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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 24
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Rundschau
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RUNDSCHAU

BERLINER AUSSTELLUNGEN
»Seit Cezanne in Paris« / Junge Künstler/
Porza / Carvallo-Schiilein / Ehrncke
Die Galerie Flechtheim veranschaulicht in
nuce das Insgesamt französischer Kunst »seit Ce-
zanne«. Wir haben nicht viele mit solcher Um-
sicht und wählerischen Bedachtsamkeit, mit ähn-
lichem Gefühl für Epoche und innere Kontinuität
aufgebaute Darbietungen des Kunsthandels noch
zu sehen bekommen, was um so mehr heißen will,
als nur Aquarelle, Zeichnungen und kleinere Pla-
stik das Material bilden. Der damit gegebenen Ver-
suchung, auch Gelegentliches nicht zu verschmä-
hen und Lücken der Folge getrost mit Nebenbei-
werk auszufüllen, ist man nicht erlegen, — mit je
zehn oder zwölf Arbeiten sind außer dem termi-
nus a quo Cezanne etwa Degas (berückendes Tän-
zerinpastell grün auf grünem Karton vor allem!),
Lautrec, van Gogh (kristallenes ITeuschoberaqua-
relI!), Renoir, Redon, Seurat (schattenhaft und
steif ins Grau einschwebende Gestalten, das sche-
menschwarz aus Schwarz tretende Selbstbildnis),
Matisse (große, freizügig hingeschriebene Feder-
blätter), Derain, Gris, Braque wahrhaft repräsen-
tiert. Picasso erscheint in der ganzen weiten Viel-
falt seines Vermögens. Zeichnungen der beiden
entscheidenden Bilder, des nur in seiner Plastik
vorcezannischcn Rodin und des Cezanne der Pla-
stik: Maillol. Dazwischen aber auch Bonnard,
Gauguin. Signac (der doch in dieser Umgebung
beträchtlich abfällt), auch minder Bekannte dieser
Generation wie Maximilien Luce oder Roger de la
Fresnaye. Und dann die singuläre Erscheinung
Rouault (Aquarelle von einer ganz ungallisch wü-
sten, hohnunlerlaufenen Kraft), Dufy, Utrillo und
die Jungen: etwa der kühn mit nervösen Blitzen
hantierende Masson, de la Serna, vor allem, leich-
ten Geistes und überlegen, Jean Cocteau. Aber
nicht die französische Kunst, sondern die »Ecole
de Paris« ist Thema. So stoßen hinzu noch viele
in Paris heimisch gewordene Ausländer, Pascin
und Chagall, Isaac Grünewald und Max Ernst,
Giorgio de Clurico (mit archäologischer Allotria)
und Joan Miro. Schließlich und keineswegs als
Anhängsel die Plastik: Maillol voran, die Maler-
hildner Degas, Renoir und Matisse, ein gewalt-
tätiger Herkuleskopf von Bourdelle, Despiau, Lau-
rens (fein zerlegte, blasse Terrakotten), — und
auch hier die Fremden mit Manolo, Gargallo, Ko-
gan, dem jungen Elherfelder Breker und Bran-
cusi, der mit einem wunderbar reinen Onyx-Ova-
lith von eigenster Wölbung eine leider immernoch
fast unbegriffene Entwicklungszukunft der Skulp-
tur vordeutet. Da selbst diese kaum zu erschöp-
fende Darbietung den beigebrachten Vorrat nicht
ganz zu bergen vermochte, wird sie noch ihre
Fortsetzung finden.
Die allweihnachtlich vom »Kunstblatt« veran-

staltete Ausstellung junger Künstler kann
diesmal ins eigene Verlagshaus einladen. Es finden
sich an hundert Arbeiten von fast ebenso viel Ver-
fassern vor, darunter wohl zu zwei Dritteln von
noch nie vor die Öffentlichkeit Getretenen. Man
ist mindestens von jedem zweiten Bild gefesselt
und hat wieder eine ganze Reihe von eigentüm-
lichen Begabungen zur Kenntnis zu nehmen. Die
Batike, Brellochs, Driesch, Grewenig, Hauff, Wolf
Hof mann, Lasius, Ressel, Rosenberg, Seeck, Ul-
fert Wilke waren auch schon an anderer Stelle
verschiedentlich anzulreffen und hoffnungsvollzu
vermerken, worin das hier von ihnen Gezeigte nur
bestärken kann. Auch Karl Peter Röhl wäre eigent-
lich zu ihnen zu rechnen, aber man kannte ihn
nur als Rechtecke-Füger und sieht sich nun vor
einer gelösten, atmosphärischen Winterlandschaft
von nicht gewöhnlichen Qualitäten. Alexander v.
Szpinger und Hans Stübner gehörten bereits im
Vorjahre zu den besten Ergebnissen dieser Veran-
staltung. Aber die übrigen, vor deren Leistungen
man hier innehält, begegnen wohl wirklich zum
ersten Male: Willi Jungnes, dessen hutzelige
»Bäuerin« man nicht vergessen wird, der Kölner
Ronig, der fein durchkomponierte Stilleben zeigt,
Wedewer, dessen »verschneite Hinterhäuser« sich
die Nationalgalerie um der subtilen Bildraum-
Architektur dieses schlichten Stückes willen als
Präsent wohl gefallen lassen kann, der etwa
Kretzschmar nachgeratende Wobst, der Hannove-
raner Busack in zartgestimmter Einfachheit, der
liebenswürdige Kleinschilderer Poll, weiter Pri-
clöhl mit rot und rosa blühendem Eingeweide-
Stilleben, Szymkowiak, Margarete Schall, vor al-
lem noch Annette Engelmann, deren träumerisch-
verschossene Farben das Geheimnis dreier altmodi-
scher Schwestern wahren. Ungern nur breche ich
die Aufzählung beachtlicher Nachwuchserschei-
nungen ab, um lediglich noch die Plastiker Otto
Baum aus Stuttgart und Walter Rößler aus Köln
zu registrieren.
Mit bunt gemischten Weihnachtsbildermessen von
geringerer Bedeutung und schwankendem Niveau
haben sich die Deutsche Kunstgemein-
schaft (mit ausgezeichneten Arbeiten von Ivaus,
Gottfried Graf, Gawell, Feibusch, Schoff, Wil-
helm Wagner) und die jetzt auffallend tätige Ge-
meinschaft Porza eingestellt. Sie zeigt zwischen
viel Mittel- und Minderwert zwei reizende Bilder
von Bernhard Klein, schlagende Schematisierun-
gen von Nerlinger, frisch und witzig modellierte
Nacktfigürchen von Laurent F. Keller, die feine
Porträt-Terrakotta Jecllickas von Ilmari, schwarze,
skurrile Zementgebilde von Pellon und vor allem
scharf aus der Realität gerissene Lithozeichnungen
Alfred Springers, deren unverblümte Energie einem
nachgeht. Diese Porza-Schau schloß sich einer an-
deren an mit mehreren Einzelkolleklionen, dar-

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