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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 13
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Kunst-Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0425

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KUNST-LITERATUR

TA.NCRED BORENIUS und E. W. TRISTRAM:
ENGLISCHE MALEREI DES MITTEL-
ALTERS. Pantheon Florenz und K. Wolff
Verlag. München 1927. Mit 101 Lichtdruck-
tafeln.
In der Reihe seiner bekannten Großquartpracht-
hände, die nach einem weitgespannten Programm
eine ganze Anzahl der Hauptgebiete der mittleren
und neueren Kunstgeschichte in mustergültiger
Weise erschließen wollen, hat uns der Doppelver-
las; Pantheon in Florenz und Kurt Wolff inMün-
chen die lang erwartete Publikation über die eng-
lische Malerei des Mittelalters geschenkt, bei deren
Vorbereitung sich zwei ausgezeichnete Kenner
begegnet sind, der Kunsthistoriker Tancred Bo-
renius in London, der die Feder führt, und der
Maler E. W. Tristram, der an der in Verbindung
mit dem Viktoria and Albert Museum stehenden
künstlerischen Lehrans talt wirkt, der hier Stift und
Pinsel regiert. Das Gebiet der englischen Malerei
war in der abendländischen Kunstgeschichte seit
Jahrzehnten wunderlicherweise ganz vernachläs-
sigt, nicht einmal das Material übersichtlich zu-
sammengestellt. Ganz dürftig, was Westlake in sei-
nem Mural Painting 1902 gegeben hatte. Vor mehr
als zwei Jahrzehnten hat Artur Idaseloff in Mi-
chels Kunstgeschichte schon die große Linie der
Entwicklungen abgesteckt, gleichzeitig hatte Graf
Georg Vitzthum in seinem Buch über die Pariser
Miniaturmalerei die englische Buchmalerei des i3.
und i4. Jahrhunderts zum ersten Male in die gro-
ßen Zusammenhänge gebracht. Von der Fülle der
erhaltenen Wandmalereien hatte schon i883 C. E.
Keyser, A list of buildings in Great Britain and
Ireland having mural decorations einen Begriff
gegeben. Er hatte rund 1600 Orte mit Wandmale-
reien in England ohne Schottland und Irland auf-
gezählt, in der Grafschaft Norfolk allein rund 260.
Das Buch von Frank Kendon, Mural paintings in
English churches during the middle ages (London
1923) ist höchst bescheiden und dürftig. Erst die
letzten Jahre haben, nachdem bislang über die
englische Buchmalerei nur vereinzelte Prachtpubli-
kationen als Privatdrucke erschienen waren, uns
die erwünschten großen und zusammenfassenden
Darstellungen gebracht, im Verlag von van Oest
zwei Bücher von Erik G. Miliar, La Miniature
Anglaise (vom Anfang bis zum Ende des t3. Jahr-
hunderts, vom i4. zum iS. Jahrhundert) und den
großangelegten Versuch einer geschichtlichen Dar-
stellung von 0. Eifrida Saunders, Englische Buch-
malerei, wiederum im Pantheon -Verlag. Für Eng-
land hatte die Ausstellung der englischen Primiti-
ven vom Jahre 1920, die von der Royal Academy
of Arts veranstaltet war, der Forschung neue Wege
gewiesen und Bresche in den Turm der Gleich-
gültigkeit geschlagen. Der prächtige illustrierte Ka-
talog mit der Einleitung von W. G. Constable hat
die Wirkung dieses Ereignisses festgehalten.

Und nun kommt zu guter Stunde diese Veröffent-
lichung der beiden englischen Autoren mit 101
Lichtdrucken, mit einem knappen Text von nur
55 Seiten und einer sehr erwünschten eingehen-
den Bibliographie. Es ist eben nur eine erste Skizze
der Entwicklung der gesamten englischen Male-
rei des Mittelalters. Am stärksten ist die Monumen-
talmalerei bedacht. Bei der Auswahl der Tafeln
waren die Autoren vielleicht zu sehr auf die nun
einmal vorliegenden Aufnahmen, vor allem die
mustergültigen Kopien von Tristram, beschränkt.
Von vielen der Frühwerke, von den Wandmale-
reien der Kathedralen zu Canterbury, in Winche-
ster und in St. Albans möchte man gern noch sehr
viel mehr sehen, vor allem Übersichtszeichnungen,
die das ganze dekorative System zeigen, wie solche
schon Westlake zu bringen versuchte (aus St. Ga-
briels Chapel in Canterbury) und wie sie in der
französischen Publikation von Gelis-Didot und
Laffillee neben den farbigen Tafeln hergehen. Da-
für würden die einzelnen hier zwischen die Wand-
malereien eingereihten Proben von Buchmalereien
eher zu entbehren sein, unter Hinweis auf die gro-
ßen neueren obengenannten Veröffentlichungen.
Aber das europäische Publikum darf dankbar sein
für das, was hier geboten wird. Sehr vieles ist ja
an versteckten Stellen in den großen, aber noch
mehr in den kleinen örtlichen Zeitschriften Eng-
lands publiziert, zum Teil freilich in Serien, die
kaum in viel Exemplaren über den Kanal gekom-


Mit Genehmigung der Galerie Flechtheim

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