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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 6
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0198

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RUNDSCHAU

DER HL. HIERONYMUS DES FILIPPO
DA VERONA (Zur Abbildung auf Seite 155)
Von diesem sehr wenig bekannten Veroneser Ma-
ler aus dem Beginn des Cinquecento tauchte kürz-
lich bei Julius Böhler das hier wiedergegebene,
voll bezeichnete Bild auf, das seine engere Zuge-
hörigkeit zum Carpaccio-Kreise kaum verleugnen
kann. Ein sowohl dem Motiv wie der malerischen
Behandlung nach ungemein reizvolles Werk, des-
sen Veröffentlichung den Freunden venezianischer
Kunst sehr wohl Veranlassung werden dürfte,
einige der Bilder, die heute noch unter Catcnas
oder Cimas Namen gehen, hinsichtlich ihrer Zu-
gehörigkeit zu dem Oeuvre dieser noch wenig greif-
baren Künstlerpersönlichkeit eines Filippo da Ve-
rona zu prüfen. Und dazu bietet gerade dies voll-
bezeichnete Werk eine vorzügliche Grundlage, das
sozusagen eine Apotheose des Gardasees darstellt
mit Skaliger-Kasteil, Kirche von Malcesine und
den übrigen phantastischen Beigaben, die bei aller
Nalurnühe eine seltsam weltferne Stimmung
wecken. Von einem derart eigenwilligen Werke
aber wird sich unschwer eine Brücke zu den noch
unbekannten Arbeiten Meister Filippos schlagen
lassen. Biermann
AUSSTELLUNG ANGEWANDTER KUNST IN
LONDON
Die prächtigen Räume von Lansdowne Iiouse sind
gegenwärtig von Mr. Gordon Selfridge zu einer für
wohltätige Zwecke bestimmten Ausstellung ange-
wandter Kunst hergeliehen worden. Diese umfaßt
die verschiedensten Kunstobjekte englischen Ur-
sprungs aus vier Jahrhunderten. Eine Anzahl der
Gegenstände, darunter Tapisserien, Möbel und
Uhren, stammt aus königlichem Besitz; es haben
sich ferner gewisse öffentliche Institute, wie die
Golleges zu Oxford, Cambridge und Winchester,
die Londoner Zünfte und außerdem noch in wei-
tem Umfange der kunstbesitzende Hochadel an der
Veranstaltung beteiligt. Ein Großteil der ausge-
stellten Objekte gehört somit zum Unzugänglich-
sten des nationalen Kunstschatzes. Besonders be-
achtenswert sind vier lebensgroße Marmorbüsten,
welche die Könige Heinrich VIII. und Eduard V"J.
und die Königinnen Maria und Elisabeth darstel-
len. Sie stammen aus dem Landschloß von Lord
Scarborough, Lumley Castle, und sind angeblich
noch nie von ihrem ursprünglichen Aufstellungs-
ort entfernt worden. Eine interessante Gruppe
von Reliquien des hingerichteten Königs Karl I.
ist vom Herzog von Portland geliehen worden,
darunter ein Ohrring, den der Monarch bei seiner
Enthauptung getragen und der sich mit einer
handschriftlichen Beglaubigung von der Enkelin
des Königs erhalten hat. Unter den Möbeln ist ein
besonders wichtiges Stück, ein Zunftsessel aus der
Mitte des i5. Jahrhunderts, der für eine Gilde zu

Coventry gefertigt wurde und nun im Besitze der
Stadtbehörde ist. Die Ausstellung ist an Tapisserien
und Stickereien verschiedenen Datums besonders
reich. Großes Interesse erregen ferner die wun-
derbaren Prunkgefäße aus Edelmetallen, wie z.B.
das sogenannte M o n k e y Salt mit köstlicher
Affendarstellung aus New College, Oxford. Die
Ausstellung zieht große Menschenmengen an. Ein
illustrierter beschreibender Katalog liegt vor.
K.T.P.
FRANZOSEN IN BUDAPEST
»Ausstellung der französischen Avant-garde-Künst-
ler« nennt sich die Sammlung, die von der »Asso-
ciation Frangaise D’Expension et D’Echanges Arti-
stiques« nach Budapest geschickt wurde, um von
hier nach Warschau weiterzureisen. Die Enttäu-
schung, die diese wie zufällig zusammengewürfelte
Ausstellung auslöste, sollte für Veranstalter reprä-
sentativer Auslandsschauen als Mahnung dienen.
Das Budapester Publikum ist viel zu belesen und
im Ausland bewandert, die junge ungarische Kunst
steht in viel zu lebendigem Kontakt mit dem We-
sten, als daß man hier über die schwache Gesamt-
qualität einer solchen Schau hinweggetäuscht wer-
den könnte. Die entscheidenden Namen der Avant-
garde figurieren zumeist mit Graphiken, oder mit
unbedeutenden und unaktuellen Stücken. Das Gute
verdanken wir der Privatsammlung Andre Lhotes,
die in letzter Stunde, auf dringende Vorstellungen
des hiesigen Vertrauensmannes der Franzosen, mit-
geschickt wurde. So kamen je ein charakteristisches
Gemälde B r a q u e s und Picassos, etwa aus
1911, mit, ein wunderbarer, mitleid- und furcht-
erregender Clown Rou’aults,' eine kräftige ab-
strakte Komposition Marco ussis und einige
mehr oder weniger bezeichnende Graphiken. Sein-
vorteilhaft ist Ivisling vertreten, der Nach-
expressionist von französischer Kultur und ost-
europäischer Mystik, auch Gromaire mit einem
mammuthhaften Greisenkopf, Marquet mit
einer breiten, klaren Küstenlandschaft, während
Utrillo nur an einem seiner Bilder den vorneh-
men Konservativen hervorkehrte, an vier andern
aber offenbar Exportware abschob. Van Don gen
tritt am anspruchsvollsten auf, jedoch läßt sich das
Schielen nach dem Balkangeschmack auch an sei-
ner Auswahl nicht verkennen. Einen würdigen,
charakteristischen Eindruck konnte man von De-
nis und Signac gewinnen. Die schöne, blasse,
noch rein »synthetische« »Mutterschaft« des erste-
ren ist allerdings Budapester Privatbesitz. Daß Pi-
casso, Matisse, Derain , Braque so blut-
arm, manche bedeutende Avantgardisten überhaupt
nicht vertreten sind, das liegt angeblich an dem
Pariser Kunsthandel, der Bilder für derlei »exoti-
sche« Exkursionen nicht hergeben will. Hingegen
mußten wir erstaunlich kitschige Besnards und

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