefeierte Pers.]: André Derain
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0260

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Derain Frau mit Perlenkette. Öl. 1928
Sammlung Etienne Bignou, Paris

AND R E D E HAIN VON GEORG BIERMANN
Die Galerie Flechtheim-Berlin, deren Ausstellungen seit langem zu den wichtigsten
Tatsachen der überaus lebendigen deutschen Kunstpropaganda gehören, zeigt zum
zweiten Mal in ihren schönen Räumen am Lützowufer das Werk des Franzosen, das
wir 1922 zuerst an der gleichen Stelle sahen. Manches von früher her bekannte Bild
wird auch diesmal gezeigt- viel Neues — zumal aus den letzten Jahren — ist hinzu-
gekommen. So manches Hauptwerk mußte leider fehlen, weil es längst in amerika-
nischen Privatbesitz eingegangen ist oder auch bei französischen Sammlern leider nicht
auszuleihen war. Das ist an sich bedauerlich, wenn auch den Umständen nach er-
klärlich. An Flechtheims schöner Besessenheit, auch diesen Derain so großartig und
vollblütig als nur möglich vorzustellen, darf nicht gezweifelt werden. Wir sind ihm
auch für diese Ausstellung dankbar, die — ungeachtet aller Lücken — trotzdem eine
der interessantesten ist, die man seit Wochen in Berlin sehen kann.
Vorausgeschickt sei, daß die europäische Konsolidierung, anders als damals im Jahr
1922, wenigstens im Künstlerischen eine gottlob längst vollzogene Tatsache bedeutet.
Damals kam der Franzose Derain sozusagen als erster künstlerischer Nachkriegs-
repräsentant nach Berlin und die Begegnung mußte verblüffen. Wir haben darüber
seiner Zeit ander gleichen Stelle, in einem ebenfalls illustrierten Aufsatz des »Cicerone«
berichtet und versucht, angesichts dieser ersten Frühlingsbotschaft im Sinne des künst-
lerischen Europas das Gegensätzliche zwischen französischem und deutschem Wesen
aufzuzeigen. Unser Appell nannte die gegenseitige Durchdringung beider Völker als
das erstrebenswerte Ziel im Geiste einer heute gottlob nicht mehr utopistischen, viel-
mehr täglich sich nachdrücklicher vollziehenden Annäherung, deren letzte Erfüllung
jene universale künstlerische Gesamtstruktur eines Erdteils sein müßte, ähnlich jener
wundervollen mittelalterlichen Gemeinsamkeit, die — wenigstens im Geistigen — das
nationalistische Prinzip noch nicht gekannt hat. Die vergangenen Jahre haben — trotz
aller politischen Divergenz — diesen Prozeß bedeutend gefördert. Derain ist uns
heute nicht mehr der Franzose von jenseits des Rheins, sondern der Europäer, das

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