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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 12
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Wolfradt, Willi: Hundert Jahre Berliner Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0378

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Eduard Gaertner

Ansicht des Spittelmarktes in Berlin. 1853
Bes.: Hohenzollern-Museum

HUNDERT JAHRE BERLINER KUNST
VON WILLI WOLFRADT

Der Verein B e r 1 i n e r K ü n stier, seit Begrün-
dung der Berliner Sezession mehr und mehr zu-
rückgetreten im Bewußtsein der Kunstöffentlieh-
keit, seit Jahrzehnten fast ausgeschaltet aus dem
schöpferischen Geschehen und ohne Kontakt mit
den Forderungen der Gegenwart, zeigt sich neuer-
dings lebhaft bestrebt, wieder Anschluß zu gewin-
nen und seine öffentliche Stellung zu verstärken.
Die ganz groß angelegte und ungewöhnlich reiche
Ausstellung, die ein Jahrhundert Berliner Kunst
»im Schaffen des Vereins Berliner Künstler« zu-
sammenfaßt, ist als Werbeveranstaltung bedeuten-
den Stils anzusehen. Mit der Berufung auf eine in
der Tat höchst respektable und sicherlich oft un-
terschätzte Vergangenheit allein wird es nun frei-
lich. nicht getan sein, — Zukunfts-Kredit kann
heute nur auf unzweideutige Zeichen der Erneue-
rung hin gewährt werden.
Die Beschränkung auf Werke von Mitgliedern des
Vereins Berliner Künstler schließt keine der be-
kannten Persönlichkeiten der Berliner Entwick-
lung aus, sie verengt das Gesamtbild nur ganz un-
wesentlich. So kann die Folge der Bilder etwa mit
Schinkel anheben, von dem man außer Theater-
dekorationsentwürfen und Claude Lorrain nachge-
stimmten Landschaften ein großes Eigurenstück
antikisierenden Genres vorfindet. Mit Gaertner und
Blechen ist schon der künstlerische Höhepunkt der
alten Berliner Malerei in Sicht. Beide sind entspre-
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chend nachdrücklich zur Anschauung gebracht
worden und können, wie wohl niemals zuvor, ihren
Sonderrang erweisen. An der Dotierung des Ble-
chen-Kabinefts ist in hervorragendem Maße der
Berliner Sammler Julius Freund beteiligt, wäh-
rend das beherrschende Stück, eine in sengendem
Meeresblau und im tonig hingeschwungenen Grau-
grün der Vorderszene mächtig entworfene Darstel-
lung des Golfes von Spezia, sich im Besitz der Ver-
waltung der S'taall. Schlösser und Gärten befindet.
Gaertners Zauber ist die Verbindung von feiner,
klarer Ausführlichkeit in der Wiedergabe des Ar-
chitektonischen mit einem seidigen Lichtschmelz
und Schimmer der Luft, dessen sanfte Wärme die
Bauform und das kleinfigurige Leben in den Stra-
ßen nicht etwa verschwimmen läßt, sondern vollends
subtil hervorläutert. Gaer tner steht weder einem Ca-
naletto, noch den van der Ileyde und Berckheycle
nach, und er ist vielseitiger als sie. Man kommt aus
dem Entzücken nicht heraus vor seinen Bildern,
unter denen sich übrigens auch einige BiJdniszeich-
nungen befinden. Die Klose, Roch, Ilintze, Brücke
erreichen ihn nicht, aber auch sie sind trotz gewis-
ser Kleinigkeiten und Trockenheiten, die der Ver-
gleich mit Gaertner enthüllt, keineswegs ohne Reiz.
Während die romantische Richtung in Berlin nicht
W urzel zu fassen vermag und auch die mit ihr zu-
sammenhängende römische Landschaft außer Ble-
chen nur so geringe Vertreter findet wie Ahlhorn
 
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