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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 11
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Biermann, Georg: Tizians "Judith mit dem Haupte des Holofernes"
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0347

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TIZIANS »JUDITH MIT DEM HAUPTE
DES HOLOFERNES«
VON GEORG BIERMANN
Dieses als handschriftliches Dokument des späten Tizian ungemein wichtige Werk ist
durch einen unglücklichen Zufall in der letzten Auflage des Tizian-Bandes in den
»Klassikern der Kunst« der Reihe der Werkstattarbeiten und Kopien nach verscholle-
nen Originalen des Meisters zugewiesen worden, während es ganz unzweideutig alle
Merkmale der eigenhändigen Arbeit und des Altersstiles des Künstlers besitzt und an-
gesichts des Originales ein Zweifel überhaupt nicht möglich ist. Das hat auch der
Herausgeber jenes Tizian-Bandes, der als Kenner oft bewährte Oskar Fischei, sofort
festgestellt, als er Gelegenheit hatte, das vorübergehend in Deutschland gezeigte und
nun in amerikanischem Besitz befindliche Werk zu studieren. Fischei wird dieses un-
gemein wichtige Alterswerk des Meisters in der in Vorbereitung befindlichen Neu-
auflage seines Bandes nicht nur an der datengemäß richtigen Stelle unter den Origi-
nalen einschieben, sondern nennt diese Arbeit ein besonders charakteristisches Alters-
werk Tizians aus dem letzten Jahrzehnt des Meisters. Er fährt dann in seiner Be-
schreibung wörtlich fort:
»Die reiche Nuancierung der Goldtöne vom hellsten metallischen Reflex im Ärmel
bis in das tiefe Goldlackrot des Vorhanges, die bläulichen Töne im Fleisch, die kaum
die Untermalung decken und doch ein atmendes für Tizian bezeichnendes dramatisches
Leben ergeben, die summarische und karge Art, mit den geringsten Mitteln eine
Form farbig zu vollenden, wie beim Kopf der Mohrin, gehen eine gute Darstellung
vom Stil des neunzigjährigen Meisters. Es gehört in seinem bei wenigen Farben groß-
artigen Kolorismus zusammen mit dem Bild der Angelica und Medea in Wien und
dem hl. Nicolaus in S. Sebastiano in Venedig«.
Man wird dieser eindringlichen Charakterisierung des Werkes, ebenso auch seiner
Zuweisung als Arbeit des Neunzigjährigen unbedenklich zustimmen und doch seien im
Zusammenhang mit diesem Bilde noch folgende Kennzeichen erwähnt, die seine innere
Beziehung zum übrigen Werk des — wie man weiß — erst spät vollendeten Meisters
beleuchten und angesichts unserer Detailaufnahmen dem Forscher besonders will-
kommen sein dürften.
Daß die sogenannte Laura de’Dianti in Richmond1 (Abb. bei Fisclrel S. 55) auch in
Gesellschaft eines jungen Mohren erscheint — nach Hadeln soll die Wiederholung
dieses Bildes in der Galerie von Modena das Original sein — beweist höchstens
die gelegentliche \ orliebe des Meisters für die Exoten von damals, die der venezia-
nische Handel aus nordafrikanischen Häfen direkt importierte. Dagegen erklärt ein
Vergleich unseres Details (Abb. 3) mit dem Bild in Richmond, daß beide Werke zwei
durchaus verschiedenen Epochen angehören müssen. In dem Maße wie das Dianti-
Bildnis noch ein wenig befangen und akademisch anmutet, in dem Maße ist das Spät-
werk frei in der Form und prachtvoll fließend in der Pinselführung. Grund genug,
um das Letztere als Arbeit des Neunzigjährigen erkennen zu lassen. Trotzdem, der
V ergleich beider Bilder ist irgendwie aufschlußreich.
Daß lizian bei seinen mythologisch-allegorischen Bildern und solchen, die ihnen aus
1 Von Fischei 1522/23 datiert.

SW
 
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