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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Sonderheft Kunstliteratur
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19. Jahrhundert
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Jahrhundert

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ALBRECHT FRIEDRICH HEINE: ASMUS JA-
KOB CARSTENS UND DIE ENTWICKLUNG
DES FIGURENBILDES. Stud. z. dtsch. Kst.-
gesch. 264. Heitz. Straßburg 1928.
Heines Carstens-Buch ist eine gute, fleißige, me-
thodisch saubere Erstlingsarbeit eines Frühvollen-
deten, der, auf Riegel fußend, Leben und Werk
des durch Fernow und Weimar mythologisierten
Carstens klarlegt. Der Fall Carstens, der eben in
ein neues Stadium tritt, ist noch keineswegs gelöst
und verlangt eigentlich ein Meister-, nicht ein Ge-
sellenstück. Das Problem der spätklassizistischen,
präromantischen, wandlosen Monumentalkunst
zwischen Dorik und Empire gehört zu den schwie-
rigsten Fragen und ist ohne neue Vorarbeiten für
das deutsch-römische Kunstwesen zwischen 1780
und 1810 kaum zu fördern. Die Filiation ist be-
sonders verwirrt und schwierig. Deshalb konnte
auch dies tapfere Buch nichts wesentlich Neues
bringen und legt nur das Material für den Neubau
zurecht. Dieser Wert sei voll anerkannt und be-
tont. Daß Heine den schematischen Generationsbe-
griff verwendet, Weinbrenners Einfluß und Lei-
stung nicht beachtet, die architektonische Berli-
ner Schule, Füßlis Pionierarbeit, Kochs Werbe-
kraft, die Expansion der Carstens-Schule (Wien,
München, Stuttgart, Dresden, Weimar, Karlsruhe)
unterschätzt, dabei auch das antiquarische roman-
tisierende Element in Carstens Werk (Dürer, Ghi-
berti, Raffael, Faust) nicht in Rechnung stellt,
sei gegenüber dem Verdienst, den genetischen Weg
von Carstens zu den Nazarenern gesehen zu haben,
nur nebenbei bemerkt. Uns fehlt vor allem das
scharfe Zangengerät feinerer Begriffe und Kunst-
worte für die unterschiedlichen Arten und Abar-
ten des barocken, klassizistischen, klassischen, ro-
mantisierenden, religiösen, neudeutschen Klassizis-
mus, die mit ihren Art- und Stammfaktoren sehr
der Erforschung bedürfen. Heines willkommenes
und hilfreiches Buch ruft Dank und Gedanken für
den tragisch Abgeschiedenen wach und läßt
schmerzlich bedauern, daß sein erstes Buch auch
sein letztes sein soll. Eberlein
HEINZ STEINMEYER: MENSCH UND LAND-
SCHAFT DER ROMANTIK. Köln. J. P. Ba-
chem.
Der Verfasser untersucht in dieser Arbeit das Ver-
hältnis des Menschen, d. h. der Staffage, zur dar-
gestellten Natur im Landschaftsbild der Roman-
tiker. Auf Grund literarischer Belege ist anfangs
ein eingehender Überblick über die Theorie der
Staffage gegeben, wie sie bei Kunstkritikern der
Zeit und in schriftlichen Aufzeichnungen der
Künstler selbst zu finden ist. Im zweiten Teil be-
handelt der Verfasser die Werke der Hauptmeister
der Romantik auf das Vorhandensein von Staf-
fage, auf deren Wert für das Bildganze und auf
die inhaltlich und formal verschiedenen Arten der

Belebung einer Natur durch Menschen. Als gei-
stesgeschichtliches Resultat dieser gründlich ge-
führten Untersuchung ergibt sich ein von den all-
meinen Ansichten über das Verhältnis des Men-
schen der Romantik zur Natur stark abweichender
Schluß. Während allerdings in der romantischen
Literatur stets vom Aufgehen des Menschen in der
Natur gesprochen wird, glaubt der Verfasser je-
doch aus der Tatsache, daß bei den meisten Ma-
lern der Romantik Mensch und Landschaft in for-
maler Hinsicht einander fremd gegenüberstehen
und daß beide nur gedanklich zusammengehören,
auf das gleiche Verhältnis zwischen Mensch und
Natur auch im ganzen Geistesleben der Zeit schlie-
ßen zu dürfen. Zwischen dem Menschen der Ro-
mantik und der Natur stand die Poesie als Ver-
mittlerin, aber auch als trennende Schranke. In
dieser Verneinung des bisherigen Gedankens der
Einheit von Mensch und Natur in der roman tischen
Geisteseinstellung liegt das Neue des Buches. Ein
Teil der Arbeit, die durch eine Reihe guter Ab-
bildungen ausgestattet ist, beschäftigt sich geson-
dert mit der Rheinlandschaft der Romantik.
Dettmann
ERNST WÜRTENBERGER: I. A. D. INGRES.
Eine Darstellung seiner Form und seiner Lehre.
Verlag Benno Schwabe & Co., Basel.
Ein Künstler, dessen stärkstes Erlebnis Ingres war,
kommt auf Grund einer jahrzehntelangen Vereh-
rung, einer verwandten Anlage und handwerklich
technischer Erfahrung zur Darstellung dieses Phä-
nomens. Bekenntnis einer Persönlichkeit, die um
echte Werte ringt und einer starken Vernunft, die
die Konsequenz im künstlerischen Tun des Mei-
sters nachzuweisen sucht.
Großartige Zitate Ingres sind die Leitmotive, zum
Beispiel: »Wenn meine Arbeiten etwas getaugt
haben und auch jetzt ihren Wert behalten, so
kommt das daher, weil ich sie zwanzigmal wieder
vorgenommen und überarbeitet habe, weil ich sie
mit der größten Gewissenhaftigkeit gefeilt und
immer gesucht habe, sie zu verbessern«. Oder »Man
muß dahin gelangen, daß man mit dem Bleistift,
mit dem Pinsel, gerade so gut wie mit der Stimme,
richtig singen kann. Die Richtigkeit der Formen
ist das gleiche wie die Richtigkeit der Töne«. Oder
»Nur diejenigen können wirklichen Vorteil aus der
Arbeit nach dem Modell ziehen, die auch olme
Modell etwas Wirkungsvolles zu schaffen im-
stande sind«. Oder »Wenn Sie dies Bein häßlich
sehen wollen, so weiß ich wohl, daß Grund dazu
vorhanden ist; aber ich sage Euch: Nehmen Sie
meine Augen, und Sie werden es schön finden«
usw.
Würtenberger findet zu diesen Leitsätzen ein-
dringliche Deutungen »Es erscheint, als ob vor In-
gres keiner sich so an die Form angesaugt habe wie
er. Wir müßten denn bis auf Mantegna, Dürer und
Holbein zurückgreifen«. Oder »Wie die Leute sit-

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