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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 16
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Sammler und Markt
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Französisch, 12. Jahrhundert Die drei Marien am Grabe und die Grablegung Christi
Sammlung Demotte, Paris
SAMMLER UND MARKT

EINE FRANZÖSISCHE GRABLEGUNG DES
12. JAHRHUNDERTS
Die hier abgebildete Grablegung ist bisher in der
Literatur nicht gewürdigt worden. Zweifellos ge-
hört sie zum Schönsten, was von der französischen
Skulptur des Mittelalters in den letzten Jahren be-
kannt geworden ist. Der schmale Reliefstreifen,
offenbar Teil eines Tympanons, zeigt rechts die
Grablegung, links den Engel und die drei Marien
am Grabe. Die wenigen Figuren, abgesehen von
Christus, acht an der Zahl, stehen frontal neben-
einander, Überschneidungen sind ängstlich vermie-
den, das Grab und der Körper Christi bilden die ein-
zigen Horizontalen. Dem strengen Aufbau der bei-
den Szenen entspricht die ebenso einfache wie groß-
artige Form der Durchführung im einzelnen. Keine
übermäßigen Gewanddrappierungen, keine starken
Bewegungen. Die Gesichter der Männer drücken
ein wohlgeordnetes Leid aus. Trauer gräbt nur in
die Gesichtszüge der Marien Furchen. Allein der
Engel zur Linken, der das Geheimnis des großen
Mysteriums der Auferstehung kennt, lächelt.
Der stilistische Befund läßt das Relief deutlich der
Schule von Chartres zuweisen. Die rundplastische
Art der Modellierung verrät einen Meister der spä-
ter tätig war, als die Schöpfer der Skulpturen in
Chartres, ja sogar die der von Chartres abhängigen
in La Charite sur Loire, die erst kürzlich von Been-
ken (Art Stuclies, Band 6, S. i/|5) besprochen wor-
den sind.
Das Relief gehörte ursprünglich zur Abbaye de
Saint Pere, die n5o—i3io erbaut wurde und be-
fand sich vor der Erwerbung durch den jetzigen
Besitzer im Chateau de Villarnoult in Burgund.
Scharf
AUS DEM ANTIQUARIAT ROSENTHAL
Handschriften und Frühdrucke in deut-
scher Sprache ist der Titel des neuesten Katalogs,
den das bekannte Münchner Antiquariat Jacques
Rosenthal als Festgabe zum 75. Geburtstag seines
Gründers herausgebracht hat. Der Katalog erhält

dadurch besondere Bedeutung, daß er nicht nur
bibliophile Kostbarkeiten, sondern auch wenig be-
kanntes, seltenes und teilweise noch nicht beschrie-
benes Material enthält. Von den sechs Handschrif-
ten des Kataloges kann jede hohe Beachtung bean-
spruchen, sei es die Weltchronik des Rudolf von
Ems, die Bilderhandschrift des Renner von Hugo
vom Trimberg, die Reisebeschreibung John Mande-
villes, die Tagzeiten unserer lieben Frauen salz-
burgischer Provenienz, die fünfzehn Zeichen des
Jüngsten Gerichts, eine oberrheinische Handschrift,
aus der Mitte des iS.Jahrh. Von besonderen Sel-
tenheiten unter den Wiegendrucken seien genannt
Nr. 10: Alt Ötting, die großen Wunderzeichen un-
ser lieben Frauen zu alten Öttingen, Nürnberg
1/190, bisher unbeschrieben und anscheinend das
einzige erhaltene Exemplar dieses Druckes; Nr. 16:
S. Brigitta, Bürde der Welt, Nürnberg i48i, Erst-
ausgabe; Nr. 17: Sebastian Braut, Narrenschiff, Ba-
sel 1/196, Erstausgabe; Nr. 22: Christophorus von
Glatz, Prognostieon, Nürnberg, um 1/190, bisher
unbeschrieben, mit Titelholzschnitt von Michael
Wolgemut; Nr. 33: Ilartlieb, Alexander-Roman,
Straßburg 1/488; Nr. 36: IJortus Sanitatis, Mainz
i/|85, wichtigstes naturkundliches Werk des Mittel-
alters; Nr. 3g: Voragine, Leben der Heiligen,
Urach i/|8i, eine der seltensten Ausgaben des deut-
schen Heiligenlebens; Nr. 48: S. Meinrat, Wall-
fahrt zu den Einsiedeln, Nürnberg, um 1/198
(Abb.); Nr.Si: Teutsch Passion, Augsburg 1491,
Unikum; Nr. 52: Plenarium deutsch, Augsburg
1/1.78, von ausgezeichneter Erhaltung; Nr. 58:
Schatzbehalter, Nürnberg 1491, das bedeutendste
Holzschnittbuch der Wolgemut-Werkstatt und der
erste Nürnberger Druck mit Originalillustrationen;
Nr. 59: Spiegel menschlicher Behältnis, Augsburg
1/189, s&hr selten; Nr. 63: Terentius, Komödien,
Straßburg 1/499. Die Ausstattung und Illustrie-
rung des Kataloges ist mustergültig.
Gleichzeitig wurden die Beiträge zur For-
sch ung, Studien aus dem Antiquariat Rosenthal,
durch ein neues Heft (U. F. II.) fortgesetzt. In-

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