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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Sonderheft Kunstliteratur
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Die Kunst des Mittelalters und der Renaissance
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Architektur
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0784

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Architektur

sechste Band ausbreitet, von ganzem Herzen ge-
dankt zu haben. Biermann
H. A. SCHMID: HOLBEINS TOTENTANZ EIN
POLITISCHES BEKENNTNIS. Verlag Schwei-
zerische Monatshefte für Politik und Kultur
1928.
Holbeins »Bilder des Todes«, wie der Totentanz in
seinen ersten Ausgaben bezeichnenderweise genannt
wird, sind zum ersten Male im Jahre i538 als eine
Folge von 4i Holzschnitten bei Melchior und Gas-
pard Trechsel in Lyon erschienen, in demselben
Jahre, da der damals einundvierzigjährige Künstler
als englischer Hofmaler bei Gelegenheit einer Dienst-
reise nach Hochburgund zum letzten Male in Basel
weilte — genau fünf Jahre, bevor auch ihn der
Tod, den er so manches Mal gezeichnet, ereilte.
Schon Ed. His hat den Beweis erbracht, daß die
Holzschnittfolge keineswegs aus dieser letzten Zeit
stammt, sondern zum größten Teil schon geschnit-
ten gewesen sein muß, als Ilolbein i52Ö zum ersten
Male nach England ging. Dafür spricht vor allem
die Tatsache, daß Hans Lützelburger, von dem die
Folge geschnitten wurde, bereits im Sommer dieses
Jahres als gestorben erwähnt wird. Aber während
man bisher geneigt war, die Entstehungszeit zwi-
schen Bauernkrieg (Mai i525) und Abreise nach
England (Sommer IÖ2Ö) anzusetzen, gelingtSchmid
auf Grund stilkritischer Vergleiche, namentlich aber
durch Beziehungsetzung von Bildinhalt und da-
maligem politischen Geschehen der Indizienbeweis,
daß der Totentanz in den Jahren i52i—IÖ22 kon-
zipiert und mit aller Wahrscheinlichkeit im Jahre
1028 ausgeführt wurde1. Es ergibt sich daraus die
erstaunliche Tatsache, daß der Totentanz das Werk
eines Fünfundzwanzigjährigen ist! Und tatsächlich
ist es nicht die philosophische Buhe und Überlegen-
heit des Alters, die aus den Bildern spricht, son-
dern die scharfe kritische, frische Parteinahme der
Jugend. Man spürt überall, um mit Schmid zu
reden, »das harte Urteil des darbenden jungen
Mannes über die Bestechlichkeit der Reichen und
Vornehmen, den Zorn des Schwaben über dieFran-
zosenpartei, des Augsburgers über die Feinde des
Kaisers Maximilian . .. Der Totentanz ist demnach
ein Stimmungsbild aus den Monaten, da die Refor-
mation in Basel erst ihren Anfang nahm und ge-
hört mit den ,Briefen der Dunkelmänner', dem
,Narrenschiff‘ und dem ,Lob der Narrheit' in die
Reihe jener genialen Urteilssprüche über das Be-
stehende, die der großen Umwälzung vorangegan-
gen sind.«
In diesem Aufsatze präzisiert und belegt IJ. A.
Schmid, dem man in Bälde die abschließende IJol-
beinmonographie zu danken haben wird, einen be-
reits in seinem 1924 erschienenen Ilolbeinartikel
(Thieme-Becker) geäußerten Gedanken. Die auf-
geführten Tatsachen und die daraus gewonnenen
1 Vgl. Cicerone 1928, Heft 23, XVIII.
24

Schlüsse sind zwingend und geben Anlaß zu neuen
Rückschlüssen auf Holbeins gesamte graphische Tä-
tigkeit. W. Raeber
*
KURT LIESENBERG: DER EINFLUSS DER
LITURGIE AUF DIE FRÜHCHRISTLICHE
BASILIKA. (Freiburger Dissert.) Pfälzische
Verlagsanstalt, Neustadt a. d. Hardt 1928. (218
Seiten Text, io5 Abbildungen.)
Das Buch ist eine Enttäuschung. — Zunächst ist
der Titel irreführend. Denn er erweckt im Leser
die Erwartung, daß er in großen Zügen über die
Entwicklung der frühchristlichen Liturgie infor-
miert wird und über die aus dieser Entwicklung
erwachsenden Faktoren, die geeignet sind, umge-
staltend auf den basilikalen Bau einzuwirken. Man
erwartet ferner, daß der Verfasser diese Einwir-
kung an Hand der Baudenkmäler ad oculos demon-
striert und wenn möglich, aus der Verschieden-
heit der Liturgien auch die Verschiedenheit der
basilikalen Ostteile — denn um diese wird es sich
fast ausschließlich handeln — zu erklären ver-
sucht. Schließlich könnte es noch unternommen
werden, festzustellen, ob die Ausdehnungsgebiete
gewisser Varianten der Basilika sich mit denen der
entsprechenden Varianten der Liturgie decken. —
Nichts von alledem wird auch nur versucht. Statt
dessen werden dem Leser in einem ,,Liturgiege-
schichtliche Untersuchungen“ betitelten Kapitel le-
diglich die Titel verschiedener Messen des Ostens
imd Westens genannt und ihm kurz mitgeteilt, daß
sie sich gegenseitig verdrängt und beeinflußt haben.
Über ihren Inhalt, ihre Unterschiede und die Art
ihrer gegenseitigen Beeinflussung erfährt man
nichts. Man kann aber unmöglich z. B. den Unter-
schied zwischen der Anaphora des heiligen Jacobus
und der sogenannten clementinischen Liturgie als
gut bekannt voraussetzen, vor allem dann nicht,
wenn diese Dinge die Basis für die ganzen Unter-
suchungen sind. Wie soll man unter solchen Um-
ständen den »Einfluß der Liturgie auf die Basili-
ka« erkennen können? In Beyers »Syrischem Kir-
chenbau« (Berlin 1925) wird auf zwei Seiten mehr
Positives zu diesem Thema mitgeteilt als in dem
ganzen Buch von Liesenberg. In diesem werden die
einschlägigen Fragen im besten Fall in Nebensät-
zen oder Anmerkungen gestreift. (Eine Ausnahme
hiervon findet sich auf Seite 100, wo aus der Ab-
weichung der arabischen Übersetzung des Testa-
mentum domini nostri vom syrischen Original eine
Änderung in der Anordnung der Ostteile erklärt
wird.) Meist aber wird, in völliger Umkehrung des
gestellten Themas aus einer Änderung in der Ge-
staltung der Ostteile geschlossen, daß die Liturgie
sie veranlaßt hätte, da sie sich fortschreitend ent-
wickelte. So geht es bei der Verlegung des Altars
nach Osten, bei der Hinzufügung von Conchen an
die Pastophorien, beim gelegentlichen Fortfall von
 
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