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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 6
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Biermann, Georg; Bode, Wilhelm von [Gefeierte Pers.]: Wilhelm von Bode
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0183

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WILHELM VON BODE f
Vierundachtzigjährig ist er am l. März dahingegangen, letzter Zeuge einer Welt, die
nicht mehr die unsrige sein kann. Sein Lebenswerk, dem Hochachtung und Bewunde-
rung nicht versagt werden darf, war eigentlich schon mit dem Tage abgeschlossen,
als der Weltkrieg ausbrach. Denn dieser leidenschaftliche und oft auch im Sinne seines
Zieles unbedenkliche Organisator war der Prototyp der wilhelminischen Kulturepoche,
Parteigänger in einem Deutschland, dem scheinbar ein Platz an der Sonne bestimmt
schien, Imperialist im besten Sinne des Wortes, ebenso überzeugt von der Größe seiner
Mission wie von der seines deutschen Vaterlandes. Er hat Berlin zu einer Museums-
stadt ersten Grades in Europa gemacht und als der große Kenner von Gottes Gnaden
wußte er die Interessen des Weltkunstmarktes mit Berlin und seinem Museum zu ver-
binden. Seine Aktivität war beispiellos, und noch in den letzten Tagen seines Erden-
daseins beinahe ungeschwächt.
In jener Zeit des großen Aufstiegs war Bode auf seinem Gebiet der unbeschränkte
Herrscher, dem sich selbst Amerika tributpflichtig fühlte. Denn Bodesche Gutachten
fixierten börsenmäßig die Werte, auf die es ankam. Sein Blick hat in der Tat, solange
er noch die alte Frische hatte, selten geirrt und wenn er sich einmal wie bei der be-
rühmten Flora-Büste wirklich hatte täuschen lassen, war seine Besessenheit trotzdem
beispiellos. Er war Kenner und Unternehmer in eins. Der Kaufmann in ihm hat seinem
Museum in der Tat Millionenwerte um billigen Preis zugeführt und daß er, der als
»grand expert« leichthin ein Riesenvermögen hätte verdienen hönnen, diese seine
Wissenschaft immer nur in den Dienst seiner Sammlung stellte, gibt ihm heute, mehr
denn je, jenen Glorienschein, der mit Recht um das Haupt des nur um seine Aufgaben
Bemühten strahlt.
Irgendwie bleibt dieser Mann, dessen Tod Menschen in allen Teilen Europas und
Amerikas beklagen, beispielhaft auch noch für nachfolgende Generationen. Einer der
Wenigen also, die in jedem Jahrhundert auf ihrem Gebiet nur einmal da sind und Einer
von denen, die am Tage der letzten Rechenschaft Bejahung ihres Werkes und nicht
Verneinung fordern dürfen.
Trotzdem verlangt die höhere Verantwortung gegenüber dem, was morgen sein wird,
daß Irrtümer, ohne die kein Menschenleben denkbar ist, um der Wahrheit willen auf-
gezeigt werden und es darf bei aller Wertung der Bodeschen Leistung dennoch nicht
verschwiegen werden, daß wir heute andere Ansprüche an die Museen stellen als sie
der Generation eines Jakob Burckhardt — der innerlich auch Bode angehörte — vor-
schwebten. Kein Zweifel, daß man gerade einen Wilhelm von Bode einmal — auch
rein im Geistigen — als Prototyp des 19. Jahrhunderts erkennen wird, das im Spezia-
listentum exzellierte und auf allen Gebieten in erster Linie philologische Vertiefung
gesucht hat. Für diese Generation war die Kunst in erster Linie Sache der Wissen-
schaft und die Museen in erster Linie Lehranstalten für die Kunsthistoriker. Dabei
konnten diesen gelehrten Antiquaren zuweilen dennoch Wunderdinge gelingen, und
es ist bezeichnend für die Situation, daß ein Mann wie Bode wohl ein halbes Leben
für Rembrandt opfern konnte, dagegen einen Künstler wie Greco einfach nicht ver-
stand und daß er all die Menschen leidenschaftlich haßte, die etwa den Versuch
machten, ihm diesen neuen künstlerischen Wert näherzubringen oder ihn gar für die
moderne Kunst zu gewinnen, deren reaktionärster Widersacher er bis zu seinem
Tode geblieben ist. Wie schwer hat es dieser streitbarste aller Kunstgelehrten dieser
Jugend schon vor zwanzig Jahren gemacht, als die moderne europäische Bewegung
den Impressionismus zu überwinden begann. Und so wenig wie er jemals in seinem
Reben einen zeitgenössischen Roman gelesen oder Anteil am Theater seiner Generation

12 Der Cicerone, Jahrg. XXI, Heft 6

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