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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 13
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Kunst-Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0426

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men sein dürften. Die erstaunlich wenigen Werke
der primitiven englischen Tafelmalerei, die auf
englischem Boden erhalten sind, werden ergänzt
durch die unvergleichliche Serie von zum Glück
ganz unberührten primitiven Tafelbildern in den
norwegischen und schwedischen Kirchen und Mu-
seen. Ich verstehe, daß die skandinavischen Heraus-
geber, Harry Fett, in seinem schönen Buche Nor-
ges Malerkunst i middelalderen (1917) und Andreas
Lindblom, La Peinture gothique en Suede et en
Norvege (1915) möglichst viel von diesen für ein-
heimische Schulen zu reklamieren suchen. Mir er-
scheint das Wichtigste als englischen Ursprungs
und als Exportgut, wie die englischen Alabaster-
arbeiten, genau so, wie der größte Teil der goti-
schen Elfenbeine in ganz Europa französisches Ex-
portgut und wie die geschnitzten Flügelaltäre des
i5. Jahrhunderts im Baltikum zum größten Teil
niederländisches Exportgut sind. Dankbar darf
man vor allem für die Veröffentlichung der Re-
konstruktionen der unter gegangenen Wandgemälde
in der Stephanskapelle des Westminster-Palastes
zu London sein, die am Anfang der zweiten Hälfte
des 14. Jahrhunderts stehen und die Stilstufe dar-
stellen, die für die deutsche Malerei etwa durch
den Meister von Hohenfurt und den Meister Wil-
helm von Köln, in Frankreich durch die Tapisse-
rien von Angers gegeben werden. Im neuen West-
minster-Palast sind die großen rekonstruierten Ko-
pien von Tristram auf gehängt, in denen dieser mit
erstaunlicher Einfühlung aus den dürftigen Auf-
nahmen vom Anfang des 19. Jahrhunderts die
ganze Beihe der Wandmalereien, vor allem die für
die englische Geschichte so wichtigen Stifterbild-
nisse mit den Porträts Eduards III. und seiner
fünf Söhne, der Königin Philippa und ihrer Töch-
ter gegeben hat. Man muß sich klar sein, daß es
sich hier eben um eine Bepristination handelt ; die-
ses ganze moderne Werk von der Hand Tristrams
wirkt aber sehr viel echter als viele von den an-
geblich nur retuschierten echten Wandmalereien
auf deutschem Boden. Was aus dem i5. Jahrhun-
dert geboten wird, ist verhältnismäßig bescheiden.
Das Interessanteste sind hier die großen Kompo-
sitionen um i/|8o, die erst 1928 im Eton College
aufgefunden sind, deren Hauptstücke dem Maler
William Baker zugeschrieben werden, Schöpfun-
gen, die der brabantischen und flandrischen Male-
rei dieser Generation sehr nahe stehen, in jedem
Falle Malereien von einem sehr hohen Bang.
In seinem mit vorsichtiger Klugheit geschriebenen
Text, der eben nur vorläufig den Weg absteckt,
viele Seitenpfade offen läßt, manches nur andeu-
tet, hat, immer mit feiner künstlerischer Kritik,
Tancred Borenius auf Grund einer sehr viel um-
fassenderen Kenntnis der dortigen Denkmäler erst-
malig die Entwicklung der mittelalterlichen Male-
rei auf englischem Boden gezeichnet. Man möchte
zur Ergänzung den schönen prächtigen Band da-

neben stellen, den Herbert Bead (vom Viktoria
and Albert Museum), wohl der beste Kenner die-
ses Kunstkreises, der englischen Glasmalerei ge-
schenkt hat (English Staine Glass, London & New
Tork, G. P. Putnam’s Sons 1927, mit 69 Tafeln).
Der englischen mittelalterlichen Kunstforschung
darf man nach diesem vielverheißenden Auftakt
einen raschen Aufstieg prophezeien.
Paul Giemen
PIERRE DU COLOMBIER: DECAMPS. Les Edi-
tions Rieder. 1928.
Vor Delacroix und Gericault vergißt man, daß die
romantische Malerei Frankreichs Künstler kleine-
ren Genies, aber hohen Talentes ungerechterweise
in Vergessenheit geraten ließ. Einen dieser zwei-
fellos verdienstvollen Meister hat Pierre du Colom-
bier in einem kleinen Bändchen der Reihe »maitres
de l’art moderne« in seiner Bedeutung dargestellt
und die Grenzen seiner Kunst klug abgesteckt.
Jahre vor Delacroix hat Decamps die »Romreise«
der französischen Romantiker nach dem Orient
unternommen, aber im Gegensatz zu Delacroix,
dem die Reise ein malerisch farbiges Erlebnis be-
deutete, brachte sie Decamps Anregungen äußer-
licher Art, Aufgaben neuer Motive. In etwa glei-
chem Abstand, wie der Maler Decamps hinter De-
lacroix, bleibt der Lithograph Decamps hinter Dau-
mier zurück. Doch durch Themenwahl und techni-
sche Fertigkeit hatte er Erfolg und frühen Ruhm,
ln amüsanter Weise schildert Colombier Lehens-
lauf und Kunstweise des Künstlers. Die beigege-
benen Abbildungstafeln — leider etwas schwärz-
lich geraten — vermitteln eine gute Anschauung
seiner Individualität. Scharf
FRITZ KNAPP: MAINFRANKEN. Bamberg,
Würz bürg, Aschaffenburg. Universi-
tätsdruckerei. II. Stürtz. A.-G. Würzburg.
Das Buch schenkt uns einen wissenschaftlichen
Führer.
Die verschiedenen Stile werden an Beispielen der
religiösen wie profanen Architektur, Plastik und
Malerei abgewandelt und an einer Reihe von Wer-
ken hervorragender Künstler (der Dientzenhofers,
Mathias Grünewald, Petrmi, Riemenschneider,
Balthasar Neumann, Giovanni Baptista Tiepolo,
Domenico Tiepolo u. a.) erläutert.
Auf dem Hintergrund der Historie entwickelt
Knapp eine fränkische Kunstgeschichte, beginnend
mit dem 8. Jahrhundert und bis zu dem üppigen
Gezweig des Rokoko führend, verflochten mit der
Kultur der Zeit.
220 Abbildungen bereichern den bis in feine De-
tails orientierenden Text, regen den Beschauer an,
diese zauberhaften Stätten mit ihrer heute noch
blühenden Romantik zu besuchen.
Sascha Schwabacher

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